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Big Four: Wer von der Prüferrotation am meisten profitiert

Foto: EY, PwC, Deloitte, KPMG/Thorsten Klapsch (FINANCE-Kollage)
Foto: EY, PwC, Deloitte, KPMG/Thorsten Klapsch (FINANCE-Kollage)

Seit 2016 ist die gesetzliche Abschlussprüferrotation Pflicht, und so langsam nähert sie sich ihrem Höhepunkt: Immer mehr Unternehmen haben ihr Prüfmandat ausgeschrieben, viele haben den neuen Prüfer schon ausgewählt, und die ersten arbeiten seit diesem Jahr bereits mit ihrem neuen Abschlussprüfer.

Da kapitalmarktorientierte Unternehmen nun gezwungen sind, ihr Prüfmandat nach spätestens zehn Jahren neu auszuschreiben, hat sich der Wettbewerb unter Deutschlands Wirtschaftsprüfungsgesellschaften – darunter vor allem die „Big Four“ KPMG, PwC, Deloitte und EY – massiv verstärkt.

Welche WP-Häuser sind die Gewinner und Verlierer dieser Entwicklung? Eine Analyse der jüngsten Ausschreibungen der Abschlussprüfungen im Bundesanzeiger sowie der Abstimmungen auf den Hauptversammlungen aller Dax-, MDax- und SDax-Unternehmen zeigt, wie sich die Marktanteile im deutschen Prüfermarkt neu verteilen.

EY räumt im Dax ab

Überraschend klar kristallisiert sich EY als größter Profiteur heraus: War es zu Beginn der Rotationspflicht 2016 noch eher ruhig um das WP-Haus, hat Ernst & Young vor allem seit dem vergangenen Herbst ein namhaftes Mandat nach dem nächsten gewonnen.

Vor Beginn der Rotationspflicht hatte EY nur drei Kunden im Dax (Siemens, Beiersdorf und Heidelberg Cement), ab 2019 mit Wirecard bereits vier und ab 2020 sogar sieben Unternehmen. Dazu gehören neben Siemens und Beiersdorf noch die Deutsche Bank, Lufthansa, Wirecard, Munich Re und Volkswagen. Siemens und Wirecard hatten ihre Mandate ab 2019 neu ausgeschrieben, EY konnte beide verteidigen.

Und nicht nur in Deutschlands Börsensegment Nummer 1 konnte EY zulegen: Auch im M- und SDax hat das Big-Four-Haus in den vergangenen Monaten neue Kunden gewinnen können, darunter ab 2019 ProSiebenSat.1 und Krones, ab 2020 außerdem die Deutsche-Bank-Tochter DWS. Das bestehende Mandat bei Siemens Healthineers, welches neu ausgeschrieben wurde, konnte EY zudem ebenfalls erfolgreich verteidigen.

EY verliert Heidelberg Cement und Leoni

Einige Verluste muss aber auch EY verkraften, so ab diesem Jahr Leoni und ab 2020 Heidelberg Cement. Auch Hello Fresh konnte EY nicht als Kunden halten. Der Kochboxenlieferant hat das Mandat im März 2019 ausgeschrieben, und da EY noch keine zehn Jahre bei dem Unternehmen prüft, durfte sich das Haus erneut bewerben (endgültig wechseln müssen Unternehmen ihre Prüfer erst nach 20 Jahren). Häufig wählen Unternehmen ihren alten Prüfer wieder, um auf die aufwendige Einarbeitung eines neuen Dienstleisters zu verzichten – doch EY wurde nur Zweitplatzierter, den Pitch gewonnen hat Konkurrent KPMG.

Das Mandat neu ausgeschrieben haben außerdem die EY-Kunden Bilfinger (ab 2021) und Ströer (ab 2020), hier drohen weitere Mandatsverluste. Insgesamt ist die Zahl der abgegeben Mandate und drohenden Verluste aber gering – verglichen mit den Zugewinnen, insbesondere der Leuchtturmkunden im Dax. Gut möglich, dass EY nun aber das Tempo bei Neubewerbungen drosselt, denn das Haus wird alle Hände voll zu tun haben, die vielen neuen Kunden personell abzudecken.

PwC wird oft Zweitplatzierter

Neben EY kann auch PwC Zugewinne im Dax-Segment verbuchen: 2019 ist BMW hinzugekommen, ab 2020 wird PwC außerdem noch neuer Prüfer von Fresenius Medical Care, Fresenius, HeidelbergCement und Henkel. Im SDax konnte PwC immerhin die Mandate bei Drägerwerk und Jost Werke verteidigen.

Damit hören die guten Nachrichten aber auch schon auf. Auffällig ist, dass PwC sich im vergangenen Jahr um viele weitere Mandate aus der Dax-Familie beworben hat, dort aber regelmäßig leer ausging, meist hinter EY oder Deloitte: So war es bei den Dax-Mitgliedern Siemens und Deutsche Bank, bei den MDax-Konzernen ProSiebenSat.1 und Gerresheimer sowie bei den SDax-Unternehmen Hornbach, Krones, Leoni und Cancom (hier hat PwC gegen KPMG verloren).

Darüber hinaus hat PwC in diesem Jahr auch schon einige Mandate verloren. Dazu zählen Aurubis, Compugroup und Isra Vision. All diese Kunden hätten PwC sogar erneut als Prüfer auswählen dürfen. Und auch in den nächsten Jahren drohen noch Mandatsverluste: Ab 2020 gibt PwC Lufthansa und Volkswagen ab, 2021 dann Eon und die Deutsche Telekom. Ihre PwC-Mandate neu ausgeschrieben haben außerdem die Aareal Bank und Evonik (beide ab 2021) sowie Rheinmetall, Adva Optical und Salzgitter (alle ab 2020). Aktuell ist PwC zwar noch die Nummer 1 in der Wirtschaftsprüfung. Angesichts der drohenden Verluste ist diese Position aber gefährdet.

KPMG kommt im Dax nicht voran

Noch kritischer ist die Bilanz bei KPMG. Während PwC immerhin einige Dax-Mandate neu hinzugewonnen hat, sieht es bei KPMG ganz anders aus: Das Big-Four-Haus konnte im vergangenen Jahr kein einziges neues Dax-Mandat ergattern und seit Beginn der gesetzlichen Prüferrotation mit Covestro überhaupt nur ein einziges im renommierten Börsensegment.

Das liegt zum einen daran, dass KPMG bisher mehr als die Hälfte der Dax-Mitglieder als Prüfer betreut hat und damit naturgemäß noch nicht so viele Möglichkeiten für eine Bewerbung hatte. Andererseits gab es durchaus freigewordene Dax-Mandate, bei denen in Prüferkreisen KPMG gute Chancen zugeschrieben wurden, etwa bei Volkswagen. Hier hatte KPMG FINANCE-Informationen auch hartnäckig gekämpft, wurde letztlich aber nicht ausgewählt. Das großvolumige VW-Mandat ging an EY.

KPMG gewinnt Hochtief und Cancom

Der mauen Ausbeute stehen bei KPMG viele Verluste entgegen: 2019 hat KPMG bereits BMW abgegeben, 2020 folgen Fresenius und Fresenius Medical Care, Henkel, Deutsche Bank und Munich Re, außerdem hat der KPMG-Kunde Continental ab 2021 neu ausgeschrieben.

Immerhin konnte KPMG im M- und SDax einzelne Erfolge verbuchen und gewann Mandate bei Hochtief, Hello Fresh, Cancom und CompuGroup Medical. Außerdem konnte KPMG Borussia Dortmund erneut von sich überzeugen.

Doch auch im S- und MDax stehen Verluste an, darunter Hornbach, Vossloh, Krones, DBAG und DWS. Ab 2021 haben außerdem die Deutsche Pfandbriefbank sowie der Versicherer Wüstenrot neu ausgeschrieben. Wenn KPMG nicht bald größere Erfolge vermelden kann, wird das Big-Four-Haus seine seit Jahrzehnten gefestigte Position als Marktführer in der Dax-Liga verlieren.

Deloitte erreicht selbstgesteckte Ziele nicht

Im Gegensatz zu KPMG hat Konkurrent Deloitte noch viel Potential für neue Prüfkunden im Dax, immerhin prüft die Nummer 4 unter den Big Four mit Bayer bisher nur einen einzigen Dax-Konzern. Doch Deloitte kann nach wie vor keine weiteren Zugewinne im Leitindex vermelden. Angepeilt hatte Deutschlandchef Martin Plendl ursprünglich drei bis fünf Mandate, gab zuletzt aber zu, dass Dax-Konzerne wohl doch Prüfer bevorzugen, die bereits Erfahrung in ihrem Segment oder mit Unternehmen ihrer Größenordnung haben.

Immerhin kam bei den M- und SDax-Mandaten Bewegung rein: Zuletzt gewann Deloitte unter anderem Aurubis, Hornbach, Leoni und Vossloh und verteidigte Gerresheimer und SMA Solar. Im Gegenzug halten sich die Verluste in Grenzen: Abgeben musste Deloitte 2019 nur Hochtief.

Holen die Next Ten auf?

Unter Berücksichtigung aller Gewinne und Verluste prüft KPMG Stand jetzt 32 Prozent der Dax-Familie, PwC 28 Prozent, EY 20 Prozent und Deloitte 11 Prozent. Den Rest von 9 Prozent teilen sich die mittelständischen Prüfgesellschaften („Next Ten“) auf. Diese Marktanteile sind ähnlich wie in den Vorjahren, allerdings ist ein direkter Vergleich schwierig, da sich die Zusammensetzung der Indizes immer wieder leicht verändert.

Interessante Entwicklung: Nahm der Anteil der Unternehmen, die durch die Next Ten geprüft werden, Jahr für Jahr ab, ist er diesmal wieder leicht angestiegen. Tatsächlich konnten die mittelständischen Häuser überraschende Erfolge für sich verbuchen: So hat sich das SDax-Unternehmen Isra Vision, bisher von KPMG geprüft, für RSM entschieden – bei dem Pitch konnte sich RSM gegen PwC durchsetzen. Die Deutsche Beteiligungs AG, die bisher von KPMG geprüft wurde, hat sich für BDO entschieden. Auch BDO setzte sich dabei gegen ein Big-Four-Haus durch: Deloitte.

Dass ein Unternehmen weg von einer Big Four hin zu einer Next Ten wechselt, ist durchaus ungewöhnlich. Spätestens bis 2022, wenn fast alle Unternehmen den Wechsel vollzogen haben, wird sich zeigen, ob die mittelständischen Häuser am Ende nicht doch auch von der Prüferrotation profitieren.

julia.schmitt[at]finance-magazin.de

Info

In den Markt für Wirtschaftsprüfer ist ordentlich Bewegung reingekommen. Bleiben Sie auf dem Laufenden mit den Themenseiten zu den Big Four und Next Ten.

Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.