Abschreibung mit Folgen: Die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) muss den Konzernabschluss des Geschäftsjahres 2019, den dazugehörigen Konzernlagebericht sowie den verkürzten Abschluss vom 30. Juni 2020 von K+S genauer unter die Lupe nehmen. Das teilte der Salz- und Düngemittelhersteller gestern Abend nach Börsenschluss mit.
Die Bafin hat der DPR diesen Auftrag erteilt. Der Grund für die Prüfung: K+S musste Anfang November vergangenen Jahres eine Abschreibung in Höhe von rund 2 Milliarden Euro vornehmen, die der Konzern damals mit gestiegenen Kapitalkosten und zugleich langfristig geringeren Kalipreisen begründete.
Die Wertminderung bezog sich auf den Quartalsabschluss zum 30. September 2020 und betraf die Operative Einheit Europe+, in der K+S das weltweite Kaligeschäft sowie das europäische Salz- und Düngemittelgeschäft bündelt.
Muss K+S noch mehr Vermögen abschreiben?
Den Auftrag an die DPR, die Bilanz von K+S unter die Lupe zu nehmen, hatte die Bafin nun erteilt, weil ihr „konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese Wertminderung gegebenenfalls nicht zutreffend ermittelt und ganz oder teilweise bereits zu einem früheren Zeitpunkt hätte erfasst werden müssen“. Auch könnte es bei weiteren Aktivposten einen Wertberichtigungsbedarf geben, vermutet die Bafin, ohne diese Posten näher zu benennen.
Konkret vermutet die Behörde, dass die Vermögenswerte, insbesondere das Anlagevermögen, bereits im Konzernabschluss 2019 sowie im Halbjahresbericht 2020 zu hoch ausgewiesen sein könnten. Daher nimmt die DPR diese beiden Berichte ins Visier.
Gemäß dem Bilanzierungsstandard IAS 36 müssen Unternehmen ihre Vermögenswerte dann auf eine Wertminderung zu überprüfen, wenn es Hinweise darauf gibt, dass der Buchwert den Betrag übersteigt, den das Vermögen aktuell tatsächlich wert ist (zum Beispiel wenn es verkauft werden würde). Das Management muss die Entwicklung der Vermögenswerte daher stets im Blick behalten, bei Bedarf einen Impairmenttest machen und abschreiben, sobald es eine Abweichung feststellt.
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Im Fall von K+S hatte der Konzern im November festgestellt, dass die Kalipreise sich auf lange Frist wohl nicht mehr so gut entwickeln werden, als dass die Vermögenswerte dadurch gerechtfertig sind. Die Frage ist aber: Hätte K+S diese Entwicklung womöglich schon früher sehen müssen? Bereits vor einem Jahr berichteten Analysten von Berenberg etwa, dass der fallende Kalipreis dem MDax-Unternehmen langfristig zu schaffen machen könnte. Dass Kapitalkosten steigen würde, war ebenfalls abzusehen, da das Unternehmen vor allem über Anleihen finanziert ist, die Bonität von K+S zuletzt aber gesunken war.
K+S kooperiert, sieht aber keine Bilanzfehler
Die DPR wird die Prüfung nun aufnehmen und behält sich vor, die Untersuchung auf „weitere Gegenstände“ zu erweitern, wenn sie Indizien für eine fehlerhafte Rechnungslegung finden sollte. K+S will kooperieren: Man wollte an der Prüfung vollumfänglich mitwirken und hat bereits die von der DPR erbetenen erforderlichen Unterlagen bereitgestellt.
Gleichzeitig ist sich der Düngemittelhersteller aber sicher, keinen Fehler bei der Bilanzierung gemacht zu haben: „Der Vorstand ist davon überzeugt, dass die Wertberichtigung ordnungsgemäß und unter Beachtung aller relevanten Rechnungslegungsvorschriften vorgenommen wurde. Auch der Aufsichtsrat sieht derzeit keine davon abweichenden Anhaltspunkte.“ Der Aufsichtsrat habe bereits Gremien und Prozesse aufgesetzt, um die anlassbezogene Prüfung zu begleiten.
K+S hat bereits eine angespannte Bilanz
Eine Abschreibung belastet zwar nicht die Liquidität eines Konzerns – sie hat aber Auswirkungen auf die Bilanzkennzahlen. Dabei ist die Bilanz von K+S bereits sehr angespannt. Sollte tatsächlich eine höhere Abschreibung als geplant notwendig sein, würde das die Bilanz noch weiter unter Druck setzen.
Unterm Strich verbuchte K+S nach der Abschreibung in den ersten neun Monaten einen Konzernverlust von 1,9 Milliarden Euro, im Vorjahr stand noch ein Plus von 69 Millionen Euro. Das Eigenkapital, das Ende Juni 2020 noch 4,3 Milliarden Euro betrug, schmolz nach der Abschreibung auf 2 Milliarden Euro ab. Damit einhergehend sackte die Eigenkapitalquote von 42,5 Prozent auf 26,2 Prozent ab. Der Return on Capital Employed (ROCE) lag mit satten 23,8 Prozent im Minus. Im Sommer war es mit 0,8 Prozent noch ein kleines Plus.
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Zudem sieht es so aus, als ob das Gesamtjahr 2020 unter den Werten des Vorjahres bleiben wird. Der Konzern rechnet zwar mit einer leichten Erholung der Kalipreise. Den Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) schätzt er mit 480 Millionen Euro aber dennoch unter Vorjahr ein (640 Millionen Euro).
Befreiungsschlag für K+S: Verkauf des US-Geschäfts
Die Aktionäre reagierten geschockt auf die geplante Prüfung durch die DPR, die Aktie fiel um rund 15 Prozent auf 8,27 Euro. Es könnte erst einmal nur über die schlimmstmöglichen Konsequenzen spekuliert werden, kommentierte Analyst Markus Mayer von der Baader Bank die Meldung. Aus seiner Sicht mögliche Szenarien: Eine Verschiebung des Jahresabschlusses, weitere Wertberichtigungen oder eine Kapitalerhöhung zur Stärkung der Bilanz – ein Schritt, der den Aktionären missfallen dürfte.
Zudem sind viele Anleger nach dem Bilanzskandal bei Wirecard derzeit womöglich besonders sensitiv. DPR und Bafin waren stark in die Kritik geraten, weil sie die Bilanzmanipulationen nicht eher entdeckt haben – nun ist davon auszugehen, dass sie Verdachtsfällen besonders hartnäckig nachgehen.
Prüfung der Bilanz durch die DPR: K+S-Aktie rauscht ab
Einen Hoffnungsschimmer für die Bilanzsituation bei K+S gibt es aber: Der MDax-Konzern hat den Vertrag über den geplanten Verkauf des US-Geschäfts für 3,2 Milliarden Dollar mit Stone Canyon unterzeichnet und erwartet den Abschluss der M&A-Transaktion in diesem Sommer. K+S rechnet mit einem Transaktionserlös von 2,5 Milliarden Euro und einem Buchgewinn in mittlerer dreistelliger Millionenhöhe. Das Geld kann der hochverschuldete Konzern nun dringender denn je gebrauchen.
Info
Mehr über die beiden Manager am Ruder von K+S erfahren Sie auf den FINANCE-Köpfe-Profilen von Burkhard Lohr und Thorsten Boeckers.
Olivia Harder ist Redakteurin bei FINANCE und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Private-Equity- und M&A-Geschäft. Sie hat Philosophie, Politikwissenschaften, Soziologie und Geographie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen studiert, wo sie auch einen Lehrauftrag innehatte. Vor FINANCE arbeitete Olivia Harder in den Redaktionen mehrerer Wochen- und Tageszeitungen, unter anderem beim Gießener Anzeiger.