Der Schritt an die Öffentlichkeit hat sich offenbar gelohnt: Adler Modemärkte bekommt die benötigte Finanzspritze aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF). Aus einer Liste des Bundeswirtschaftsministeriums zu den Aktivitäten des WSF geht hervor, dass der Modehändler im Mai einen Kredit von 10 Millionen Euro erhalten hat. Das Unternehmen selbst wollte sich auf FINANCE-Frage nicht dazu äußern.
Das Geld braucht die Modekette dringend. So dringend, dass sie sich vor zwei Wochen öffentlich über die mangelnde Unterstützung der Bundesregierung beklagte, und damit letztlich mehr Druck ausübte. Man habe mehrere Wochen lang ohne Lösung Gespräche über das Darlehen geführt, um den anhaltenden Shutdown zu überstehen, beklagte sich das Unternehmen. CEO Thomas Freude beschrieb die Situation damals so: Man laufe „gegen eine Gummiwand“, Adler sei immer wieder vertröstet worden.
Überraschend ist es, dass Adler nun selbst nicht bestätigen wollte, dass die Firma die Finanzspritze bekommt. Vielmehr ging jetzt die Bunderegierung mit der Eintragung in ihre Liste an die Öffentlichkeit, obwohl sie sich zuvor eher bedeckt hielt.
Adler durchläuft Insolvenz in Eigenverwaltung
Adler führte als Argument stets an, dass die Finanzprobleme erst durch die Coronakrise gekommen seien – eine wichtiges Voraussetzung, um an die WSF-Mittel zu kommen. So verbuchte das Unternehmen im Jahr 2019 noch einen Umsatz von 495 Millionen Euro und einen Nachsteuergewinn von rund 5 Millionen Euro. CFO Karsten Odemann wies zudem 2019 eine „Rekord-Netto-Liquidität“ von 70,1 Millionen Euro aus. Außerdem betonte CEO Freude, dass Adler kein Geschenk wolle, sondern ein vollverzinstes zurückzuzahlendes Darlehen.
Der WSF hat in der Krise bereits viele Unternehmen mit Krediten oder über direkte Beteiligungen unterstützt. Beispiele sind Lufthansa, Tui oder Galeria Karstadt Kaufhof. Allerdings durchläuft Adler seit Januar dieses Jahres die Insolvenz in Eigenverwaltung – Unternehmen, die diesen Schritt gehen, können von bestimmten Hilfsangeboten ausgenommen werden.
Zudem müssen Darlehensnehmer eine „klare eigenständige Fortführungsperspektive nach Überwindung der Pandemie“, vorweisen. Zwar wurde Adler zufolge eine positive Fortführungsprognose vorgelegt, doch durch die Insolvenz befindet sich die Modekette in „vielversprechenden und fortgeschrittenen Verhandlungen mit mehreren nationalen und internationalen Investorengruppen“. Das ist ein Punkt, der die längerfristige Perspektive maßgeblich beeinflussen kann.
Adler Modemärkte hatte kaum Alternativen
Adler ist damit das erste Unternehmen in einem Insolvenzverfahren, dass WSF-Hilfen erhält. Diese Entscheidung könnte nun womöglich auch anderen Unternehmen in ähnlichen Situationen neue Perspektiven eröffnen. Bei Adler, die rund 3.200 Mitarbeiter an 140 Standorten beschäftigt, dürfte die Erleichterung groß sein, denn andere Hilfsperspektiven in der Krise hätte das Unternehmen aus Haibach bei Aschaffenburg nicht abrufen können. Die Überbrückungshilfe III bekommen zum Beispiel Unternehmen, die einen Insolvenzantrag gestellt haben, nicht.
Auch bei dem Kurzarbeitergeld gab es Probleme. Adler beantragte für Januar bis März 2021 Kurzarbeit. Jedoch erstattet die Agentur für Arbeit die zugehörigen Sozialversicherungsbeiträge für das Kurzarbeitergeld nicht bei Unternehmen in Insolvenzverfahren. Und auch ein bestehender Massekredit über 20 Millionen Euro konnte nicht aufgestockt werden, teilte der CEO mit.
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Die Details zur Vita des Adler-CFO Karsten Odemann können Sie in seinem FINANCE-Köpfe-Profil nachlesen.
Sarah Backhaus ist Redakteurin bei FINANCE und DerTreasurer. Sie hat Journalismus an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln studiert. Sarah Backhaus arbeitete während ihres Studiums unter anderem für Onlinemagazine von Gruner + Jahr und schrieb als freie Journalisten für die Handelszeitung, faz.net und Impulse.