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CFO des Monats: Steffen Schiefer

Gibt es den Aurelius-CFO Steffen Schiefer überhaupt? Und wenn ja, hat er bei dem Turnaround-Investor überhaupt etwas zu sagen? Die Anschuldigungen des Activists Gotham City sind bemerkenswert.
cyano66/Thinkstock/Getty Images

Der unter Beschuss geratene Turnaround-Investor Aurelius hat sich große Mühe gegeben, die Anschuldigungen des Angreifers Gotham City zu widerlegen. Trotzdem war der Konter der Münchener alles andere als makellos. Wichtige Fragen zu umfangreichen Aktienverkäufen von Aurelius-Chef Dirk Markus blieben unbeantwortet, ebenso ließ Aurelius die Öffentlichkeit darüber im Dunkeln, wie viele Aktien der CEO aktuell überhaupt noch besitzt. Das ist die ernstzunehmende, noch offene Flanke für die Beteiligungsgesellschaft aus dem Münchener Nobel-Vorort Grünwald.

Wesentlich absurder erscheinen andere zentrale Vorwürfe, die Gotham City erhoben hat, wie etwa das angebliche Verschwinden der schwedischen Aurelius-Töchter oder die Behauptung, dass die wichtigste Aurelius-Beteiligung Secop in Wahrheit völlig wertlos sei. Letztere Vermutung hat Aurelius Anfang dieser Woche eindrucksvoll widerlegt: Der Finanzinvestor verkaufte Secop für 185 Millionen Euro nach Japan und verelffachte damit seinen ursprünglichen Einsatz. Das neue Aktienrückkaufprogramm und die Verdoppelung der Dividende können ebenfalls als Zeichen der Stärke gewertet werden. 

Steffen Schiefer ist für CFO-Verhältnisse unsichtbar

Am schillerndsten – und bislang noch nicht vollständig widerlegt – sind jedoch die Verdächtigungen, die der aktivistische Investor Gotham gegenüber dem (nach Ansicht Gothams vermeintlichen) Aurelius-CFO Steffen Schiefer hegt. Die Amerikaner glauben diverse Hinweise gesammelt zu haben, wonach Schiefer gar nicht existiert oder zumindest keine wichtige Rolle bei Aurelius spielt. Daraus konstruiert Gotham City ein vermeintliches Corporate-Governance-Problem bei Aurelius: Ohne CFO können die drei Vorstände und Dealmaker Dirk Markus, Gerd Purkert und Donatus Albrecht praktisch unkontrolliert agieren und Performance-Schwächen verschleiern, suggeriert der US-Investor.

Tatsächlich ist Schiefer für CFO-Verhältnisse ein Phantom – insbesondere angesichts der Tatsache, dass es sich bei Aurelius um einen Konzern mit einer Marktkapitalisierung von 1,5 Milliarden Euro handelt. Schiefer findet keinerlei Erwähnung in den vorliegenden Geschäftsberichten von Aurelius. Er gehört auch nicht dem Vorstand an, sondern ist laut Aurelius seit 2012 lediglich „Mitglied des Extended Management Boards“. Er sei im Juli 2008 von ProSiebenSat1, wo er im Accounting tätig gewesen sei, zu Aurelius gestoßen. Auf der Aurelius-Website auffindbar ist Schiefer lediglich in seiner Funktion als Vorstand der Aurelius-Flüchtlingsinitiative.

Völlig unter der üblichen Benchmark liegt Aurelius damit aber nicht. Auch der zweite bekannte börsennotierte Münchener Turnaround-Investor Bavaria hat keinen Finanzchef in seinem Vorstand, ebenso wenig die Wuppertaler Industrieholding Gesco. Es gibt aber auch PE-Investoren und Industrieholdings, die auf CFOs in ihrem Vorstand setzen, beispielsweise Indus mit Rudolf Weichert, die aufstrebende MBB Industries mit Anton Breitkopf oder die Deutsche Beteiligungs AG mit ihrer Finanzchefin Susanne Zeidler, die sich regelmäßig den Analysten und Investoren stellt.        

Aurelius-Aktie hat sich von dem Gotham-Hieb noch nicht erholt

Das Gerede über das „Phantom von Grünwald“, wie in Finanzkreisen inzwischen über Schiefer gespottet wird, ist für Aurelius-Chef Dirk Markus mitnichten eine Petitesse. Bricht mit der Personalie Schiefer ein Teil seiner Verteidigungslinie zusammen, könnten auch Markus‘ andere Argumente ins Wanken geraten, schließlich sorgt seine Geheimniskrämerei rund um seine Aktienbeteiligung für Misstrauen. Indiz: Die Aurelius-Aktie hat sich von dem Gotham-Angriff bei weitem noch nicht wieder erholt und liegt trotz des Kursanstiegs, den der Secop-Verkauf ausgelöst hat, noch immer 30 Prozent unter dem Kurs, den das Papier vor der Attacke erreicht hatte.   

Beim Versuch, das aufgerissene Aktienkurs-Gap zu schließen, kommt es daher jetzt auch auf Schiefer an. Aurelius-Gründer Markus hat angekündigt, Schiefer am Kapitalmarkttag des Unternehmens am kommenden Dienstag in London präsentieren zu wollen. „Dort wird Herr Schiefer gerne alle Fragen beantworten“, verspricht Aurelius seinen verunsicherten Investoren. 

London calling: Steffen Schiefer muss nächsten Dienstag performen

Wie genau Schiefer dort auftreten wird, könnte für die Glaubwürdigkeit von Aurelius am Kapitalmarkt wichtig werden. Sagt er nur Guten Morgen und stellt seine Vita vor, oder referiert er zu wichtigen Punkten der Finanzstrategie? Aus Unternehmenskreisen ist zu hören, dass letzteres der Fall sein wird: Angeblich soll nicht Markus, sondern Schiefer die neuen Quartalszahlen präsentieren.

Durch seinen Londoner Auftritt muss Schiefer die Investoren in den Glauben versetzen, dass er kein bloßer Buchhalter, sondern ein echter CFO ist, der aus dem Hintergrund Einfluss auf die Strategie, die Finanzen und das Risikomanagement der aggressiven Beteiligungsgesellschaft zu nehmen versteht. Liefert er und bringt auch Markus Licht in seine Aktiengeschäfte, könnte es Aurelius gelingen, die leidige Gotham-Episode bald hinter sich zu lassen. Patzt Schiefer jedoch, könnte Gotham City noch einmal Oberwasser bekommen. In London steht für Aurelius viel auf dem Spiel – auch für CFO Schiefer persönlich.          

Info

Hintergründe zu der Attacke auf Aurelius und zu anderen Kampagnen der Leerverkäufer in Deutschland gibt es auf unserer FINANCE-Themenseite zu Shortseller-Attacken.

Für herausragende Leistungen, wegweisende Herausforderungen oder mutige Entscheidungen zeichnet FINANCE jeden Monat einen Finanzvorstand aus. Welche Finanzchefs die Auszeichnung bislang erhalten haben, lesen Sie auf unserer Themenseite CFO des Monats