An den Run des Vorjahres konnte der Bondmarkt 2021 nicht anknüpfen. „2020 war natürlich ein Rekordjahr“, sagt Martin Wagenknecht, Head of Debt Capital Markets der Société Générale (SG) für den DACH-Raum, im Hinblick auf das Gesamtvolumen bei Euro-Unternehmensanleihen im Investmentgrade-Bereich, das im vergangenen Jahr bei rund 418 Milliarden Euro lag. Für das laufende Jahr rechnet die SG mit einem Volumen von 322 Milliarden Euro – das liegt sogar noch unter dem Wert des Vorkrisenjahres 2019 (380 Milliarden Euro).
Dabei fällt die Bilanz je nach Branche unterschiedlich aus: So liegt die Automobilbranche mit 11 Prozent Anteil am Gesamtemissionsvolumen deutlich unter den Werten vorangegangener Jahre. Einen deutlichen Anleihe-Boom verzeichnete dagegen der Immobilienbereich, auf den 21 Prozent der Transaktionen entfallen. Eine dieser Transaktionen stemmte der Immobilienkonzern Vonovia, der zur Refinanzierung der milliardenschweren Übernahme der Deutsche Wohnen im Juni Anleihen in Höhe von 4 Milliarden Euro platziert hatte. Mit einem Volumen von knapp 18 Milliarden Euro war diese Transaktion nach Aussage des Konzerns 4,5-fach überzeichnet.
Anziehende Bond-Konditionen erwartet
Generell stellt sich auf dem Anleihemarkt seit dem Sommer mit dem Wiedererstarken der Wirtschaft zunehmend Normalität bei der Liquiditätsvorsorge ein – wenn auch langsam, sagt Wagenknecht. Für viele Unternehmen bestehe daher aktuell keine Notwendigkeit, an den Markt gehen zu müssen. Zudem würden bedingt durch das negative Zinsumfeld derzeit deutlich weniger Investitionen vorfinanziert.
Das könnte sich im kommenden Jahr ändern: „Wir rechnen mit einem leichten Anstieg der Zinskurve“, erläutert Wagenknecht. Eine verlässliche Prognose sei jedoch schwierig, wie die vergangenen zwei Monate gezeigt hätten. Die Entwicklung hänge vor allem von der Politik der Zentralbanken ab. Momentan rechnen die Société-Générale-Volkswirte mit einer Abschwächung der Inflation im kommenden Frühjahr, wobei sich Preisanstiege je nach Branche unterschiedlich stark bemerkbar machen.
Das dürfte dafür sorgen, dass die Spreads bei Euro-Anleihen steigen werden. Die Bank rechnet damit, dass sie im kommenden Frühjahr die Nulllinie überschreiten und wieder im positiven Bereich liegen werden. Zudem prognostiziert sie einen weiteren Anstieg im Jahresverlauf.
Was macht die EZB mit ihren Bondkäufen?
Außerdem geht man bei der Société Générale davon aus, dass die EZB nach dem Auslaufen des Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) im April 2022 den Markt mit ihrem bisherigen Anleihekaufprogramm (APP) noch bis Mitte 2023 unterstützen wird, wobei die Liquiditätszufuhr von zunächst 50 Milliarden Euro je Monat im zweiten Quartal 2022 schrittweise gedrosselt werden könnte.
Das Ende des PEPP-Programms dürfte laut der Prognose der Bank aber einen eher geringen Einfluss auf den Corporate-Bond-Markt haben, da daraus im Durchschnitt nur etwas über 2 Milliarden Euro monatlich in diesen Markt geflossen sind. Mit einer Erhöhung des Leitzinses rechnen die Volkswirte der Société Générale erst Mitte 2024.
Für höhere Spreads auf dem Bond-Markt dürften im kommenden Jahr zudem zahlreiche Unwägbarkeiten sorgen. Neben der neuen Omikron-Variante des Coronavirus nennt Wagenknecht etwa das Abkühlen der chinesischen Wirtschaft und dessen Auswirkungen auf die deutsche Exportwirtschaft. Daher sei man beim Ausblick auf die Spreads konservativer als andere Häuser, so der Banker. Im Hinblick auf die Emissionsaktivität rechnet der Experte für das kommende Jahr mit einem Emissionsvolumen von 330 Milliarden Euro.
Green Finance weiter auf dem Vormarsch
Interessant dürfte auch werden, inwieweit sich der erwartete Anstieg der Zinskurve auf die Allokationen der Investoren auswirken wird. So dürften etwa Versicherer im Fall des erwarteten Zinsanstiegs künftig wieder stärker auf Staatsanleihen setzen.
Ungebrochen ist derweil der Trend zu Nachhaltigkeit und Green Finance, der auch im Bereich der Bonds weiter auf dem Vormarsch ist. So stieg das weltweite Gesamtemissionsvolumen an Sustainable Bonds 2021 bis heute auf 785 Milliarden Euro an (2020: 435 Milliarden Euro).
Ein Rekordjahr verzeichneten vor allem die Sustainability-linked Bonds (SLB), auch wenn ihr Anteil am Gesamtvolumen noch überschaubar ist. Bei diesen Anleihen ist der Kupon an die Nachhaltigkeitsleistung des Unternehmens gekoppelt. Deren Gesamtvolumen verzehnfachte sich 2021 auf aktuell 83 Milliarden Euro. Für das kommende Jahr rechnet die Société Générale insgesamt mit grünen Anleiheemissionen über rund 1 Billion Euro.
Das preisliche „Greenium“ verliere jedoch zunehmend an Bedeutung und der Anreiz-Effekt werde sich langfristig umdrehen, sind sich die Experten sicher. Durch den steigenden Anteil an nachhaltigen Bonds sei die Frage bald nicht mehr die nach dem Vorteil für grüne Instrumente, sondern dem Nachteil, wenn ein Unternehmen keine grünen Finanzierungen mache, so Wagenknecht.
thomas.holzamer[at]finance-magazin.de
Thomas Holzamer ist Redakteur bei FINANCE und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Banken-Sektor, speziell das Firmenkundengeschäft. Er hat Politikwissenschaften an der Technischen Universität Darmstadt studiert. Vor FINANCE arbeitete Thomas Holzamer mehr als 12 Jahre in den Redaktionen der Mediengruppe Offenbach-Post, zunächst als verantwortlicher Redakteur für Sonderpublikationen, später im Lokalen.