830 Millionen US-Dollar wollte Lilium beim Börsengang in den USA ursprünglich einnehmen – geschehen sollte dies über einen Zusammenschluss mit dem an der Nasdaq gelisteten Börsenmantel (Special Purpose Acquistion Company, Spac) Qell Acquisition.
Das hohe Ziel haben die Flugtaxipioniere aus Deutschland nun verfehlt: Zwar haben die Qell-Aktionäre dem Merger am vergangenen Freitag mit 98 Prozent zugestimmt, damit ist der Weg an die Börse für Lilium unter dem Mantel des Spac-Vehikels frei. Doch das Vertrauen der Qell-Investoren in das Lilium-Geschäftsmodell ist offenbar nicht sehr hoch: 65 Prozent der Qell-Aktionäre haben ihre Papiere lieber zurückgegeben als sie in Lilium-Aktien einzutauschen. Deshalb erlöst Lilium nur rund 584 Millionen Euro – knapp 30 Prozent weniger als erhofft. Als Grund für den schwachen Erlös führt das Unternehmen „das aktuelle Spac-Marktumfeld“ an.
Hinter Qell steht ein achtköpfiges Team um den früheren General-Motors-Manager Barry Engle, der im September beim Qell-Börsengang bereits 350 Millionen Dollar einsammeln konnte. Zu den prominenten Investoren von Lilium gehören Baillie Gifford, Blackrock, der chinesische Konzern Tencent, das spanische Infrastrukturunternehmen Ferrovial, der Finanzinvestor LGT/Lightrock, das US-Softwareunternehmen Palantir, die Stiftung FII Institute sowie die zur Allianz gehörende Investmentgesellschaft Pimco.
Bei dem Börsengang wird Lilium somit mit rund 3,3 Milliarden Dollar bewertet, das entspricht umgerechnet etwa 2,8 Milliarden Euro. Der Preis einer Lilium-Aktie soll bei etwa 10 Dollar liegen. Nachdem die finalen Closing-Bedingungen erfüllt sind, wird Lilium von Mittwoch dieser Woche an, dem 15. September, an der New Yorker Börse gelistet sein.
Viele Spac-Investoren sind kritisch
Dass das Lilium-Investment bei den Qell-Investoren auf Skepsis stieß, ist kein Einzelfall. Laut einer Erhebung der Citibank, aus der das „Handelsblatt“ zititert, sollen zuletzt häufig 70 bis 90 Prozent der Spac-Aktionäre ihre Anteile zurückgeben haben, sobald der Börsenmantel, in den sie investiert hatten, sein Übernahmeziel bekanntgab. Das erklären sich Marktbeobachter damit, dass der Spac-Boom, der um den Jahreswechsel 2021 herum kurzzeitig auch nach Deutschland herüberschwappte, mittlerweile wieder stark abflacht – vor allem in den USA, wo Spacs sich grundsätzlich größerer Beliebtheit erfreuten als etwa in Europa.
Hierzulande hat unter anderem der Spac „Lakestar“ mit dem Reise-Start-up Hometogo jüngst ein Übernahmeziel gefunden, am heutigen Montag hat die Aktionärsversammlung der Berliner dem Deal genehmigt. In den USA ist kürzlich bereits der Lilium-Wettbewerber Joby ebenfalls über einen Spac an die Börse gegangen – und auch in dem Fall gaben fast zwei Drittel der Spac-Aktionäre ihre Anteile zurück.
Für Kritik sorgen bei den Spac-Übernahmen regelmäßig die mitunter intransparenten Kostenstrukturen der Spacs, die mögliche hohe Beteiligung der Spac-Manager an dem Deal sowie das Risiko, dass der Investor zu Beginn in ein noch unbekanntes Übernahmeziel investiert. Die zeitlich begrenzte Anlagedauer der Spac-Investoren kann zudem einen Investitionsdruck erzeugen. Kritiker monieren, dass unter Druck möglicherweise ein qualitativ nicht geeignetes Investitionsziel gewählt werden könnte.
Pipe-Finanzierung sichert Zufluss für Lilium
Bei Lilium ändern sich durch die Fusion mit dem Spac künftig auch die Besitzanteile. Bereits bei der Ankündigung im März, als Lilium noch von 830 Millionen Dollar Erlösen ausgegangen war, kündigte das Unternehmen ein Pipe-Investment von institutionellen Investoren über 450 Millionen Dollar an. Pipe steht für „Private Investment in Public Entity“, eine Art Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts. Die übrigen 380 Millionen Dollar wollte Lilium in Cash erlösen. Dieser Anteil dürfte nun deutlich geringer ausfallen.
Zu den Pipe-Investoren zählten der Ankündigung von März zufolge die Qell-Großinvestoren Baillie Gifford, BlackRock, Tencent, Ferrovial, LGT und Lightrock, Palantir, Atomico, FII Institute und Pimco. Wie das „Manager Magazin“ berichtet, sollen die Pipe-Investoren für 450 Millionen Dollar knapp 16 Prozent der Anteile erhalten. Größter Einzelaktionär nach der Verschmelzung mit Qell bleibe weiterhin der chinesische Technologiekonzern Tencent mit knapp 27 Prozent der Anteile, gefolgt von den Pipe-Investoren mit 16 Prozent und Atomico mit 14 Prozent. Auf die Qell-Aktionäre würden dem Magazin zufolge nur 5 Prozent der Anteile entfallen.
Vorstandschef und Co-Gründer Daniel hielte noch knapp 9 Prozent der Anteile, seine Aktien sollen jedoch über ein dreifaches Stimmrecht weiterhin mehr Gewicht haben. Der bisherige Qell-CEO soll künftig einen Sitz im Lilium-Aufsichtsrat erhalten.
Lilium erwartet bis einschließlich 2024 Verluste
Für Lilium soll der Börsengang den Zugang zu weiterem Kapital sichern. Im März vergangenen Jahres hatte sich das Flugtaxi-Start-up, das für ein Jahr von Ex-Uniper-CFO Christopher Delbrück geführt wurde, in einer Finanzierungsrunde noch 240 Millionen Dollar gesichert. Seit Ende vergangenen Jahres leitet der Amerikaner Geoffrey Richardson das Finanzressort der Münchener.
Investoren werden bei Lilium einen langen Atem beweisen müssen. Das Start-up wird nach eigenen Angaben wohl noch bis einschließlich 2024 rote Zahlen schreiben. Erst von 2025 an erwartet Lilium einen positiven operativen Gewinn sowie einen positiven Free Cashflow, geht aus der Kapitalmarkttagpräsentation des Unternehmens hervor.
olivia.harder[at]finance-magazin.de
Olivia Harder ist Redakteurin bei FINANCE und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Private-Equity- und M&A-Geschäft. Sie hat Philosophie, Politikwissenschaften, Soziologie und Geographie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen studiert, wo sie auch einen Lehrauftrag innehatte. Vor FINANCE arbeitete Olivia Harder in den Redaktionen mehrerer Wochen- und Tageszeitungen, unter anderem beim Gießener Anzeiger.