Das Coronavirus hat sein erstes Opfer in der Airline-Branche gefunden: Der britische Regionalflieger Flybe musste seinen Betrieb in der vergangenen Woche einstellen. Zugleich warnte der Branchenverband IATA, dass die Fluggesellschaften 2020 im Passagiergeschäft zwischen 63 und 113 Milliarden Dollar an Umsatz verlieren könnten. Im Worst-Case entspräche dies 19 Prozent des gesamten Erlöses der Branche. Damit könnte das Coronavirus die Luftfahrt ähnlich hart treffen wie die Finanzkrise vor gut zehn Jahren.
Auch in Deutschland spitzt sich die Lage zu: Die Lufthansa räumte am Freitagnachmittag ein, dass sie „in den letzten Tagen mit drastischen Buchungsrückgängen und zahlreichen Flugstornierungen“ zu kämpfen habe. In den nächsten Wochen will die Airline ihre Kapazitäten um bis zu 50 Prozent streichen. Bereits jetzt sind Flüge nach China, Iran und Israel gestrichen, auf innerdeutschen Flügen sowie nach Italien gibt es Streckenstreichungen und Frequenzanpassungen. Das Sparprogramm soll verschärft werden.

Lufthansa
Coronavirus wird für Lufthansa und Tui zum Cash-Risiko
Bei Airlines könnte das Cash knapp werden
Noch traut sich die Kranich-Airline keine Prognose darüber zu, welche finanziellen Folgen die Epidemie für den Konzern hat. Die Lufthansa will sich dazu erst am 19. März äußern, wenn sie ihre Zahlen für 2019 vorlegt.
Es zeichnet sich aber längst ab, dass die Epidemie empfindliche Löcher in der Kasse von CFO Ulrik Svensson reißen wird, denn das Timing könnte für die Lufthansa ungünstiger kaum sein – in den ersten drei Monate des Jahres erwirtschaftet die Lufthansa üblicherweise ein Gros ihrer Liquidität: In den vergangenen drei Jahren lag der operative Cashflow im ersten Quartal stets stabil zwischen 1,6 und 1,7 Milliarden Euro. 2018 floss dem Konzern damit sogar 40 Prozent seines operativen Cashs im ersten Quartal zu, für 2019 liegen noch keine Zahlen vor.
Risiko Coronavirus

Was tun, wenn das Coronavirus den Betrieb lahmzulegen droht? Arbeitgeber sollten sich mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen wappnen. (1,99 € zzgl. MwSt.).
Das liegt am Geschäftsmodell der Airlines: Die Kunden bezahlen ihre Flüge, bevor sie die Leistung in Anspruch nehmen. Vor allem Urlaubsreisen werden besonders oft in den ersten drei Monaten gebucht – geflogen wird dann vor allem im Sommer. Wenn nun im ersten Quartal die Buchungen wegen des Coronavirus ausbleiben, wird es vor allem für Fluggesellschaften mit klammen Kassen im zweiten Halbjahr schwierig, Rechnungen für Kerosin und Co. zu bezahlen. Cash ist plötzlich wieder King.
FINANCE-Köpfe
Lufthansa erhöht Liquidität mit Schuldschein
Die Lufthansa sieht sich mit ihrem Liquiditätspuffer von 3,6 Milliarden Euro (Stand September 2019) zwar gut gerüstet, erklärte ein Investor-Relations-Sprecher gegenüber FINANCE. Dennoch arbeitet der Konzern bereits daran, sein Cash-Polster aufzubessern: Der Ratingagentur Scope zufolge hat die Lufthansa diese Woche damit begonnen, einen 200 Millionen Euro schweren Schuldschein zu vermarkten. Es ist ein ungewöhnlich schnell drehendes Papier, die Laufzeit soll lediglich 400 Tage betragen.
Der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge wäre es bereits die zweite Privatplatzierung der Lufthansa innerhalb weniger Wochen. Auch Fraport und der Betreiber des Düsseldorfer Flughafens sollen mit Schuldscheintransaktionen am Markt sein. Aus gutem Grund, glaubt man bei Goldman Sachs. Die Investmentbank hat ausgerechnet, dass die Lufthansa für 70 Prozent des Verkehrs am Frankfurter Flughafen steht – und strich deshalb das Kursziel für Fraport von 70 auf 54 Euro radikal zusammen.
Beide Aktien haben seit Mitte Februar schon rund 25 Prozent eingebüßt, und eine Bodenbildung ist noch nicht erkennbar. Die Lufthansa-Aktie steuert auf die kritische 10-Euro-Marke zu, auch Fraport droht unter eine charttechnisch wichtige Marke zu fallen, sie liegt bei 50 Euro.
Kein Halten mehr (Jahres-Chart der Lufthansa-Aktie)
Corporate-Bondmärkte trocknen aus
Dass die CFOs beider Unternehmen jetzt auf Schuldscheine setzen, kommt nicht überraschend. Weil es flexibel und diskret ist, ist das Finanzierungsinstrument vor allem in Krisenzeiten beliebt. Auch als die Anleihemärkte während der Finanzkrise ausgetrocknet waren, griffen viele Unternehmen auf den Schuldschein zurück. Ähnlich ist es nun beim Coronavirus: Der Ratingagentur Standard & Poors zufolge gab es in der letzten Februar-Woche nahezu keine Neuemissionen von Corporate Bonds. Die Bonitätswächter beobachteten „die schärfste Spread-Ausweitung in der Historie“.
Das hat vor allem für High-Yield-Emittenten Folgen. Aber auch Schuldner mit guter Bonität müssen mit steigenden Finanzierungskosten rechnen. „Die Fähigkeit, Fremdkapital am öffentlichen Markt aufzunehmen sowie mutmaßlich höhere Risikoprämien“ werde auch Investment-Grade-Unternehmen wie die Lufthansa beeinflussen, schreibt die Ratingagentur Scope in einem aktuellen Report.
Am Sekundärmarkt zeigt sich das bereits: Der Kurs einer 500 Millionen Euro schweren Anleihe, die die Lufthansa im vergangenen September emittiert hat, notiert derzeit mit rund 91 Prozent unter par. Die Lufthansa wird von Scope und S&P jeweils mit BBB bewertet, Moody’s bewertet die Bonität mit Baa3 eine Stufe geringer. Der Ausblick ist jeweils stabil.
Tui kämpft mit den Folgen des Coronavirus
Auch der Reisekonzern Tui bekommt die Folgen des Coronavirus zu spüren: Die Hannoveraner räumten Anfang März ein, dass die Buchungszahlen sinken. Dies betreffe allerdings insbesondere die vom Volumen her weniger wichtige Wintersaison. Da der Jahresstart für Tui sehr stark war, lägen die Buchungen insgesamt aber immer noch „deutlich über dem Vorjahr“, so der Konzern.
Tui-Aktie verliert noch stärker als die Lufthansa (Jahres-Chart)
Doch wie sich das Coronavirus in den nächsten Wochen auswirken wird, dazu traut man sich in Hannover keine Prognose zu. Klar ist aber, dass die Epidemie Tui in einer ohnehin schwierigen Lage trifft: In Folge des Flugverbot für die Boeing 737 Max müssen 15 Maschinen – etwa 10 Prozent der Flotte – bis zum Ende des Geschäftsjahres 2020 im September am Boden bleibe. Der Ausfall der neuen Flugzeuge kostete Tui im vergangenen Geschäftsjahr schon fast 300 Millionen Euro Gewinn, für dieses Jahr erwartet Finanzchefin Birgit Conix einen weiteren negativen Ergebniseffekt von 220 bis 270 Millionen Euro.
Wegen der schwächer werdenden Profitabilität und Cashflow-Generierung hat S&P die Bonität des Reisekonzerns Ende Februar von BB auf BB- gesenkt, und der Ausblick bleibt negativ. Wegen des Debakels um die 737-Max könnte der Touristikkonzern anfälliger für externe Schocks wie jetzt das Corona-Virus sein, befürchtet die Ratingagentur.
M&A-Deal stärkt Cash-Reserven von Tui
Dennoch beurteilt S&P die Liquiditätsposition von Tui als adäquat. Der Ratingagentur zufolge verfügt der Reiseveranstalter über Cash-Reserven in Höhe von 880 Millionen Euro sowie ungezogene Kreditlinien über 1 Milliarden Euro. Zudem habe Tui in diesem Jahr keine großen Schuldentilgungen vor der Brust. Die nächste große Fälligkeit steht erst im Oktober 2021 an, wenn ein Bond über 300 Millionen Euro ausläuft.
Bis dahin dürfte die Kasse von CFO Conix aber wieder gut gefüllt sein, denn der angekündigte Verkauf der Kreuzfahrtreederei Hapag-Lloyd Cruises wird netto 600 bis 700 Millionen Euro einbringen. Das Geld soll bis September fließen und die Cash-Reserven des Konzerns aufbessern, bevor im Winter der Bedarf an saisonalem Betriebsmittelkapital wie immer deutlich steigt.
FINANCE-Köpfe
Wie sehr die Corona-Epidemie Tui treffen wird, dürfte vor allem davon abhängen, wie weit sich die Epidemie regional ausbreitet. Während die besonders stark betroffene Region Italien für Tui laut S&P ein weniger wichtiger Markt ist, erzielt der Konzern in Spanien – einschließlich der kanarischen Inseln – im vergangenen Jahr etwa ein Viertel der externen Umsätze. Fälle wie auf Teneriffa, wo ein ganzes Hotel unter Quarantäne steht, sind da nicht hilfreich.
Die größte Gefahr für Tui lauert aber in der Heimat. Sollten die Infektionszahlen in Deutschland in die Höhe schießen und viele Länder ihre Häfen und Flughäfen für deutsche Touristen schließen, müsste der Konzern reihenweise Reisen stornieren. Die Anzahlungen der Kunden müsste Tui dann wieder zurücküberweisen. Mit jeder stornierten Reise würde das Loch in der Kasse größer werden.
desiree.backhaus[at]finance-magazin.de

Gewinnwarnungen, ein Streik nach dem nächsten, ein groß angelegter Konzernumbau – und jetzt auch noch das Coronavirus: Die Lufthansa ist im Krisenmodus. Wie die größte deutsche Airline um die Wende ringt, lesen Sie auf unserer Themenseite zur Lufthansa.
Wie Tui versucht, die Coronakrise zu überstehen, können Sie auf unserer Themenseite zu Tui nachlesen.