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Rocket Internet soll von der Börse verschwinden

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2014 haben die Samwer-Brüder die Börsenglocken für Rocket Internet geläutet. Heute verkündeten Sie den Börsenrückzug – für viele Beobachter alles andere als überraschend.
Rocket Internet

Lange wurde darüber spekuliert, lange wurde es vom Unternehmen dementiert, doch nun ist es offiziell: Rocket Internet soll von der Börse verschwinden. Das gab der Start-up-Investor am heutigen Dienstag bekannt.

Die finanziellen Mittel für das neuerliche Aktienrückkaufprogramm sind vorhanden. Rocket Internet hielt Ende März allein 2,1 Milliarden Euro Bargeld in der Bilanz. Der hohe Cash-Bestand, verbunden mit den im Vergleich dazu wenigen Investments, bildeten den Nährboden für die Spekulationen über das Delisting von Rocket Internet.

Doch noch im Mai bei der Hauptversammlung hatte CEO Oliver Samwer betont, dass es „derzeit“ keinen Beschluss für ein Delisting des Unternehmens gibt. Auch Monate davor hatte er derartige Gerüchte immer wieder zurückgewiesen.

Rocket Internet braucht die Börse nicht mehr

Was hat sich seitdem geändert? Rocket Internet begründet die Rückzugspläne vor allem mit längerfristigen Trends: Das Unternehmen benötige den öffentlichen Kapitalmarkt als Finanzierungsmöglichkeit nicht mehr, da inzwischen (Wachstums-)Kapital auch außerhalb des Kapitalmarkts verfügbar sei – im Gegensatz zu 2014, als Rocket Internet an die Börse ging.

Das Management möchte mit dem Delisting zudem unabhängiger von den Stimmungen am Kapitalmarkt werden, um so einen längerfristigen Ansatz verfolgen zu können. Und last but not least würden durch die geringere Komplexität und weniger Rechtsvorschriften die Kosten sinken. Rocket Internet ist „für die Zukunft als nicht börsennotiertes Unternehmen besser positioniert“, so das Fazit.

Rocket Internet bietet keine Abfindungsprämie

Soweit das strategische Kalkül von Rocket Internet hinter den Delisting-Plänen. Das MDax-Unternehmen erhofft sich aber auch, die Start-up-Schmiede heute deutlich günstiger von den Aktionären zurückkaufen zu können, als sie diesen beim Börsengang 2014 angeboten wurde. Rocket Internet bietet den Aktionären 18,57 Euro pro Anteilsschein, was dem gesetzlichen Mindestpreis entspreche, der sich auf den volumengewichteten Durchschnittskurs der letzten sechs Monate vor Ankündigung der Delisting-Pläne bezieht. 2014 platzierten die begleitenden Banken die Anteilsscheine noch zu 42,50 Euro bei Investoren.

Die Berliner profitieren dabei von der Coronavirus-Krise, die den Aktienkurs im März zwischenzeitlich auf 16 Euro sinken ließ. Das drückt auch den Durchschnittskurs und damit den Abfindungspreis an die Aktionäre. Das Angebot bedarf aber noch der Freigabe durch die Finanzaufsicht Bafin. Diese könnte noch einen höheren Mindestpreis ansetzen, sofern sie einen abweichenden Mindestpreis errechnen sollte. Wie die Bafin auf Nachfrage mitteilte, hat sie jedoch keinen eigenen Ermessensspielraum für den Mindestpreis. Unterschiede könnten sich lediglich bei der Berechnung des Durchschnittskurses ergeben. 

Bei dem Angebot an die Aktionäre verzichtet Rocket Internet nicht nur auf jedwede Prämie auf das gesetzliche Mindestangebot, das Angebot liegt sogar unter dem Eröffnungskurs von heute, der bei rund 19 Euro lag. Bis Mitte Februar stand die Aktie noch bei rund 21 Euro.

Damit enttäuscht Rocket vor allem alle langfristigen Aktionäre, die auf eine Trendwende bei der Start-up-Schmiede gehofft hatten. Die Aktie befand sich nach einem Zwischenhoch von 53 Euro im Jahr 2015 fast nur noch im Fall, Corona drückte sie nur noch weiter nach unten. Nach Bekanntgabe des Angebots schienen die Aktionäre zwar zunächst noch auf einen höheren Abfindungspreis zu hoffen, denn der Kurs schnellte kurzzeitig in die Höhe. Inzwischen hat er sich aber wieder beim Angebotspreis einpendelt. 

Coronakrise belastet Rocket-Internet-Aktie

Ist die anstehende Hauptversammlung obligatorisch?

Viel Handhabe haben die Aktionäre ohnehin nicht, Rocket Internet wägt scheinbar alle Trümpfe in der Hand. Für den 24. September hat das Unternehmen eine virtuelle außerordentlichen Hauptversammlung angesetzt, bei der die Aktionäre über das Delisting abstimmen können. „Die Hauptversammlung wird den Beschluss mit einer einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen treffen, sofern die Hälfte des Grundkapitals vertreten ist“, schreibt Rocket Internet in einer Pressemitteilung. 

Schwierig wird das nicht: Über das Investmentvehikel Global Founders GmbH kontrollieren die Samwer-Geschwister bereits 45,11 Prozent des Grundkapitals. CEO Oliver Samwer hält weitere rund 4,5 Prozent. Zudem hat Rocket Internet ein weiteres Aktienrückkaufprogramm über 8,84 Prozent des Grundkapitals angekündigt, das am 15. September endet – also noch vor der Hauptversammlung. Die einfache Mehrheit scheint den Samwers bei der Hauptversammlung sicher. 

Ein Squeeze-out, für den 95 Prozent Zustimmung nötig wären, ist der Bafin zufolge keine Voraussetzung für ein Delisting. Mit diesem Hebel könnten aktivistische Investoren also vermutlich keine höhere Abfindungszahlung durchsetzen. Größere Aktienpakete halten der Finanzinvestor Baillie Gifford (6,5 Prozent) sowie die institutionellen Investoren Union Investment (3 Prozent), DWS (2,6 Prozent), Vanguard International (2 Prozent), Scottish Mortgage Investment Trust (1,8 Prozent) und der Stratege United Internet (1,6 Prozent). Rund 46 Prozent der Aktien befinden sich noch im Streubesitz. 

philipp.habdank[at]finance-magazin.de

Info

Noch mehr Hintergrundinformationen zur Start-up-Schmiede finden Sie auf der FINANCE-Themenseite Rocket Internet

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