Schon lange sind die Zeiten vorbei, als man mit den Big Four KPMG, PwC, Deloitte und EY nur Wirtschaftsprüfung assoziiert hat. Alle vier Dienstleister haben inzwischen ein beträchtliches Beratungsgeschäft aufgebaut und sind damit zu einer veritablen Konkurrenz für die großen Strategieberater wie McKinsey und Bain geworden.
Doch nicht jede Big-Four-Gesellschaft hat sich dabei gleich stark entwickelt. Im Kampf um die lukrativsten Beratungsprojekte, besten Köpfe und vielversprechendsten Firmenzukäufe stehen manche besser da als andere, wie die FINANCE-Analyse der Geschäftsentwicklung im Bereich Consulting und Advisory aus dem Jahr 2019 zeigt.
Die Vorteile von Deloitte
Die neue Nummer 1 unter den Big Four im Beratungsgeschäft ist Deloitte. Lagen die Münchener 2015 mit einem Umsatz von 230 Millionen Euro noch weit abgeschlagen auf dem vierten Platz, ist Deloitte seitdem hoch zweistellig gewachsen und hat Jahr für Jahr einen Platz gutgemacht.
Insgesamt ist Deloitte im vergangenen Geschäftsjahr um 19 Prozent auf eine Gesamtleistung von 993 Millionen Euro gewachsen und kratzt damit sogar schon an der Milliardenmarke. Davon entfallen 665 Millionen Euro (+24 Prozent) auf das Consulting-Geschäft und 338 Millionen Euro (+10 Prozent) auf das Financial Advisory.
Deloitte hat zwei Vorteile auf seiner Seite: Zum einen hat das Big-Four-Haus im Gegensatz zu den Konkurrenten die Beratungssparte nie verkauft. Zum anderen hat Deloitte von allen Vieren die mit Abstand wenigsten Prüfmandate in der Dax-Familie und kann daher ohne Interessenskonflikte Beratungsaufträge bei diesen Unternehmen akquirieren. Vor allem in der ersten Liga, dem Dax30, hat Deloitte mit Bayer nur ein einziges Mandat und damit Chancen auf viele namhafte und lukrative Beratungsmandate.
Beratung übersteigt Prüfung bei Deloitte deutlich
Doch es gibt auch eine Kehrseite: Eigentlich wollte Deutschlandchef Martin Plendl im Zuge der verpflichtenden Prüferrotation auch mehrere neue Prüfmandate im Dax gewinnen, doch das gelingt den Münchenern einfach nicht. Möglicherweise wollten die Unternehmen Deloitte auch lieber als Berater behalten und entschieden sich daher lieber für KPMG, PwC oder EY als neuen Prüfer.
Das Geschäftsprofil von Deloitte verändert sich dadurch: Inzwischen trägt die Beratung fast 58 Prozent zur Gesamtleistung bei, während es bei der Prüfung nur 27 Prozent sind. Die restlichen 15 Prozent entfallen auf die Steuerberatung. Damit hat Deloitte von allen Vieren das am wenigsten ausgewogenste Geschäftsmodell: KPMG, EY und PwC setzen darauf, dass alle drei Geschäftsfelder etwa ein Drittel zum Umsatz beitragen.
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Tatsächlich birgt die inzwischen hohe Abhängigkeit vom Beratungsgeschäft auch Risiken: Zwar hat das Prüfgeschäft geringere Margen, es sorgt aber immerhin für planbare Einnahmen über zehn bis 20 Jahre, bis der Prüferwechsel ansteht. Die Nachfrage nach Beratung hingegen ist deutlich volatiler. Auch bei Deloitte scheint der Boom zu Ende zu gehen. Für das laufende Geschäftsjahr hat Plendl „nur“ noch eine Wachstumsprognose von 10 Prozent abgegeben – bevor die Coronakrise eintrat. Diese bietet Deloitte aber auch Chancen: So könnte das Geschäft mit der Restrukturierungsberatung anziehen, in das Deloitte zuletzt stark investiert hatte.
PwC rutscht bei Beratung auf Platz 2
Leidtragender des rasanten Aufstiegs von Deloitte ist PwC: Mit einer Gesamtleistung von 903 Millionen Euro im Beratungsgeschäft ist das Big-Four-Haus auf Platz 2 zurückgefallen. Auch das Wachstum von 5,3 Prozent in dieser eigentlich sehr dynamischen Branche ist im vergangenen Jahr überraschend schwach ausgefallen. Im Jahr davor schaffte PwC noch 10 Prozent. Unter den Big Four war dies nun das geringste Wachstum.
Das überrascht, hat PwC doch vor einigen Jahren mit dem Kauf von Strategy& ein großes Investment im Beratungsgeschäft getätigt. Damit sei PwC die einzige Big Four „mit echter Strategiekompetenz“, wie Deutschlandchef Ulrich Störk immer wieder betont. Zuletzt trug Strategy& 218 Millionen Euro zur Gesamtleistung bei und wuchs in etwa auf dem Niveau des Beratungsgeschäfts – also ebenfalls schwächer als die Konkurrenz.
„PwC ist die einzige Big Four mit echter Strategiekompetenz.“
Eine Begründung für das schwache Wachstum im Beratungsgeschäft von Störk lautet, dass PwC bewusst auf margenschwaches Implementierungsgeschäft verzichte. Dazu zählt er etwa Programmierungen oder Anpassungen von Schnittstellen bei Softwareeinführungen. Anders als Deloitte hat PwC außerdem eine Menge Prüfkunden in der Dax-Familie und damit weniger Beratungsmöglichkeiten. Im Zuge der Prüferrotation könnte sich dieses Bild jedoch umdrehen.
EY wird Konkurrent von Strategieberatern
Um den zweiten Platz innerhalb der Big Four im Beratungsgeschäft muss PwC aber nicht bangen, denn EY ist mit einem Umsatz von 789 Millionen Euro noch ein gutes Stück dahinter. Anders als die Konkurrenten weist EY freilich keine Gesamtleistung aus, sondern den Umsatz, wodurch die bis zum Bilanzstichtag erbrachten Leistungen aus laufenden Projekten nicht mit eingerechnet werden. Vom EY-Beratungsumsatz entfallen 403 Millionen Euro (+15 Prozent) auf die Transaktionsberatung und 386 Millionen Euro (+7 Prozent) auf die Managementberatung. Diese Wachstumsraten sind höher als im Vorjahr. Doch mittelfristig droht ein Abflachen der Kurve, schließlich hat kein anderes Big-Four-Haus zuletzt so viele neue Dax-Prüfmandate gewonnen wie EY.
Deutschlandchef Hubert Barth gibt sich dennoch kampfeslustig und kündigte an, Unternehmen vor allem bei Konzernumbauten und der digitalen Transformation beraten zu wollen. Auf diesen Feldern will er explizit den klassischen Strategieberatern wie McKinsey, Bain oder BCG Konkurrenz machen. Helfen sollen dabei die Zukäufe der vergangenen Jahre: So hatte sich EY unter anderem mit der Digitalberatung Etventure und der Strategieberatung Parthenon verstärkt.
KPMG schwächelt wieder im Advisory
Das Schlusslicht im Beratungsgeschäft ist wie im Vorjahr wieder KPMG. Die Nummer 4 kommt 2019 auf eine Gesamtleistung von 709 Millionen Euro und erwirtschaftet damit erstmals mehr mit der Beratung als der Prüfung – bei den Konkurrenten war das bereits vor einigen Jahren der Fall.
Das Wachstum von 6 Prozent ist das zweitschwächste unter den Big Four. Dabei hatte es 2018 noch so ausgesehen, als würde KPMG endlich durchstarten: Die Berliner wuchsen damals in der Beratung um 17 Prozent, nachdem sich das Geschäft 2017 kaum vom Fleck gerührt hatte. Dieses starke Wachstum hatte Deutschlandchef Klaus Becker auch noch damit begründet, dass die zahlreichen Investitionen ins Beratungsgeschäft nun endlich fruchten würden. Umso bedenklicher, dass die Dynamik schon ein Jahr später wieder abflaute.
So viel erwirtschaften die Big Four 2019 mit Beratung
993 Mio. Euro (Gesamtleistung)
903,8 Mio. Euro (Gesamtleistung)
789 Mio. Euro (Umsatz)
709 Mio. Euro (Gesamtleistung)
Ähnlich wie PwC hat aber auch KPMG durch die zahlreichen Prüfmandate im Dax einen natürlichen Wachstumshemmer im Beratungsgeschäft. Die Prüferrotation will KPMG nun bewusst dazu nutzen, bei ehemaligen Prüfkunden Beratungsaufträge zu ergattern. Becker findet, dies gelinge schon jetzt „eindrucksvoll“: Von den 36,2 Millionen Euro an Prüfhonoraren, die KPMG 2019 abgeben musste, habe man 95 Prozent über Beratungshonorare wieder hereingeholt.
Dies könnte ein gutes Vorzeichen für die beiden nächsten Jahre sein: 2020 und 2021 wird KPMG eine Reihe von Prüfmandaten verlieren. Sollte KPMG seine hohe Umwandlungsquote behaupten können, ist die Gesellschaft vielleicht nicht mehr lange das Schlusslicht unter den Big Four im Beratungsgeschäft.
Info
Den ersten Teil der FINANCE-Big-Four-Analyse zum Geschäftsfeld Wirtschaftsprüfung können Sie hier nachlesen. Weitere Neuigkeiten zu KPMG, PwC, Deloitte und EY finden Sie auf der Themenseite Big Four.
Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.