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Carve-out: So gelingt die Ausgliederung eines Geschäftsbereichs

Auch Vossloh erwägt einen Carve-out der verlustbringenden Geschäftsbereiche.
Vossloh

Unternehmen möchten sich wieder auf ihr Kerngeschäft fokussieren, ein Geschäftsbereich bleibt wirtschaftlich hinter den Erwartungen des Managements zurück, oder das Unternehmen braucht dringend frisches Kapital: Die Motive für einen Carve-out, also die Herauslösung und der anschließende Verkauf eines Geschäftsbereichs, können ganz unterschiedlich sein.

So will sich derzeit beispielsweise Vossloh von mehreren verlustbringenden Geschäftsbereichen trennen. Thyssenkrupps Verkauf der Aufzugsparte sowie Leonis Plan, die Kabelsparte zu veräußern, sind hingegen Beispiele für Carve-outs, die vordergründig frisches Geld in die klammen Unternehmenskassen bringen sollen.

Doch wie definiert man am besten die Grenzen des herauszulösenden Bereichs? Grundsätzlich gibt es keine Vorgaben, wie ein Carve-out richtig zugeschnitten werden sollte. „Ganz allgemein gilt: Je komplexer der Zuschnitt sein kann, desto flexibler ist er“, weiß Philipp Bose, Director bei der M&A-Beratung Duff & Phelps.

Carve-out: Cherry-picking ist erlaubt

Unternehmen könnten beispielsweise einen bereits existierenden Geschäftsbereich herausgliedern und verkaufen – oder sie fügen zusätzliche Elemente hinzu, wie etwa IT-Strukturen, Produktgruppen oder Kundenservices aus anderen Bereichen. Unternehmen haben aber auch die Option, ein Carve-out-Objekt maßzuschneidern, indem sie in das Carve-out Elemente verschiedener Geschäftsbereiche stecken.

„Mit größerer Komplexität geht aber auch meist ein schwierigerer M&A-Prozess einher“, gibt Philipp Bose zu bedenken. Für maßgeschneiderte Carve-outs existiere nämlich in der Regel keine eigene Finanzberichtsstruktur. Diese müsse dann erst noch rückwirkend erstellt werden – das koste Zeit und Ressourcen.

Unternehmen sollten beim Zuschnitt des Carve-outs zudem darauf achten, dass das Objekt für den Käufer attraktiv bleibt. Wird die Transaktion nämlich zu komplex, schrecken viele Käufer zurück. Solange Unternehmen das Zuschneiden nicht zu einseitig vornehme, sei ein strategisches „Cherry-picking“ aber durchaus in Ordnung, meint Bose. Eine frühzeitige und regelmäßige Evaluierung mit dem potentiellem Käufer gewährleistet dem Berater zufolge, dass dieser mit dem Carve-out einverstanden ist.

Stand-alone-Wert hilft bei Bewertung des Carve-outs

Den richtigen Zuschnitt zu finden, ist allerdings nicht die einzige Herausforderung bei einem Carve-out. Nachdem der herauszulösende Bereich bestimmt ist, muss das Unternehmen einen Preis für das Carve-out-Objekt bestimmen. Herausfordernd wird die Bewertung zusätzlich, wenn für den zum Verkauf stehenden neuen Bereich noch keine Finanzkennzahlen vorliegen. Angesichts der bisher starken Verflechtung auf organisatorischer oder finanzieller Ebene mit der Mutter ist dann in jedem Fall eine intensive Due Diligence erforderlich.

„Für die Bewertung des Carve-outs ist es aus Verkäufersicht essentiell, neben internen KPIs auch den ‚Stand-alone-Wert‘ des Objekts zu ermitteln“, sagt Philipp Bose. Dieser errechne sich, indem man das Objekt von allen Strukturen und Beziehungen der Konzernmutter trennt. Übrig bleibe dann der reine finanzielle Wert dieses operativen Bereichs – also das, was der Bereich ohne Synergieeffekte und die helfenden Strukturen des Mutterkonzerns erwirtschaftet – inklusive der Kosten, die er verursacht. Auf dieser Basis können Käufer und Verkäufer den Kaufpreis ermitteln.

Für Unternehmen, die Schwierigkeiten haben, diesen Wert zu berechnen, hat Bose einen Tipp: „Verkäufer können sich eine hypothetische Struktur überlegen, in der das Objekt künftig arbeiten könnte, und diese Struktur dann in die aktuelle Situation ‚übertragen‘.“ Wenn die Unternehmen analysiert haben, welchen Wert das Target bei einem neuen Käufer erzielen kann, fällt es ihnen oft leichter, ihre Preisvorstellung zu definieren, so Bose.

Ist ein Carve-out die richtige Option?

Doch wann ist ein Carve-out überhaupt die richtige Option? „Wenn das Unternehmen im Rahmen seiner Analysen zu dem Schluss kommt, dass der maximale Wert des Bereichs durch strukturelle Änderungen im eigenen Unternehmen gehoben werden kann, sollte das Unternehmen selbst versuchen, diesen Wert zu heben“, rät Philipp Bose.

Kommt das Unternehmen hingegen zu dem Schluss, dass die eigenen Konzenstrukturen dies nicht zulassen und ein anderer Eigentümer den Wert des Objekts besser maximieren kann, sollte es den Carve-out-Prozess anstoßen. Dies gelte allerdings nur für Unternehmen, die einen Carve-out aus strategischen Gründen erwägen, und nicht für Unternehmen, die vorrangig auf den Verkaufserlös angewiesen sind, etwa weil sie sich in einer Notsituation befinden.

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Ist die Entscheidung für einen Carve-outs gefallen, sollten sich Unternehmen sputen: „Simple Herauslösungen bei geringer Komplexität und hoher Eigenständigkeit benötigen – inklusive einer Vorbereitungsphase – mindestens vier Monate, doch extrem komplexe Carve-outs können durchaus zwölf Monate oder länger dauern“, weiß Philipp Bose aus eigener Erfahrung.

Einberechnet sei dort aber noch nicht die Transformationsphase, also die Zeit, in der das Objekt in die neuen Strukturen hineinwächst und mögliche Synergieeffekte noch nicht sichtbar sind. Daher sollte ein Carve-out wohl überlegt sein: Denn bis die Post-Merger-Integration vollständig abgeschlossen ist, können sogar bis zu mehreren Jahre vergehen.

olivia.harder[at]finance-magazin.de

Olivia Harder ist Redakteurin bei FINANCE und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Private-Equity- und M&A-Geschäft. Sie hat Philosophie, Politikwissenschaften, Soziologie und Geographie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen studiert, wo sie auch einen Lehrauftrag innehatte. Vor FINANCE arbeitete Olivia Harder in den Redaktionen mehrerer Wochen- und Tageszeitungen, unter anderem beim Gießener Anzeiger.

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