Seit Juli 2020 ist Matthias Heiden Finanzchef des Darmstädter MDax-Konzerns Software AG. Er startete sein Amt mitten im wohl tiefgreifendsten Umbauprozess der Unternehmensgeschichte. Das Projekt „Helix“, ausgerufen von dem seit August 2018 amtierenden CEO Sanjay Brahmawar, soll die Software AG nach Jahren der Stagnation wieder auf den Wachstumskurs führen.
Über einen Zeitraum von fünf Jahren richtet sich der Konzern bis 2023 neu aus. Im Fokus steht ein neuer geschäftlicher Schwerpunkt: Die Darmstädter wollen weniger abhängig von einmaligen Einnahmen aus Lizenzgebühren werden und das Business hin zu besser planbaren und wiederkehrenden Erlösen aus Abo-Modellen entwickeln.
CFO Heiden hat das Reporting ausgebaut
Die zentrale Herausforderung für CFO Heiden: Er muss den Kapitalmarkt auf die Reise mitnehmen. Denn der begonnene Wechsel von Einmalerlösen für Lizenzverkäufe hin zu Abonnements hinterlässt Spuren im Zahlenwerk des MDax-Unternehmens. Wurden Erlöse für Lizenzverkäufe zu Beginn auf einen Schlag verbucht, folgen Subskriptionserlöse vertragsbedingt einem anderen Muster.
Diesen Wechsel muss der CFO vermitteln. „Wir haben dafür das Reporting erweitert“, erklärt Heiden im Gespräch mit FINANCE. So sind Auftragseingänge, die das Volumen abgeschlossener Verträge wiedergeben, für den CFO ein zunehmend wichtiger Gradmesser für die Unternehmensentwicklung. Im Geschäftsjahr 2020 legten die Order-Eingänge um 24 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu.
In die Reportings nimmt Heiden nun zusätzliche Angaben zu Auftragseingängen und Umsätzen für die einzelnen Segmente, Erlösarten und KPIs auf: Welchen Anteil machen Erlöse aus, die noch auf das alte Lizenzmodell entfallen? Welche Umsätze werden bereits mit dem neuen Subskriptionsmodell erzielt? Der höhere Detailgrad soll für Transparenz sorgen – nicht nur für den Kapitalmarkt, sondern auch intern. „Wir haben fast 5.000 Mitarbeiter, die auch verstehen wollen, wie die Transformation vonstattengeht“, sagt Heiden. „Als CFO ist es meine Aufgabe, das Zahlenwerk zum Sprechen zu bringen.“
Die Software AG gliedert ihr Geschäft in die Bereiche Digital Business Platform (DBP, inklusive Cloud & IoT), Adabas & Natural (A&N) sowie Professional Services. DBP und A&N sind mit Lizenz- und Wartungserlösen die wichtigsten Einnahmebringer, diese Bereiche repräsentieren das Produktportfolio. Der Bereich Professional Services umfasst Entwicklungsleistungen.
Software AG bei Transformation am Wendepunkt
Im dritten der fünf „Helix“-Jahre sieht sich die Software AG inzwischen an einem Wendepunkt angekommen – auch wenn die forcierte Transformation und höhere Investitionen im Geschäftsjahr 2021 auf die Zahlen drücken werden.
Die operative Ergebnis-Marge (Ebita-Marge) wird in diesem Jahr zunächst sinken, so die Erwartung der Darmstädter: Lag sie 2019 noch bei 29 Prozent, werden es in diesem Jahr voraussichtlich 16 bis 18 Prozent sein. Mittelfristig strebt der MDax-Konzern wieder Werte von 25 Prozent und mehr an. Bis 2023 soll dann auch die Umsatzschwelle von 1 Milliarde Euro erreicht sein. Für die darauf folgenden Jahre hat CEO Brahmawar bereits den Kurs auf 1,5 Milliarden Euro Umsatz ausgerufen.
Noch ist es bis dahin ein gutes Stück Weg: Im Geschäftsjahr 2020 verzeichnete die Software AG einen Umsatz von 835 Millionen Euro, nach 890 Millionen Euro im Jahr 2019. Die operative Ergebnis-Marge lag bei gut 21 Prozent. Der Free Cashflow schrumpfte auch vor dem Hintergrund des Transformationsprogramms auf 87,6 Millionen Euro (Vorjahr: 145,8 Millionen Euro).
Software AG steigert wiederkehrende Umsätze
Einen wichtigen Etappenschritt haben die Darmstädter im „Helix“-Programm inzwischen erreicht: Der Anteil des wiederkehrenden Umsatzes am Gesamtproduktumsatz lag 2020 bei 85 Prozent, ausgehend von 69 Prozent vor dem Start von „Helix“. Damit ist der eigentlich erst für 2023 angestrebten Zielwert beim wiederkehrenden Umsatzanteil bereits erreicht.
„Wir werden einzelne Investitionen auf 2021 vorziehen.“
Das hat Folgen für die weiteren Schritte: „Wir werden einzelne Investitionen, die wir für die folgenden Jahre geplant hatten, nun auf 2021 vorziehen“, erklärt CFO Heiden. In diesem Jahr sollen nun voraussichtlich 30 bis 40 Millionen Euro in Investitionen fließen. Insgesamt beträgt das Investitionsvolumen für „Helix“ seit 2019 bis zum Ende dieses Jahres 80 bis 90 Millionen Euro.
Etwa die Hälfte der Investments in diesem Jahr will Heiden dafür nutzen, die Go-to-Market-Strategie zu unterstützen. Dazu gehört das Ziel, die Markenbekanntheit zu steigern, insbesondere in Nordamerika. Doch auch in der DACH-Region sieht er noch Potential: „Wir haben den Mittelstand noch nicht gezielt erschlossen. In diesem Bereich werden wir ein eigenes Team für das Neukundengeschäft aufbauen“, kündigt er an.
Kundenbetreuung ist im Subskriptionsmodell für ihn ein entscheidender Faktor. Denn das bestehende Abonnement soll im Idealfall die Basis für weitergehendes Geschäft bilden: „Dann spricht man mit dem Kunden nicht über die bloße Verlängerung, sondern über eine Ausweitung der Geschäftsbeziehung.“
Software AG muss Malware-Angriff verdauen
Auch in die eigene IT-Infrastruktur und die IT-Transformation zur Unterstützung der „Helix“-Strategie muss die Software AG in diesem Jahr investieren, CFO Heiden spricht von „einem höheren einstelligen Millionenbetrag“. Eine Umstellung sei bereits geplant gewesen, sagt Heiden, doch forciert wurde sie von einem Cybercrime-Vorfall im vergangenen Oktober.
Die Software AG verzeichnete eine Malware-Attacke, bei der auch Daten aus den Systemen abgeflossen sind. Containment und Aufarbeitung führten zu Einmalaufwendungen in Höhe von rund 6 Millionen Euro. „Die Datenanalyse dauert noch an“, sagt Heiden, der diese Aufgabe im Vorstand verantwortet. Sie werde das Unternehmen vermutlich noch im ersten Halbjahr beschäftigen, insgesamt sei die Organisation aber auf einem guten Weg.
Software AG setzt auf M&A für weiteres Wachstum
Den weiteren Wachstumskurs soll die Attacke allerdings nicht behindern. Um sich gezielt zu verstärken, setzt die Software AG auch auf M&A. Allerdings stehen dabei weniger transformatorische Großtransaktionen auf der Agenda als vielmehr ergänzende Add-ons, betont Heiden: „Wir haben unseren M&A-Prozess seit dem vergangenen Sommer überarbeitet und das Screening für potentielle Targets intensiviert und professionalisiert“, sagt er.
Lücken im Produktportfolio, die durch Zukäufe geschlossen werden müssten, sieht der CFO nicht. „Es gibt allerdings Themenfelder, die wir als zusätzliche Bausteine in unsere Wertschöpfungskette integrieren könnten.“ Dazu zählten etwa die Bereiche Cloud und Internet of Things (IoT) sowie die Integration auf Basis offener Schnittstellen (API).
„Wir haben unseren M&A-Prozess überarbeitet.“
Um weiteres Wachstum zu managen, hat Heiden in seinem Vorstandsbereich eine neue Einheit für Corporate Development angesiedelt, die alle Prozesse vom M&A-Sourcing über Investor Relations bis hin zur Post Merger Integration begleitet. Besonders interessant wären für Heiden Zielunternehmen mit geographischem Fokus auf Nordamerika – ein Zukauf dort könnte den Marktzugang erleichtern. An finanzieller Firepower mangelt es nicht, betont Heiden, auch wenn er sich mit konkreten M&A-Volumina bedeckt hält: „Wir sind Net Cash positiv, das gibt uns einen guten Spielraum.“
Info
Wie andere Unternehmen sich strategisch neu ausrichten, lesen Sie auf unserer Themenseite Business Transformation. Mehr über den Werdegang des Software-AG-CFOs finden Sie im FINANCE-Köpfe-Steckbrief von Matthias Heiden.