Der Immobilienriese Vonovia denkt offenbar über einen erneuten Übernahmeversuch des Mitbewerbers Deutsche Wohnen nach, will dies aber nicht ohne politische Rückendeckung tun.
„Auf eine etwaige Übernahme der Deutschen Wohnen werden wir immer wieder angesprochen“, ließ Vonovia am Donnerstag in einem Statement zu einem entsprechenden Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg wissen. Generell seien Akquisitionen integraler Bestandteil der Vonovia-Strategie und würden fortlaufend geprüft werden, hieß es weiter.
Vonovia dementiert nicht
Ein Dementi ist das nicht. Allerdings macht Deutschlands größter Wohnungsvermieter die Unterstützung einer Transaktion durch das Land Berlin zur Voraussetzung dafür, tatsächlich ernst zu machen. Dort befindet sich ein Großteil der Wohnungen des möglichen M&A-Targets. „Eine derartige Transaktion in Berlin wäre überhaupt nur realistisch, wenn fundamentale Fragen geklärt wären und sie von einem entsprechenden Willen der Berliner Politik getragen würde,“ ließ Vonovia verlauten – und versucht gleichzeitig, die Erwartungen zu bremsen: Sowohl die Politik als auch Vonovia seien derzeit noch mit der Bewältigung der Coronavirus-Pandemie beschäftigt.
Von FINANCE auf den Bloomberg-Bericht angesprochen, antwortete ein Sprecher von Deutsche Wohnen: „Marktspekulationen kommentieren wir grundsätzlich nicht.“
Vonovia kauft in Schweden und Österreich
Laut der Nachrichtenagentur Bloomberg, die sich in ihrem Artikel vom Mittwochabend auf mit der Sache vertraute Personen beruft, soll Vonovia aber bereits mit seinen M&A-Beratern die Machbarkeit einer Übernahme prüfen. Durch eine solche würde in der Immobilienbranche ein neuer Gigant mit einem Börsenwert von über 37 Milliarden Euro entstehen. Vonovia kommt aktuell auf eine Marktkapitalisierung von 24,3 Milliarden Euro, die Deutsche Wohnen ist mit 12,8 Milliarden Euro etwa die Hälfte wert. Vor vier Jahren hatte Vonovia bereits einen Übernahmeversuch gewagt, war dabei aber auf so erbitterten Widerstand gestoßen, dass das Management am Ende von der feindlichen Übernahme abließ.
Stattdessen konzentrierte sich der Bochumer Konzern mit CFOHelene von Roeder lieber auf das Ausland: So übernahm Vonovia im September von Blackstone den schwedischen Wohnimmobilienbestandshalter Hembla. Im Jahr davor hatte Vonovia in Schweden schon Victoria Park gekauft. Beide Targets zusammen kosteten Vonovia rund 2,5 Milliarden Euro zuzüglich Schulden. In Österreich legte sich der Konzern die beiden Immobilienkonzerne Buwog und Conwert zu.
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Immobilienbranche konsolidiert
Die Unterstützung der Berliner Stadtregierung ist deshalb so wichtig, da die Deutsche Wohnen ihren Kernmarkt in Berlin hat und dort laut Geschäftsbericht 2019 etwa 115.700 Wohnungen besitzt. Vonovia kommt in Berlin auf weitere 42.000 Wohneinheiten. Seit Februar gilt in Berlin für 1,5 Millionen Wohnungen, welche vor 2014 gebaut wurden, für fünf Jahre ein Mietendeckel. Faktisch sind die Mieten auf dem Stand vom 18. Juni 2019 eingefroren.
Ein Zusammengehen von Vonovia und Deutsche Wohnen wäre ein weiterer Meilenstein in der derzeitigen Branchenkonsolidierung. So schloss Ado Properties gerade die Übernahme von Adler Real Estate ab. Im November legte Aroundtown ein 3,1 Milliarden Euro schweres Angebot für TLG vor, um einen deutschen Giganten im Bereich der Gewerbeimmobilien zu schmieden.
Experten sehen M&A-Fantasien kritisch
An der Börse legten die Aktien von Deutsche Wohnen und Vonovia dank der neu entfachten M&A-Fantasien zunächst zu, drehten dann im Verlauf des Morgens allerdings ins Minus. Aktuell verliert die Vonovia-Aktie 0,7 Prozent auf 44,50 Euro, während die Deutsche-Wohnen-Titel 0,9 Prozent auf 37 Euro abgeben. Experten stehen den neuesten Übernahmespekulationen eher kritisch gegenüber. Für JPMorgan-Analyst Neil Green birgt der Zukauf viele Hürden und Unwägbarkeiten.
Während der Coronakrise mussten beiden Immobilienunternehmen deutliche Kurseinbrüche verdauen, konnten sich aber zuletzt wieder erholen: Bei der Deutsche Wohnen stehen die Papiere auf Jahressicht noch 11 Prozent tiefer, während die Vonovia-Titel etwa auf dem Stand von vor einem Jahr sind.
Info
Mehr über die bisherige Karriere von Finanzchefin Helene von Roeder erfahren Sie auf ihrem Profil bei FINANCE-Köpfe.