Die Coronakrise hat dem erfolgsverwöhnten Markt für Schuldscheine deutliche Schrammen zugefügt. Hielt sich der Markt bis Ende März noch einigermaßen stabil, kam es im zweiten Quartal zu einem Einbruch bei der Emissionstätigkeit – mit deutlichem Einfluss auf die Zahlen. So sank das Emissionsvolumen neuer Schuldscheine nach Zählung des Datendienstleisters Refinitiv, der diese Zahlen für das FINANCE-Schuldschein-Update erhebt, im ersten Halbjahr gegenüber dem Vorjahr um 34 Prozent auf 9,45 Milliarden Euro. Bis kurz vor Ultimo sah es sogar nach noch größeren Rückgängen aus. Doch dann platzierte Bosch-CFO Stefan Asenkerschbaumer in den letzten Tagen des Juni einen Jumbo-Schuldschein über 2 Milliarden Euro.
Dieser Deal wirbelte auch die League Tables des Schuldscheinmarkts kräftig durcheinander. Der LBBW, die Bosch an den Markt begleitet hatte, sicherte die Emission die klare Marktführerschaft mit einem Marktanteil von 28 Prozent. Am Ende des ersten Quartals standen bei der Landesbank aber noch 32 Prozent zu Buche. Rang Zwei belegt die Helaba mit 16 Prozent. Zum Aufsteiger avanciert dank Bosch die dort ebenfalls engagierte BNP Paribas, die sich im zweiten Quartal vom fünften auf den dritten Platz verbessern konnte – und ihren Marktanteil von 7 auf 13 Prozent.
Die LBBW glaubt an den Schuldscheinmarkt
Der größte Schuldschein nach dem Papier von Bosch kam von Fraport. In seinem Bemühen, als Antwort auf das Grounding des Luftverkehrs in nur einem Monat 1 Milliarde Euro frisches Kapital einzusammeln, zog sich Fraport-CFO Matthias Zieschang Anfang April 450 Millionen Euro vom Schuldscheinmarkt. Jeweils 400 Millionen Euro nahmen der Metallverarbeiter Aurubis und der Mischkonzern Voith auf.
Der Ausblick auf das Gesamtjahr ist gedämpft. Die LBBW hält ein Gesamtemissionsvolumen von bis zu 20 Milliarden Euro zwar nach wie vor für möglich. Aber selbst wenn das gelänge, läge der Markt am Jahresende deutlich unter dem Niveau der vergangenen vier Jahre. In diesen wurden jeweils weit über 20 Milliarden Euro begeben. Gleichwohl wächst der Markt noch immer: Nach Angaben der Finanzierungsberatung Capmarcon wurden im ersten Halbjahr Schuldscheine im Wert von 6,6 Milliarden Euro getilgt – fast 3 Milliarden Euro weniger, als neu begeben wurden. Das gesamte aktuell ausstehende Schuldscheinvolumen verortet Capmarcon bei 141,5 Milliarden Euro.
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Bessere Ratings, trotzdem höhere Zinsen
Bemerkenswert sind die Brüche in der Struktur des Marktes, die sich infolge der Coronakrise ereignet haben. Kam im ersten Halbjahr 2019 laut Capmarcon noch über die Hälfte des neuen Schuldscheinvolumens von Debüt-Emittenten, stammten im zweiten Quartal dieses Jahres nur zwei der 20 Deals von Neulingen. Gleichzeitig präferierten die Investoren Qualität: Das durchschnittliche Rating der schuldscheinbegebenden Unternehmen verbesserte sich allein im Lauf des Frühjahrs um zwei Stufen auf BBB+.
Auch beim Pricing herrscht Selektionsdruck: „Für schwächere Bonitäten und lange Laufzeiten ging der Zins um bis zu 220 Basispunkte nach oben. Investmentgrade-Qualitäten mussten für fünf Jahre Laufzeit durchschnittlich nur 85 Basispunkte mehr bezahlen“, schreibt Capmarcon.
Im Zuge dieser Entwicklung ist der Schuldscheinmarkt auch wieder zu einer deutschen Domäne geworden: Rund 80 Prozent des neu emittierten Schuldscheinvolumens stammt 2020 von Unternehmen aus Deutschland. Deren CFOs nutzen den Schuldschein auch stärker als bislang für die Ultra-Langfristfinanzierung: 1 Milliarde Euro wurde im ersten Halbjahr in Tranchen mit einer Laufzeit von zehn Jahren oder noch mehr begeben – fünfmal so viel wie 2019 und sogar zehnmal so viel wie 2018.
„Für schwächere Bonitäten und lange Laufzeiten ging der Zins um bis zu 220 Basispunkte nach oben.“
Doch trotz all dieser Trends in Richtung Sicherheit und Qualität ist der Schuldscheinmarkt keineswegs den Großkonzernen vorbehalten. Laut Refinitiv stieg das Emissionsniveau von Mittelständlern entgegen dem allgemeinen Markttrend in der ersten Jahreshälfte sogar von 1,24 auf 1,44 Milliarden Euro an. Größter Schuldschein aus dem Mittelstand war das Papier des LkW-Zulieferers SAF-Holland, dessen scheidender CFO Matthias Heiden im März kurzerhand das geplante Volumen von 100 auf 250 Millionen Euro angehoben hatte.
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Die Daten werden von Refinitiv, früher Thomson Reuters LPC, exklusiv für FINANCE zusammengestellt.