Die Buchhaltung ist beileibe kein Profit Center, aber verzichten kann ein CFO auf sie auch nicht. Im schlimmsten Fall verursacht die Buchhaltung jedoch hohe Kosten und verlangsamt die internen Prozesse. Solchen Entwicklungen zu begegnen, gehört zu den Kernaufgaben von Finanzchefs. Moderne Software kann dabei helfen, Buchhaltungs- und Auszahlungsprozesse massiv zu beschleunigen. Mit ein wenig Glück kann ein CFO durch den Einsatz passender Tools sogar zusätzliche Cashflows generieren, etwa wenn im Ausland von Mitarbeitern gezahlte Mehrwertsteuer vollständig automatisiert reklamiert wird. Dabei dürfen freilich keine Rechtsrisiken entstehen (Stichwort „versehentliche Steuerhinterziehung“).
In unserer FINANCE-Serie stellen wir heute zwei Fintechs vor, die sich darauf spezialisiert haben, Prozesse in der Buchhaltung zu automatisieren: Finmatics aus Wien und Yokoy aus Zürich. Ihre Ansätze sind unterschiedlich, aber das Ziel ist das Gleiche: mehr Effizienz, geringere Kosten, weniger sperrige Prozesse.
Finmatics automatisiert die Buchhaltung
Die österreichische Finmatics hat eine Software entwickelt, die mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz und Machine Learning im großen Stil Buchhaltungstransaktionen automatisiert. „Die Prüfung von Belegen ist in vielen Unternehmen immer noch ein manueller Prozess und für die Buchhaltung sehr komplex. Unsere Software sorgt dafür, dass bis zu 80 Prozent der Transaktionen nicht mehr individuell angefasst werden müssen“, verspricht Mitgründer Patrick Sagmeister.
Die Belege werden automatisch geprüft und weitergeleitet. Das spart Zeit und Kosten in der Buchhaltung, aber auch in weiteren Bereichen der Finanzabteilung wie zum Beispiel der Steuerabteilung. „Auch die Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsprüfer und den Steuerberatern wird beschleunigt“, berichtet Sagmeister.
Finmatics gegründet. Foto: Finmatics
Mitgründer Christoph Prieler bezeichnet seine Software als „Plug and Play“-Lösung. Kleinere Unternehmen könnten Finmatics direkt starten, bei großen Konzernen verbinde sich die Software über Standardschnittstellen mit allen gängigen ERP-Systemen. Der Ansatz: Die Software zieht sich die Buchhaltungsdaten und lernt dann selbstständig, mit den Standards des Unternehmens zu arbeiten. „Das Training unseres Tools dauert wenige Stunden, dann ist es startklar“, sagt Prieler.
Kunden wie die Autovermietung Avis Budget nutzen Finmatics bereits europaweit, berichtet er. Vorwiegend national tätige Kunden sind der Gasversorger Gas Connect Austria und die Wiener Stadtwerke, auch die SOS Kinderdörfer setzen Finmatics ein.
Das kostet der Einsatz von Finmatics
Der Preis für das Nutzen der Software richtet sich bei Finmatics nach der Anzahl der Belege, die automatisch erfasst werden sollen. Kleinere Lizenzen beginnen bei Steuerberatern preislich bei rund 400 Euro im Monat, in größeren Konzernen eher bei 1.000 Euro pro Monat. Sagmeister nennt das Beispiel eines sehr großen Kunden, bei dem hunderte User Finmatics nutzen: „Diesen Konzern kostet das rund 10.000 bis 15.000 Euro pro Monat. Die Implementierung des Systems hat einmalig einen niedrigen sechsstelligen Betrag gekostet.“
Einige Anbieter von ERP-Systemen bieten Finmatics als integriertes Plug-in an, das Kunden direkt mit installieren können. Zudem hat Finmatics Vertriebspartnerschaften mit Systemhäusern und Big-Four-Beratungshäusern. Diese stellen ihren Kunden das Fintech vor, wenn sie Projekte zur Digitalisierung von Rechnungslegungsabteilungen begleiten.
Info
Finmatics ist eine Softwarefirma aus Wien, die sich auf automatisierte Lösungen rund um den Belegeingang spezialisiert hat. Mit Hilfe neuer technologischer Ansätze will Finmatics es Unternehmen und Steuerkanzleien nach eigenen Angaben ermöglichen, „die Zukunft im Rechnungswesen schon heute zu erleben“. Die digitalen Assistenten von Finmatics können entlang der Prozesskette vom Auslesen von Daten bis hin zu kompletten inhaltlichen und fachlichen Prüfungen eingesetzt werden. Kunden sollen von einer intelligenten Automatisierung der Buchhaltungsabläufe profitieren, die Finmatics als „schnell, einfach und revisionssicher“ bewirbt.
Yokoy hilft, bezahlte Mehrwertsteuer zurückzuholen
Das Schweizer Fintech Yokoy automatisiert das Ausgabenmanagement, insbesondere für global tätige Unternehmen, und übernimmt dabei das Spesen-, Rechnungs- und Kartenmanagement. „Unsere KI-basierte Lösung versteht zahllose Sprachen und kennt enorm viele Mehrwertsteuersysteme. Sie erkennt selbstständig, in welchem Land die Zahlung getätigt wurde, ob alles seine Richtigkeit hat und ob die Mehrwertsteuer korrekt angesetzt worden ist“, beschreibt Ben Bauer, der für Deutschland zuständige Geschäftsführer, die Vorzüge des Produkts. Er verspricht: „Wir automatisieren das komplette Debitoren- und Kreditorenbuch.“
Yokoy kann Rechnungen automatisch Kostenstellen zuordnen und sie dort verbuchen. Was das bringt? „Das spart Zeit, reduziert manuelle Arbeitsschritte, ist revisionssicher und eliminiert die Gefahr, im Zuge falsch abgerechneter Mehrwertsteuersätze im Ausland unwissentlich Steuerhinterziehung zu begehen“, sagt Bauer. Gerade bei letztgenanntem Punkt sieht er für viele CFOs einen großen Hebel, um den Cashflow zu verbessern. „Nicht wenige Unternehmen verzichten aus Angst vor den Risiken komplett darauf, die Mehrwertsteuer auf im Ausland getätigte Zahlungen zurückzufordern. Da kommen vielfach hohe Summen zusammen.“
Mit Yokoy lassen sich diese Geldströme Bauer zufolge gefahrlos mobilisieren: „Wir reduzieren das Risiko von Steuerstrafen massiv und liefern zudem Einsparmöglichkeiten bei Spesen und Reisekosten. Auch Personalkosten lassen sich erheblich reduzieren.“ Bauer berichtet von Kunden, die mit der Lösung an verschiedenen Stellen der Finanzabteilung jeweils einen Manntag pro Monat eingespart haben und so Zeit für strategischere Themen gewinnen konnten.
Info
Yokoy wurde 2019 in Zürich mit dem Ziel gegründet, die Spesenabrechnung zu vereinfachen. Inzwischen hat das junge Fintech eine umfassende Lösung für die Ausgabenverwaltung entwickelt, die das Spesenmanagement, die Rechnungsverarbeitung und intelligente Firmenkreditkarten vereint. Yokoy wird von bekannten Investoren finanziert, darunter Balderton Capital, Left Lane Capital, Swisscom Ventures und SIX Fintech Ventures. Yokoy beschäftigt rund 100 Mitarbeiter und hat Büros in fünf europäischen Städten, darunter München. 2021 wurde Yokoy mit dem „Swiss Fintech Award“ ausgezeichnet.
Kosten für Yokoy lassen sich über Visa-Kartengebühren begleichen
Das SaaS-Modell von Yokoy basiert für das sogenannte „Expense-Modul“ auf einem User-basierten Preismodell. Yokoy-Kunden erhalten im Basispaket Corporate-Debit-Karten ohne Karten- und Fremdwährungsgebühren. Seit Jahresbeginn können Kunden über ihre Yokoy-Visa-Debit-Karte auch eine Cashback-Option wählen, über die jedem Kunden 2 Prozent des jährlichen Kartenumsatzes auf die Lizenzgebühr verrechnet werden.
Yokoy fügt sich nach eigenen Angaben „nahtlos“ in das Herz der IT-Landschaft ein und kann auf diverse IT-Systeme in verschiedenen Abteilungen zugreifen, zum Beispiel auf Tools für Reisekosten- und HR-Management. Zu den häufigsten System, mit denen Yokoy arbeitet, zählen SAP, Datev, Oracle, Sage und Personio. „Je mehr Systeme angehängt werden, desto effektiver arbeitet Yokoy für das Unternehmen“, sagt Bauer. Zielgruppe sind gehobene Mittelständler und Konzerne. Der Vertrieb läuft direkt, aber auch über Partner wie PwC und Accenture oder Systemintegratoren wie Cognizant.
Info
In Teil 1 dieser FINANCE-Serie haben wir die Fintechs Troc Circle für Working-Capital-Optimierung und BLP Digital für die Automatisierung von ERP-Prozessen vorgestellt. Hier geht es zum Artikel.