Börsengänge in Deutschland sind derzeit wahrlich nichts Alltägliches. Vor allem dann nicht, wenn es um den regulierten Markt (Prime Standard) der Frankfurter Wertpapierbörse geht: Gerade einmal vier Unternehmen ließen sich im vergangenen – zweifellos anspruchsvollen – Jahr auf dieses Wagnis ein.
Jetzt steht mit der United-Internet-Tochter Ionos der erste Kandidat für 2023 in den Startlöchern. Mit dem Webhosting- und Cloud-Anbieter will ausgerechnet ein Vertreter der zuletzt eher für Negativschlagzeilen sorgenden Tech-Branche noch im ersten Quartal 2023 sein Börsendebüt wagen, wie das Unternehmen am heutigen Dienstag mitteilte. Damit könnte Ionos das Ende der Durststrecke im deutschen IPO-Markt einläuten. Als Joint Global Coordinators bei dem IPO fungieren Berenberg, JP Morgan, BNP Paribas und Deutsche Bank.
Die Aktien für den Börsengang sollen laut Mitteilung von Ionos voraussichtlich nur aus den Beständen der beiden bisherigen Aktionäre United Internet (75,1 Prozent) und Warburg Pincus (24,9 Prozent) stammen. Einen Hinweis auf die Ausgabe frischer Anteilsscheine, deren Erlös dem Hosting-Anbieter direkt zufließen würden, gibt Ionos in seiner Mitteilung nicht.
Während Marktbeobachter davon ausgehen, dass Warburg Pincus den IPO als Anlass zum Ausstieg bei Ionos nehmen wird, ist das weitere Vorgehen von United Internet noch nicht gänzlich geklärt. Ionos lässt lediglich wissen, dass United Internet auch nach Abschluss des geplanten Börsengangs eine Mehrheitsbeteiligung an Ionos behalten werde. Der IPO-Kandidat ist jedenfalls zuversichtlich, dass mit dem nicht näher bezifferten Streubesitz ein liquider Markt für die Aktien geschaffen werde.
Ralph Dommermuth: IPO „nächster logischer Schritt“
Für Ralph Dommermuth, Vorsitzender des Ionos-Aufsichtsrats und Vorstandsvorsitzender von United Internet, ist der IPO folgerichtig: „Nach dem starken Wachstum und der erfolgreichen Entwicklung in den vergangenen Jahren ist ein Börsengang der nächste logische Schritt für Ionos. Als eigenständiges, börsennotiertes Unternehmen würde Ionos über eine größere Flexibilität verfügen.“
United Internet hatte bereits 2018 erstmals mit einem IPO von Ionos kokettiert, musste diesen aufgrund von Turbulenzen an den Märkten jedoch wiederholt verschieben. Dass nun ein vergleichsweise guter Zeitpunkt sein könnte, lässt neben dem zuletzt spürbar aufgehellten Börsenumfeld nicht zuletzt auch die im Raum stehende Bewertung für Ionos vermuten: Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg vor wenigen Wochen berichtete, darf sich United Internet Hoffnungen auf eine Bewertung von bis zu 5 Milliarden Euro für die Tochter machen. Zum Vergleich: Der im MDax notierte Mutterkonzern selbst verfügt derzeit über eine Marktkapitalisierung in Höhe von rund 4 Milliarden Euro.
Ionos peilt Ebitda-Marge von über 30 Prozent an
Ionos legt seinen Schwerpunkt als Webhosting-Anbieter auf kleinere und mittlere Unternehmen. Im Jahr 2021 lag der Gesamtumsatz bei 1,1 Milliarden Euro. Für 2022 stellt Ionos ein Umsatzwachstum um 15 bis 18 Prozent gegenüber dem Vorjahr in Aussicht.
Der Löwenanteil von rund 90 Prozent speist sich dabei aus dem Segment „Web Presence & Productivity“ (WP&P), das dank starkem Fokus auf Abonnements für einen hohen Anteil wiederkehrender Einkünfte sorge. Als wichtigsten Wachstumsmotor nennt Ionos unterdessen das Geschäft mit Cloud Solutions, das 2021 bereits rund 10 Prozent der Einnahmen generiert habe.
Mittelfristig peilt Ionos ein Umsatzwachstum von 10 Prozent gepaart mit einer bereinigten Ebitda-Marge von mehr als 30 Prozent an.
Philipp Hafner ist Redakteur bei FINANCE. Er hat Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth sowie an der University of Amsterdam studiert. Vor FINANCE arbeitete Philipp Hafner mehr als sechs Jahre bei der Verlagsgruppe Knapp/Richardi, zunächst als Volontär, anschließend dann als Redakteur für die Fachzeitschrift „Immobilien & Finanzierung“.