Wie eine Transformation in der Praxis gelingt und wie CFOs eine Restrukturierung finanzieren können, wurde auf der ersten FINANCE Transformation am Dienstag diskutiert.
CFO Thomas Dippold über die Restrukturierung von SGL
Die erfolgreichen Restrukturierungsfälle der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass es möglich ist, Unternehmen in schwierigen Branchen und unter widrigen Bedingungen zukunftsfähig zu machen. Als CFO Thomas Dippold im Oktober 2020 zu SGL Carbon kam, steckte das Unternehmen mit 400 Millionen Euro Bruttoverschuldung seit Jahren in der Krise.
Der Finanzchef konnte das Blatt allerdings wenden. Sein Erfolgskonzept: kurzfristige Kostensenkung sowie strikte Ausgaben- und Investitionskontrolle und die Trennung von verlustbringenden Teilen des Geschäfts. Zuletzt entschied SGL sich zur Abspaltung des Geschäftsbereichs Carbon Fibers. Laut Dippold sind zudem klare Leitlinien zur Steuerung des Geschäfts und zum Miteinander im Betrieb wichtig.
„Die Transformation hört ohnehin nie auf.“
Thomas Dippold, CFO bei SGL Carbon
Der CFO setzte bei der operativen und finanziellen Restrukturierung auch auf „neue Köpfe im Unternehmen“ mit denen die Verbesserung der Prozesse habe gelingen können. Entscheidend sei außerdem die Reduzierung der Komplexität des Unternehmens gewesen, so der Finanzchef. Eine nachhaltige Restrukturierung erfordere eine klare Richtung, Transparenz und Einfachheit. Dippolds Credo: „Die Transformation gilt es immer aktiv zu gestalten, sie hört ohnehin nie auf.“
Wie sich ABL transformiert hat
Wie Transformation während eines Eigenverwaltungsverfahrens gelingen kann, berichtete Stefan Schlutius, CEO des Traditionsunternehmens ABL, das vor 100 Jahren den Standardstecker Schuko erfand. Das Familienunternehmen hatte früh hohe Erwartungen in die E-Mobilität gesteckt und das Geschäftsmodell von ABL dahingehend ausgerichtet. Die großen Wachstumschancen nahmen mit der Übersättigung des Marktes im Jahr 2022 jedoch ein jähes Ende und der Umsatz brach ein.
Im Juni 2023 musste das Unternehmen aus Lauf an der Pegnitz schließlich die Sanierung in Eigenverwaltung beantragen und sein Geschäftsmodell erneut transformieren, gesucht wurde ein Investor.
Die strategische Partnerschaft mit dem spanischen Start-Up Wallbox brachte schließlich die Wende. Neben Wallboxen zum Laden von Elektroautos, stellt das Familienunternehmen inzwischen Ladesäulen her. Unterstützt wurde Schlutius bei der Transformation von dem bestellten Eigenverwalter des Unternehmens, Maximilian Pluta.
Durch den Trend hin zu Elektrofahrzeugen stehen auch die Automobilindustrie und ihre Zulieferer vor einer „vielfältigen Transformation“, so Michael Schachler, CEO bei KS Huayu Alutech, einem Joint Venture von Rheinmetall und Huayu Automotive Systems. CEO ist er dort seit Mai 2021, und schon damals trafen die Probleme der Branche das Unternehmen.
Die archetypischen Geschäftsmodelle zu schärfen, das Unternehmen auf profitable Kernkompetenzen zu fokussieren und die operative Effizienz zu steigern, seien zentrale Punkte seines Transformationskonzeptes gewesen. Auf Investitionen habe er allerdings nicht verzichten wollen. Heute, sagt Schachler, würden diese Investitionen das Geschäft tragen.
Die richtige Finanzierung für Transformation ist entscheidend
Wenn man über Transformationskonzepte spricht, muss man zwangsläufig über Finanzierung sprechen. Ob Finanzinstrumente wie zum Beispiel Schuldscheine Teil des Problems oder der Lösung während einer Restrukturierung sind, thematisierten Henning Block, Partner bei Rothschild und Walter Uebelhoer, Partner bei der Wirtschaftskanzlei Allen & Overy.
Sie verglichen verschiedene Finanzinstrumente und erläuterten deren Vor- und Nachteile. Dabei stand insbesondere der High-Yield-Bondmarkt im Vordergrund, der auch für weniger bekannte Unternehmen jederzeit offen stehe, wie ein Fallbeispiel zeigte.
Carina Denker, Head of Finance des Medizin-Start-Ups Clinomic, und Simon Schulz, Partner beim Private-Equity-Haus Aequita, diskutierten mit Chefredakteur Markus Dentz über die Frage, wer Transformation finanziere. Die Möglichkeiten zur Finanzierung sind vielfältig, doch für Simon Schulz gilt: „The right horse for the right course.“ Denn nicht jeder Investor passe zu jedem Unternehmen. Es bedürfe immer des richtigen Know-hows, um Transformation effizient umsetzen zu können.
So sieht es auch Denker. Als Investoren hält sie Venture Capital und Private-Equity-Häuser aktuell als besser geeignet für Start-Ups als Banken. Sie sieht jedoch derzeit grundsätzliche Zurückhaltung bei der Transformationsfinanzierung, nicht bloß bei Banken.
Wenig Hoffnung äußerten sowohl Denker als auch Schulz sowie die Teilnehmenden derweil in Bezug auf das Wachstumschancengesetz. Eine Publikumsumfrage ergab, dass nur 4 Prozent aller Anwesenden das Gesetz als Erleichterung für bei der Transformation von Unternehmen erachten. dafür hielten, Unternehmen die Transformation zu erleichtern. Schulz sieht darin viel mehr neue bürokratische Hürden für PE-Häuser, die „durch die Hintertür“ auf die Branche zugekommen seien.
Perspektivwechsel helfen bei Transformationsprozessen
Die Chance auf einen Perspektivwechsel, erhielten die Teilnehmer der Konferenz bei dem Vortrag von Businesscoach Jens Alsleben. Er ging mit einem Gedankenexperiment und einem interaktiven Stresstest der Frage auf den Grund, welche Auswirkungen Transformationsprozesse auf Führungskräfte und ihre Mitarbeiter haben.
Laut Alsleben sei Transformation kein mathematisches Problem, sondern eine menschliche Herausforderung, die zu bewältigen sei. Transformationsanstrengungen ließen sich mit Trauerprozessen vergleichen. Die Herausforderung für Führungskräfte bestünde deshalb darin, alle betroffenen Personen während des Prozesses mitzunehmen.
Auch das Thema Künstliche Intelligenz spielt bei Transformationen eine besondere Rolle. Wie KI schon jetzt in Restrukturierungsprozessen eingesetzt werden kann, erklärten Britta Grauke und Matthias Eiden von der Kanzlei Weil.
Ganz im Zeichen alternativer Finanzierungen sprachen Volker Riedel und Matthias Müller von Dr. Wieselhuber & Partner über den richtigen Zeitpunkt für die Schlüsselübernahme, um langfristigen Erfolg und Wachstum zu garantieren.
Gelingt die Transformation der deutschen Wirtschaft?
Peter Bofinger, Professor für Volkswirtschaftslehre and der Universität Würzburg, sprach abschließend über die Transformation des „kranken Mannes“, also der deutschen Wirtschaft. Seine Diagnose: Das Wirtschaftswachstum stocke und vor allem der internationale Vergleich zeige, dass das dieses weit hinter anderen Ländern zurückbleibe.
Daher stelle sich die Frage, wie die Transformation der deutschen Wirtschaft gelingen kann. Während viele seiner Ökonomen-Kollegen ein Minimum staatlicher Eingriffe fordern, ist die Lösung für den Professor nicht so simpel. Staatliche Eingriffe sollten stattdessen strategisch geplant sein, so sein Vorschlag.
Für Bofinger ist klar: „Die Schuldenbremse bremst das unternehmerische Potenzial des Staates.“ Man könne so nicht in die strategisch wichtigen Industrien oder die Schlüsselindustrien der Zukunft investieren. Denn genau die gelte es zu fördern, um das Wirtschaftswachstum in Deutschland zu befeuern, so Bofinger. Als mögliche Lösung schlug er eine dynamische Schuldenbremse vor.
Als Eindruck von der ersten FINANCE Transformation bleibt zurück: Transformation ist das neue Normal für Unternehmen in Deutschland.
Lea Teckentrup ist Redaktionsvolontärin bei DerTreasurer und FINANCE. Sie hat Wirtschaftsrecht im Bachelor und im Master an der Universität Osnabrück sowie an der Universität Siegen studiert. Vor ihrem Volontariat arbeitete sie als Wirtschaftsjuristin im Bereich Debt Capital Markets in einer internationalen Großkanzlei.