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Die EU-Regulierung zu Sustainable Finance ist überbordend

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Die grünen EU-Regulierungen verkörpern massive Einschnitte in die Handlungs- und Entscheidungsfreiheit von Unternehmen. Foto: j-mel - stock.adobe.com
Die grünen EU-Regulierungen verkörpern massive Einschnitte in die Handlungs- und Entscheidungsfreiheit von Unternehmen. Foto: j-mel - stock.adobe.com

Aus den Empfehlungen des Ende 2017 vorgelegten Schlussberichts der High Level Expert Group on Sustainable Finance der Europäischen Kommission ging bekanntlich 2018 der EU-Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums hervor. Er löste in der Europäischen Union (EU) eine Regulierungswelle aus, die historisch ihresgleichen sucht und mit ihren Direktiven und Verordnungen Akronyme wie CSRD, SFDR, GAR, PAI und so weiter in Finanzhäuser, Medien, die Politik und Unternehmen katapultierte.

Diese Regulierungen verkörpern nicht nur massive Einschnitte in die Handlungs- und Entscheidungsfreiheit von Finanzinstituten, sondern strahlen in viele Wirtschafts- und Lebensbereiche in der EU aus – mit immer größeren Belastungen. So tun sich vor allem kleinere und mittlere Finanzinstitute, Altersversorger und Versicherungen immer schwerer, den ausufernden regulatorischen Zusatzaufwand finanziell zu stemmen.

Das ganze Ausmaß dieser „Governance Costs“ ist in Anbetracht der erst kürzlich in Gang gesetzten EU-Regulierungen wie ESRS und die um die vier restlichen Umweltziele ergänzte grüne Taxonomie bislang nicht absehbar.

Green Finance: „Impact“ ohne Einfluss

Es ist zu fragen, ob der verursachte Aufwand dadurch gerechtfertigt ist, dass die politisch gesteckten Ziele erreicht werden. Entgegen zahlreicher Behauptungen und Darstellungen von Politik und Wissenschaft ist aber noch nicht einmal gesichert, dass die von der Regulierungsseite bedienten Hebel in der Banken- und Finanzwelt eine zielgerichtete, wirkungsvolle und dauerhafte Änderung von Konsum und Investition, ja der gesamten Wirtschaft und Gesellschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit und zur Green Economy, bewirken.

Henry Schäfer ist Prof. a.D. der Universität Stuttgart. Bis 2019 war er Inhaber des Lehrstuhls „Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Finanzwirtschaft“ Foto: privat

Der sogenannte Impact, auf den die Strategien und Maßnahmen von EU-Kommission und -Parlament gründen, basiert immer noch mehr auf dem Prinzip „Hoffnung“ denn auf belastbaren empirischen Belegen.

Der Glaube an den Finanz-Impact verhindert zudem, dass effektivere und effizientere wirtschaftspolitische Instrumente, wie die Besteuerung von nicht-nachhaltigem Verhalten, in der EU priorisiert werden. Das betrifft vor allem die CO2-Bepreisung mittels des marktbasierten CO2-Emissionshandels.

Dass Sustainable Finance sogar verzerrende Wirkungen erzeugen kann, ist zudem nicht auszuschließen. So hat der Internationale Währungsfonds (IWF) in seinem Economic Outlook im April 2022 dargelegt, dass der Ausstieg von Investoren aus fossilen Industrien zu Investitionsrückgängen, dadurch zu Ölpreiserhöhungen und nachgelagert zu Wohlstandseinbußen führen kann. Im Gegensatz dazu würde eine Bepreisung durch einen Emissionshandelsmechanismus den fossilen Verbrauch reduzieren. Daraufhin würde der Ölpreis sinken und kaum Verteilungsverzerrungen mit sich bringen.

Von Green Washing zu Green Bleaching

Mangelnder Impact der Sustainable-Finance-Regulierung wird begleitet von mangelndem Vertrauen. Skeptiker dürften sich bestätigt fühlen durch spektakuläre Greenwashing-Vorfälle, die Umklassifizierungen von Artikel 9- in Artikel 8-Investment-Fonds und das Ausweichen vieler Fondsgesellschaften in Artikel 6-Investment-Fonds, denen die ESMA in ihrem jüngsten EU-Gutachten einen Hang zu „Green Bleaching“ oder „Green Hushing“ unterstellt.

Info

Wer bestimmt, was nachhaltig ist und was nicht?

Abseits der zahlreichen operativen Hürden im täglichen Bank- und Finanzgeschäft bedroht vor allem die EU-Taxonomie viele Kapitalgeber und -nehmer in ihren Entscheidungsautonomien. Welche Wertschöpfung und welche Produkte sie als nachhaltig erachten, wird durch die Taxonomie und arrondierende Gesetze wie dem Lieferkettengesetz immer mehr diktiert. Damit erschwert werden vermutlich wichtige Innovationsprozesse zum Aufspüren von für die grüne Transformation so zentralen disruptiven Technologien.

Stattdessen bestimmt zukünftig die Finanzwelt – auch hier wieder unter Berufung auf die Taxonomie – immer mehr, welche Ökonomik „grün“ und damit gut und welches Wirtschaften und Konsumieren „braun“ ist. Dies entspricht einer bislang noch nie dagewesenen Form von quasi staatlicher Investitionslenkung.

Green-Finance-Regulierung ist ein großer Hemmschuh

Mehr ökonomischer Sachverstand und ein regulatorisches „Abrüsten“ wären in den politisch auf EU- und nationaler Ebene gewollten Maßnahmen für die Green Transition zu wünschen. Andere Länder wie die USA, Großbritannien oder die Schweiz liefern hierzu Best Practices.

Kein Wunder, dass Unternehmen vor allem des produzierenden Sektors aufgrund der taxonomischen und anderen „grünen“ EU-Auflagen immer öfter die Neigung verspüren, ihre Wertschöpfungen ins regulierungs- oder subventionsfreundlichere Ausland zu verlagern – oder sich gänzlich umzuorientieren.  

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