Als Reaktion auf die Corona-Krise hat die Lufthansa ein gewaltiges finanzielles Krisenpaket geschnürt. Wie der Dax-Konzern bekanntgab, wird die geplante Dividendenzahlung komplett gestrichen. Außerdem hat sich CFO Ulrik Svensson neue Kredite in Höhe von 600 Millionen Euro gesichert. Darunter dürfte auch der schnell drehende Schuldschein fallen, mit dem die Lufthansa in der vergangenen Woche am Markt war.
Zusammen mit weiteren Maßnahmen der vergangenen Tage, die die Liquidität sichern sollen, verfügt die Airline nach eigenen Angaben nun über Mittel in Höhe von 4,3 Milliarden Euro. Das sind 700 Millionen Euro mehr als der Dax-Konzern Ende September auswies. Darüber hinaus könnte Svensson noch auf bislang ungenutzte Kreditlinien in Höhe von 800 Millionen Euro zugreifen. In ähnlichem Maße mit Cash vollgesogen hat sich auch der Wettbewerber Air France KLM. Die Franzosen beziffern ihre aktuelle Liquidität sogar auf 5,5 Milliarden Euro.
Lufthansa will notfalls Flugzeuge beleihen
Doch die Lufthansa-Führung hat Sorge, dass selbst diese gewaltige Summe nicht reichen könnte. So verweist der Konzern darauf, dass notfalls auch noch Flugzeuge beliehen werden könnten, um sich weitere Kredite zu sichern. Das Potential dafür ist enorm, schließlich hält die Lufthansa anders als viele Wettbewerber nahezu ihren gesamten Flugzeugbestand im eigenen Besitz. Das sind fast 700 Flugzeuge, deren Buchwert Vorstandschef Carsten Spohr auf 10 Milliarden Euro beziffert.
Spohr zeigte sich überzeugt, dass die Lufthansa „diese schwierige Situation finanziell auf jeden Fall länger durchhalten“ könne als viele andere Airlines. Nichtsdestotrotz habe der Konzern bei den Regierungen seiner Netzwerk-Airlines in Berlin, Brüssel, Zürich und Wien staatliche Finanzhilfen zur Überbrückung der Corona-Krise angefragt.
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Fraport droht Leverage-Grenze zu reißen
Auch bei den übrigen Luftfahrt- und Touristikkonzernen ist Cash King. Weil das Coronavirus sich ungebremst weiter ausbreitet, droht in Europa nahezu der gesamte Flugbetrieb eingestellt zu werden. Fraport-CFO Matthias Zieschang bezifferte die verfügbare Liquidität bei der Bilanzpräsentation in der vergangenen Woche auf 1,1 Milliarden Euro.
Doch anders als die Lufthansa kann Fraport nur sehr begrenzt auf die Investitionsbremse treten, da ein Stopp des 4 Milliarden Euro schweren neuen Terminalbaus in Frankfurt nach Aussagen des Managements „sehr teuer“ werden würde. Deshalb warnt Zieschang, dass die Nettoverschuldung des Flughafenbetreibers im Lauf dieses Jahres von 4,1 auf 5 Milliarden Euro anschwellen dürfte. Die Aussagen zu den Leverage-Grenzen, die Zieschang im Herbst gegenüber FINANCE-TV traf, dürften angesichts des bevorstehenden Gewinneinbruchs nicht mehr zu halten sein.
Airline- und Reiseaktien brechen ein
Noch dramatischer ist die Situation bei dem Reisekonzern Tui, der heute Nacht bekanntgab, nahezu den kompletten operativen Geschäftsbetrieb bis auf weiteres einstellen zu müssen. Tui verfügt nach Aussage von Finanzchefin Birgit Conix aktuell zwar auch noch über eine Liquidität von 1,4 Milliarden Euro. Aber auch Tui hat Staatshilfen beantragt. Nach Auskunft des Konzerns geht es um „staatliche Garantien, bis der normale Geschäftsbetrieb wieder aufgenommen werden kann“.
Das Problem sowohl der Reiseveranstalter als auch der Airlines ist, dass mit jeder Flug- oder Reisestornierung die Kundenanzahlungen zurück überwiesen werden müssen. Dadurch drohen selbst milliardenschwere Finanzpolster in rasanter Geschwindigkeit zusammenzuschmelzen. Goldman Sachs schätzt, dass Tui in diesem Jahr 1 Milliarde Euro an Barmitteln verbrennen wird. Die dadurch steigende Verschuldung dürfte den Konzern in den kommenden Jahren stark einschränken, so Analyst Felix Schlueter.
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Die Aktienkurse der drei Konzerne reagieren dramatisch auf die zugespitzte Lage: In der ersten Handelsstunde brach Lufthansa um 13 Prozent, Fraport um 16 Prozent und Tui gar um 30 Prozent ein. Die Beratungsgesellschaft Capa sorgt heute mit einer düsteren Prognose für Aufsehen: Bis Ende Mai dürfte ein Großteil der Fluglinien auf der Welt zahlungsunfähig sein.
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