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KPMG und Batterie-Entwickler Lion streiten über Testat

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Foto: Thorsten Klapsch
Foto: Thorsten Klapsch

Bei dem Anbieter von Lithium-Ionen-Batteriesystemen Lion Smart und der Holding Lion E-Mobility gibt es Ärger: Zwischen den Wirtschaftsprüfern von KPMG und der Tochter Lion Smart ist ein Streit zur Bilanzierung der Umsatzerlöse ausgebrochen. Die Folge: Das Big-Four-Haus wird Lion Smart bei der freiwilligen Jahresabschlussprüfung für 2020 ein nur eingeschränktes Testat erteilen, heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens.

Laut „derzeitigem Kenntnisstand“ wird auch die Schweizer Mutter Lion E-Mobility infolgedessen ebenfalls ein eingeschränktes Testat bei der freiwilligen Prüfung des Konzernabschlusses erhalten. Die Lion E-Mobility AG ist eine im Jahr 2011 gegründete, börsennotierte Schweizer Holding mit Investments im E-Mobility Sektor, vor allem im Bereich elektrische Energiespeicher und Lithium-Ionen-Batteriesystemtechnik. Die deutsche Lion Smart GmbH ist ein Entwickler von Batterie-Packs und Batterie-Managementsystemen für Elektroautos.

Dass Abschlussprüfer ein uneingeschränktes Testat verweigern, kommt sehr selten vor. Bei Streitfragen können sich Prüfer und Vorstand meist auf eine Lösung einigen – doch in diesem Fall offensichtlich nicht. Dass es längere Diskussionen miteinander gegeben hat, deutet sich in der Mitteilung des Unternehmens an.

Lion Smart: Bricht der bilanzierte Umsatz stark ein?

Stein des Anstoßes ist die Frage, ob Lion Smart als Prinzipal oder Agent handelt – davon hängt die Bilanzierung der Umsätze maßgeblich ab. Dabei wird aufgrund unterschiedlicher Kriterien bewertet, ob ein Unternehmen den Umsatz in voller Höhe der tatsächlichen Rechnungsstellung an den Kunden ausweisen darf (Prinzipal), oder ob das Unternehmen als Vermittler agiert und nur einen gekürzten Wert als Umsatz ausweisen darf (Agent). Bei der Bewertung spielt die Frage nach der Kontrolle des verkauften Produkts eine zentrale Rolle. In dem konkreten Fall versteht sich Lion Smart als Prinzipal und Entrepreneur, während die KPMG-Prüfer Lion Smart in der Rolle als Agent und Vermittler sehen.

Die Folge: Statt wie geschehen die Umsätze in voller Höhe der tatsächlichen Rechnungsstellung an den Kunden (Bruttoausweis) zu verbuchen, dürfe das Unternehmen laut den Wirtschaftsprüfern lediglich die Marge, also die Differenz zwischen An- und Verkaufspreis, ausweisen. Für Lion Smart wären die Konsequenzen beachtlich: Statt der verbuchten 17,3 Millionen Euro Umsatz dürfen nach Ansicht von KPMG lediglich 5,5 Millionen Euro ausgewiesen werden – ein Einbruch um 11,8 Millionen Euro. Gleiches gelte aber auch für die Materialaufwendungen, die um ebenfalls 11,8 auf dann 2,2 Millionen Euro sinken würden, sodass die Gewinnkennzahlen unberührt blieben.

Lion Smart betrachtet Entwicklung und Verkauf als Einheit

Bei Lion Smart sieht man das Ganze anders: Das Unternehmen sieht sich im Segment des Integrated-Business, bei dem die vom Kunden bereitgestellten Fahrzeuge vollumfänglich elektrifiziert werden, in der Stellung eines Prinzipals und Entrepreneurs. Neben den umfangreichen Entwicklungsleistungen zähle dazu die vollumfängliche Betreuung des jeweiligen Kunden und die Umsetzung der Elektrifizierung.

„Lion Smart ist weiter der Überzeugung, dass die Entwicklungsleistungen und der Verkauf von BMW-i3-Batterien einheitlich zu betrachten sind“, heißt es. Daher seien diese auch nicht separat zu bilanzieren. Bei den Verträgen des Geschäftsjahres 2020 habe Lion sichergestellt, dass die Risiken bei der Übertragung der Batterien dem jeweiligen Kunden obliegen, der für die Logistik und die Abholung der Batterien selbstständig verantwortlich ist. 

KPMG sieht Lion lediglich als Vermittler

Die KPMG-Prüfer seien hingegen zu der Überzeugung gelangt, dass Lion Smart nicht über eine ausreichende Kontrolle über die Batterien verfüge, bevor diese in das Eigentum der Kunden übergehen. Damit wäre das Unternehmen beim Kauf der Batterien vielmehr als Agent zu behandeln und dürfte in diesem Fall auch nur die Marge aus dem Geschäft als Umsatz ausweisen.

Der Freude über die guten Jahreszahlen, die das Management um CEO und CFO Thomas Hetmann vor Kurzem vorgelegt hatte, dürfte durch das eingeschränkten Testat einen deutlichen Dämpfer bekommen haben. Dabei waren die Umsätze 2020 laut vorläufigen Zahlen deutlich angestiegen – von 1,6 Millionen Euro auf 17,3 Millionen Euro, das war der bisher höchste Umsatz der Unternehmensgeschichte. Begründet hatte das Unternehmen ihn mit der Verbreiterung der Kundenbasis und der Weiterentwicklung der Light-Batterie mit einem Tier-1-Supplier. 

Lion Smart arbeitet mit KPMG und Juristen an Verträgen

Für das Geschäftsjahr 2021 peilte Lion Smart fast eine Verdopplung des Umsatzes auf 30 Millionen Euro an – ob sich das aufgrund der geänderten Bilanzierungssituation halten lässt, bleibt abzuwarten. Denn der Streit zwischen Unternehmen und Prüfer ist noch nicht beendet. Zwar will das Unternehmen den eingeschränkten Bestätigungsvermerk nun akzeptieren – sieht sich selbst aber weiterhin als Prinzipal an.

Für 2021 strebt Lion Smart ein uneingeschränktes Testat an, heißt es weiter. Daher arbeite man gemeinsam mit KPMG und Juristen daran, „die marginalen Änderungen der zugrundeliegenden Verträge mit unseren Kunden um die formal erforderlichen Anforderungen (Control Konzept) zu erfüllen und die Stellung eines Prinzipals auch unter bilanziellen Anforderungen sicherzustellen“.

Für KPMG ist das Ganze kein Neuland: Einen ähnlichen Streit zur Frage nach Prinzipal oder Agent führte der Prüfer vor gut einem Jahr mit dem IT-Dienstleister Cancom. Dieser musste seinen Umsatz daraufhin rückwirkend nach unten korrigieren.

thomas.holzamer[at]finance-magazin.de

Thomas Holzamer ist Redakteur bei FINANCE sowie Chef vom Dienst bei FINANCE-Online und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Banken-Sektor, speziell das Firmenkundengeschäft. Er hat Politikwissenschaften an der Technischen Universität Darmstadt studiert. Vor FINANCE arbeitete Thomas Holzamer mehr als 12 Jahre in den Redaktionen der Mediengruppe Offenbach-Post, zunächst als verantwortlicher Redakteur für Sonderpublikationen, später im Lokalen.