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Restrukturierungs-News: Allgaier, Bernd Richter, Klingel-Gruppe

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Der Autozulieferer Allgaier aus dem schwäbischen Uhingen ist in unruhigen Zeiten weiterhin auf der Suche nach einem Investor. Foto: Giacinto Carlucci
Der Autozulieferer Allgaier aus dem schwäbischen Uhingen ist in unruhigen Zeiten weiterhin auf der Suche nach einem Investor. Foto: Giacinto Carlucci

Allgaier sucht weiterhin einen Investor

Der kriselnde Autozulieferer Allgaier sucht weiter nach einem „finanzstarken Investor“. Die Suche soll bis Anfang 2024 abgeschlossen sein, teilte der Insolvenzverwalter der Holdinggesellschaft Allgaier Werke GmbH, Fritz Zanker (Pluta), mit. Erste Gespräche würden laufen.

„In den vergangenen zwei Monaten haben wir den Betrieb bei Allgaier stabilisiert“ sagt Insolvenzverwalter Michael Pluta der gleichnamigen Kanzlei, der für die Allgaier Automotive GmbH mit rund 1.200 Mitarbeitern und somit die größte Gesellschaft innerhalb des Konzerns zuständig ist. Die Finanzierung sei bis Ende Januar 2024 gesichert, ab September würden die Mitarbeiter aus der Insolvenzmasse bezahlt. Die Autohersteller würden planmäßig beliefert.

Im vergangenen Jahr wurde Allgaier mehrheitlich von der chinesischen Westron Gruppe übernommen. Noch im November 2022 hatte Allgaier berichtet, dass durch den Einstieg von Westron die finanzielle Stabilität wiederhergestellt worden sei. Im Juni meldete der Autozulieferer aus dem schwäbischen Uhingen Insolvenz an.

Pluta holt Bernd Richter von EY

Seit September verstärkt der bekannte Sanierungs- und M&A-Experte Bernd Richter die Kanzlei Pluta. Bei Pluta wird er Geschäftsführer und Gesellschafter der Pluta Rechtsanwalts GmbH sowie Geschäftsführer der Pluta Management GmbH und wird von den Standorten München und Hamburg Pluta Management bei der vorinsolvenzlichen Restrukturierungsberatung und M&A-Transaktionen unterstützen.

Der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Richter kommt von EY, wo er durch Erreichen der dortigen Altersgrenze von 62 Jahren ausgeschieden ist. Er war mehr als 30 Jahre im Bereich Strategy and Transactions bei dem Big-Four-Haus aktiv. In den vergangenen zweieinhalb Jahren hat er als Mitglied der Geschäftsleitung von EY Deutschland in der Verantwortung des Chief Transformation Officer strategische Initiativen geleitet und deren Umsetzung verantwortet. Davor hat Richter als Managing Partner über zehn Jahre die Restrukturierungsberatung in der DACH-Region geführt, gleichzeitig war er in dieser Zeit Mitglied des globalen EY Restructuring Leadership Teams.

Kein Investor für die Klingel-Gruppe

Der Beschluss des Gläubigerausschusses ist ein Paukenschlag: Der Geschäftsbetrieb, der bei der insolventen Klingel-Gruppe bis dato im Bereich Mode, Schuhe, Schmuck, Wohnen und Gesundheit weitergelaufen ist, wird ab Januar 2024 eingestellt. Seit Mai ist die Gruppe in der Eigenverwaltung.

Mit der Restrukturierungskanzlei Pluta und dem Sachwalter Martin Mucha (Grub Brugger) wurden zuletzt die betrieblichen Abläufe optimiert und die Kosten reduziert. Trotz erheblicher Kostenreduktionen erzielt die Unternehmensgruppe allerdings weiterhin Verluste, ein Investor konnte nicht gefunden werden. Im nächsten Schritt sollen Markenrechte, Onlineshops und sämtliche Vermögenswerte an Investoren veräußert werden.

Überschuldung soll kein Insolvenzgrund mehr sein

Die Überschuldung als zwingenden Grund für einen Insolvenzantrag streichen – dafür spricht sich die TMA aus. Die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine haben den Gesetzgeber dazu veranlasst, den Betrachtungszeitraum für die Überschuldungsprüfung von zwölf auf vier Monate zu verkürzen. Diese Regel läuft zum Ende des Jahres aus.

In einzelnen Fällen kann es der Fall sein, dass der verlängerte Betrachtungszeitraum schon wieder ab dem 1. September gilt. Wenn ab diesem Zeitpunkt eine negative Prognose für das Fortbestehen gestellt wird, gilt das Unternehmen als überschuldet und muss Insolvenz anmelden.

Die TMA sieht diese Regelung als veraltet und schlägt vor, den Begriff „Überschuldung“ an diversen Punkten zu überarbeiten: Überschuldung sollte als freiwilliger Antragsgrund eines Schuldners gelten, nicht länger als zwingender. Das Antragsrecht für Gläubiger soll ausschließlich greifen, wenn der Schuldner zahlungsunfähig ist. Sobald eine Überschuldung eintritt, sollen die Gläubigerinteressen über denen der Gesellschafter stehen. Und schließlich soll eine Überschuldung keine Zahlungsverbote nach §15b InsO auslösen.

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Weitere Insolvenz- und Sanierungsverfahren

In der Pflege wankt es weiterhin: Der ASB Kreisverband Coburg meldete wegen drohender Zahlungsunfähigkeit Insolvenz an. „Ausschlaggebend für den Insolvenzantrag war letztlich die Belegungssituation in einem der Pflegeheime auf Grund des Fachkräftemangels sowie die kürzliche Insolvenz eines Großkunden, bei dem der Verein mit einem niedrigen sechsstelligen Betrag ausfallen wird“, sagt Norman Lenger-Bauchowitz (Rödl & Partner), den sich die Geschäftsleitung als Spezialist für Restrukturierungen in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft zur Seite geholt hat. Der Geschäftsbetrieb in allen Pflegeheimen und sonstigen Einrichtungen läuft weiter. Alle Löhne und Gehälter seien bislang pünktlich und vollumfänglich gezahlt worden und seien durch das Insolvenzgeld künftig abgesichert. Klaus-Christof Ehrlicher (Linse & Ehrlicher) ist als vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden. In den nächsten drei Monaten sollen Möglichkeiten zur Sanierung ausgelotet werden.

Das Sanierungsverfahren des mittelständischen Herstellers für technologische Produkte ABL kann mit dem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung planmäßig fortgesetzt werden. Seit Anfang Juli unterstützt Maximilian Pluta (Pluta) als Chief Restructuring Officer die ABL-Geschäftsführung für die Dauer des Verfahrens. Sachwalter ist seit Ende Juni Michael Wirth (Dr. Schmitt & Kollegen). Grund für die Insolvenz ist laut eigenen Aussagen die Übersättigung des Marktes. Aktuell wird nach einem Investor gesucht, ABL zählt 550 Mitarbeiter.

Neun Tochtergesellschaften des Luxusimmobilien-Entwicklers Euroboden sind insolvent. Sie folgen auf die Mitte August verkündete Insolvenz ihres Mutterhauses. Ähnlich wie dieses haben die Töchter wegen drohender Zahlungsunfähigkeit, aber auch wegen Überschuldung, Insolvenz angemeldet. Die Antragsstellungen seien unter anderem aufgrund negativer Finanzierungsentscheidungen der Fremdkapitalgeber erforderlich geworden.  Oliver Schartl (Müller-Heydenreich Bierbach & Kollegen) trägt als Insolvenzverwalter bei Euroboden die Verantwortung für rund 50 Projektgesellschaften. Der Gläubigerausschuss, dem die Anwälte Markus Kienle (Kienle) und Thorsten Kuthe (Heuking Kühn Lüer Wojtek) als Gläubigervertreter beiwohnen, versuchen, weitere Insolvenzen zu vermeiden, dies kann bislang noch nicht ausgeschlossen werden.

Obhut unter dem Schutzschirm ersuchen seit Anfang September die Rotkreuzkliniken München und Wertheim sowie deren dazugehörende MVZ. Den Sanierungsprozess begleiten Mark Boddenberg und Markus Kohlstedt (Eckert Rechtsanwälte) mit Generalhandlungsvollmacht. Die Einrichtungen seien durch eine unzureichende Krankenhausfinanzierung bei hohen Inflationskosten und tarifbedingten Kostensteigerungen in eine finanzielle Schieflage geraten. Strategische Sanierungsmaßnahmen sollen die stark defizitäre Lage der Kliniken wieder auf Kurs bringen. Hubert Ampferl (Dr. Beck & Partner) ist vom Amtsgericht zum vorläufigen Sachwalter bestellt worden.

Die insolvente Nürnberger Bauträgergruppe Project Immobilien kommt nach eigenen Angaben gut voran. Ihr vorläufiger Insolvenzverwalter Volker Böhm (Schultze & Braun) gab bekannt, dass die Bauprojekte grundsätzlich fortführungsfähig seien. „Die Project-Immobilien-Gruppe ist dazu jedoch personell und finanziell nicht mehr vollumfänglich in der Lage“, so Böhm. Jedes Objekt sei einzeln zu bewerten. Notwendig seien für einige Fälle Nachunternehmer oder Generalunternehmer, die die Projekte fertigstellen sollen. Laut Insolvenzverwalter gehen die Verhandlungen mit Hochdruck weiter und es werde schon bald mit ersten Ergebnissen gerechnet. Schon jetzt ist ein Großteil der insolventen Masse verkauft.

Der Spielwarenhersteller Haba wankt: Das Bad Rodacher Unternehmen geht in die Insolvenz in Eigenverwaltung. Geschäftsführer Mario Wilhelm will mit Sachwalter Tobias Sorg (Dmp Solution) zu alter Stärke zurückfinden. Demnach wird vorerst der Geschäftsbetrieb fortgesetzt. Erst im August hat der Spielzeugproduzent seine Marke Jako-o eingestellt. Die Haba Familygroup befinde sich aktuell in der größten Umstrukturierung der mehr als 85-jährigen Firmengeschichte, hieß es.

Der steirische Fahrzeugbauer Pongratz saniert sich im Eigenverfahren. Starker Preisdruck, eine geringe Nachfrage und steigende Personalkosten haben zu roten Zahlen im österreichischen Unternehmen geführt. Schließlich sperrte die finanzierende Hausbank wegen verschlechterten Sicherheiten sogar ein Konto. Als Sanierungsverwalter wurde Peter Freiberger (Freiberger & Partner) bestellt.

Distressed-M&A-Deals

Adler packt seine Entschuldung an: Ein halbes Jahr nach dem Beschluss eines Rettungsplans verkauft der Immobilienkonzern erste Objekte. Zwei Projekte in Berlin, eines in Mannheim und eines in Offenbach sind losgesagt worden. In der Summe haben die Transaktionen mindesten 236 Millionen Euro eingebracht. Aus den Verkaufserlösen sollen in den kommenden Jahren rund acht Milliarden Euro Schulden zurückgezahlt werden, von denen ein Drittel 2025 fällig wird.

Efficient Energy kann als Unternehmen nicht gerettet werden. Um die Gläubiger des insolventen Kältemaschinenherstellers auszuzahlen, verkauft Efficient Energy seine Patente, Rechte an der Technologie und weitere Vermögensgegenstände. Insolvenzverwalter Matthias Hofmann (Pohlmann Hofmann) hat mit der italienischen Vertiv einen Käufer gefunden, der die weltweit erste Herstellung von energieeffizienten und sauberen Kältemaschinen weiter betreiben wird.

Ritter ist gerettet. Der baden-württembergische Leichtmetallguss-Hersteller wurde an die Weber Holding verkauft. Das Traditionsunternehmen ist trotz guter Auftragslage wegen der gestiegenen Energiepreise und Lieferschwierigkeiten in Schieflage geraten. Der Verkauf steht unter dem Stern der Neuausrichtung hin zu neuen Produktportfolios und wurde von der Unternehmensberatung Wintergerst Societät gestemmt.

Brötchen unter neuem Namen wird es bald von der insolventen Achimer Stadtbäckerei geben. Der Großteil ihrer Filialen wird künftig von anderen Bäckereiketten übernommen, teilte Insolvenzverwalter Hans-Joachim Berner (Willmerköster) mit. 14 Filialen sind schon verkauft, bei drei laufen noch Verhandlungen, neun Filialen mussten endgültig schließen.

Beendete Insolvenz- und Sanierungsverfahren

Die finanzielle Restrukturierung bei Corestate ist beendet. Mit Hilfe der Kanzlei Allen & Overy wurden die Finanzverbindlichkeiten aus Schuldverschreibungen um 78 Prozent auf 143 Millionen Euro reduziert und die Eigenkapitalbasis durch eine Neukapitalisierung gestärkt. Daneben sind 132 Millionen neue Aktien ausgegeben worden. Zudem veränderte Corestate die Gruppenstruktur hin zu einer Holdinggesellschaft mit operativen Tochterunternehmen, die unternehmerisch eigenständig agieren und ihren Fokus auf das Asset Management legen.

Die Lichter gehen aus für Tubesolar. Nach ihrem Insolvenzantrag im Juni legt der vorläufige Insolvenzverwalter Georg Jakob Semshorn (Pluta) in Abstimmung mit dem Vorstand den Betrieb still. Es ist kein Investor gefunden worden. Grund dafür seien die anhaltenden Lieferschwierigkeiten von notwendigen Photovoltaik-Folien. Allen 140 Mitarbeitenden des an der Börse gelisteten Photovoltaik-Spezialisten muss gekündigt werden.

Weitere Restrukturierungen und Branchen-News

Ein Konflikt auf Gesellschafterebene belässt Franka Emika in der Insolvenz. Streitigkeiten hatten die künftige Finanzierung des Cobot-Pioniers beeinträchtigt. Der vorläufige Insolvenzverwalter Matthias Hofmann (Pohlamm Hofmann) strebt nun weitere Investorengespräche an. Zuletzt wurden diese wegen eines Streits abgebrochen. Operativ kann der Betrieb aufgrund einer guten Auftragslage fortgesetzt werden. Seit seiner Gründung 2016 kooperierte Franka Emika bereits kurzfristig mit Kuka, Voith und Voith Robotics. Seit einiger Zeit läuft eine Kooperation mit dem Elektronik-Spezialisten TQ-Group.

Neue Wege und neue Führung für Max Automation. Der Industrieanlagen-Anbieter hat zum Abschluss seiner mehrjährigen Restrukturierung die Führung verändert: Der CEO-Posten ist Geschichte. Christian Diekmann hat Ende August sein Amt niedergelegt. Seine Position wird nicht nachbesetzt. Künftig werden die Aufgaben entsprechend auf den neu eingerichteten Präsidialausschuss und die geschäftsführenden Direktoren verteilt.

Verdacht auf Insolvenzverschleppung und Betrug: Die Staatsanwaltschaft Hannover ermittelt gegen den Vorstandschef von Syntellic, Utz Claassen. Er sowie ein weiteres Vorstandsmitglied, ein Ex-Vorstandsmitglied und eine Prokuristin sollen eine Insolvenz des Medizintechnikunternehmen verschleppt haben. Laut Behörde liegen Anzeigen von mehreren mutmaßlich Geschädigten vor.

Die neuesten Restrukturierer-Personalien

Der renommierte Restrukturierungsspezialist Tammo Andersch gründet wieder:
Mit seinem langjährigen Wegbegleiter Mirko Liebthal ruft er Andersch Liebthal ins Leben, eine Beratungseinheit, die sich auf Distressed M&A und operative Restrukturierung konzentriert. Erst im Sommer 2019 verkaufte der langjährige Head of Corporate Restructuring bei KPMG seine 2012 ins Leben gerufene Restrukturierungskanzlei an FTI Consulting. Dort war er bis zuletzt im Aufsichtsrat tätig. 

Info

Esra Laubach ist Redakteurin bei FINANCE und widmet sich schwerpunktmäßig den Themen Transformation, Restrukturierung und Recht. Sie ist Sprach- und Kommunikationswissenschaftlerin. Vor FINANCE war sie rund fünf Jahre als Legal-Journalistin für den Juve Verlag in Köln tätig, wo sie auch ihr journalistisches Volontariat absolvierte. Esra Laubach arbeitete während ihres Studiums multimedial u.a. für das ARD-Morgenmagazin, mehrere Zeitungen und moderierte beim Hochschulradio Kölncampus.