Die Hauptversammlung beim Verbindungstechnikproduzenten Norma hat ein spektakuläres Ende gefunden: Die Aktionäre haben den Aufsichtsratschef Stefan Wolf gestürzt. Wie das MDax-Unternehmen heute Mittag bekannt gab, hat Wolf nicht die erforderliche Mehrheit erhalten.
Und das Ergebnis war denkbar knapp: Wolf erhielt 49,6 Prozent der Stimmen und damit marginal zu wenig, um wieder in den Aufsichtsrat gewählt zu werden. Dass eine Hauptversammlung den Aufsichtsratschef nicht wiederwählt, ist eine Seltenheit. Und noch seltener passiert dies bei Unternehmen wie Norma, die weder von Managementwechseln noch von Geschäftseinbrüchen oder Finanzskandalen erschüttert worden sind.
Dennoch hatte sich der Konflikt bei Norma abgezeichnet. Wie FINANCE vor wenigen Tagen aus unternehmensnahmen Kreisen erfuhr, hatten gleich mehrere wichtige Aktionärsberater Stellung gegen den Aufsichtsrat bezogen. Diese sogenannten „Proxy Advisors“ wie Glass Lewis oder ISS haben oft großen Einfluss auf das Abstimmungsverhalten institutioneller Investoren. Da Norma keinen Großaktionär hat und sich die Aktien zu 99 Prozent in Streubesitz befinden, waren die Aktionärsberater nicht ohne Chancen, ihre Forderungen durchzusetzen.
Stimmrechtsberater: Aufsichtsräte sind zu alt
Anders als Wolf wurden die anderen Kandidaten Lars Magnus Berg, Rita Forst, Günter Hauptmann, Knut Michelberger und Erika Schulte in den Norma-Aufsichtsrat gewählt, obwohl sich auch an einigen dieser Personen Kritik entzündet hatte. Der Unternehmensberater Berg wurde im späteren Tagesverlauf von seinen Aufsichtsratskollegen zum neuen Vorsitzenden gewählt.
Besonders gestoßen hatten sich die Berater daran, dass der Norma-Aufsichtsrat offenbar seine eigene Geschäftsordnung ignoriert hat. Dort ist hinterlegt, dass die Amtszeit eines Aufsichtsratsmitglieds nicht über dessen 70. Geburtstag hinaus fortdauern darf. Die Mitglieder, die sich nun zur Wahl stellten, sind im Schnitt aber über 63 Jahre alt, der neue Aufsichtsratschef Berg liegt sogar schon jetzt über der definierten Altersgrenze von 70 Jahren.
Ein Unternehmens-Insider warf gegenüber FINANCE die Frage auf, ob ein Aufsichtsrat mit einem derart hohen Altersdurchschnitt in der Lage sei, das Unternehmen bei der technologischen Revolution in der Automobilindustrie – Normas zentraler Kundengruppe – angemessen zu begleiten.
Norma-Aufsichtsrat kämpfte für Stefan Wolf
Aufsichtsratschef Stefan Wolf kritisierten die Investoren außerdem wegen einer vermeintlichen Ämterhäufung. Wolf ist unter anderem Verhandlungsführer der südwestdeutschen Arbeitgeberverbände und Chef des Autozulieferers Elring Klinger.
Der Aufsichtsrat hat noch mit einem persönlichen Appell an die Aktionäre versucht, Wolfs drohende Abwahl abzuwenden. Unter dem Aufsichtsratschef Wolf habe sich Norma „außerordentlich positiv entwickelt“ und „keine nennenswerten Compliance-Vorfälle“ erlebt. Die Aktionäre und ihre einflussreichen Berater hat das offensichtlich nicht überzeugt.
julia.schmitt[at]finance-magazin.de
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Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.