Ob zur Sicherung von Liquidität oder um ohne größere Bürokratie den finanziellen Handlungsspielraum zu erweitern – Gesellschafterdarlehen an Beteiligungsunternehmen sind bei Finanzierungen gängige Praxis. Doch so hoch die Bedeutung von Gesellschafterdarlehen in der Praxis ist: Das Wissen um die damit verbundenen Anfechtungs- und Haftungsrisiken auf der Gesellschafterseite ist erstaunlich gering. Dies wird bei Distressed-M&A-Transaktionen immer wieder deutlich.
Ein Thema, das viele Gesellschafter übersehen: Ihre Darlehen werden im Falle einer Insolvenz der Gesellschaft als nachrangig gegenüber anderen Verbindlichkeiten behandelt. Vielen Gesellschaftern, die sich mit den Sanierungschancen im Insolvenzrecht befassen, ist das aber nicht bewusst. Zudem gelten für die Rückführung von Gesellschafterdarlehen besondere Regelungen: Rückzahlungen, die ein Gesellschafter innerhalb eines Jahres vor einem Insolvenzantrag erhalten hat, sind anfechtbar – und müssen zurückerstattet werden.
Kein Gesellschafter mehr, aber immer noch im Risiko
Besonders komplex wird es, wenn der Darlehensgeber seinen Anteil an der Gesellschaft verkauft. Denn die Übertragung der Anteile hat auf das Darlehen grundsätzlich keinen Einfluss. Das bedeutet: Obwohl der Darlehensgeber gar nicht mehr Gesellschafter ist, können Rückzahlungen, die kurz vor einem Insolvenzantrag an ihn fließen, angefochten werden.
Wie dies ablaufen kann, zeigt dieses Beispiel: Gesellschafter A verkauft seinen Gesellschaftsanteil an der B-GmbH, der er ein Darlehen gegeben hat. Nach Veräußerung seiner Anteile erhält A von der B-GmbH Tilgungszahlungen für sein Darlehen. Die B-GmbH gerät kurz darauf aber in wirtschaftliche Schieflage – nicht ohne Grund hatte sich A von den Anteilen getrennt – und muss binnen Jahresfrist einen Insolvenzantrag stellen. Kurz darauf wird das Insolvenzverfahren eröffnet. In dieser Konstellation sind die an A geleisteten Zahlungen anfechtbar. A muss diese an den Insolvenzverwalter erstatten. Das ist für A sicherlich ärgerlich – und sofern A die Gelder bereits anderweitig eingesetzt hat, wohl auch problematisch.
„Der Veräußerer trägt ein erhebliches Risiko, obwohl er gar keinen Einfluss mehr auf das Schicksal der Gesellschaft nehmen kann.“
Wer seinen Gesellschaftsanteil veräußert, läuft also Gefahr, bei einer Insolvenz der Gesellschaft auch solche Darlehensrückzahlungen erstatten zu müssen, die er erst nach seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft erhalten hat. Damit trägt der Veräußerer ein erhebliches Risiko, obwohl er – anders als der Käufer – gar keinen Einfluss mehr auf das Schicksal der Gesellschaft nehmen kann.
Verkauf des Darlehens schützt nicht umfassend vor Haftung
Ein Gesellschafter kann sich im Übrigen nicht dadurch schützen, dass er das Darlehen beim Verkauf seiner Anteile einfach mitveräußert. Zwar würde dann der Käufer fortan die Rückzahlungen erhalten und müsste im Insolvenzfall für die Erstattung aufkommen. Nach einer bedeutenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs besteht aber das Risiko, dass neben dem Käufer auch der Verkäufer für diese Erstattung haften muss, wenn innerhalb eines Jahres nach der Abtretung des Darlehens ein Insolvenzantrag gestellt wird.
In einer solchen Konstellation könnten die Beteiligten zunächst versuchen, das Anfechtungsrisiko durch eine vertragliche Vereinbarung im Rahmen des Verkaufs auszuschließen. Sie könnten etwa vereinbaren, dass der Erwerber alleine die Haftung für eine Erstattung übernehmen soll. Dies hilft dem Verkäufer aber nur, wenn der Käufer die erhaltenen Zahlungen auch tatsächlich rückerstatten kann, also selbst zahlungsfähig ist. Andernfalls müsste der vormalige Gesellschafter selbst einspringen.
Gleiches gilt, wenn die Parteien vereinbaren, dass Rückzahlungen innerhalb der anfechtungsrelevanten Frist nicht erfolgen dürfen. Halten sich Gesellschaft und Käufer des Darlehens nicht an diese Vereinbarung, entsteht nur ein Schadensersatzanspruch gegen den Erwerber, der im Fall von dessen Insolvenz aber nicht mehr durchsetzbar ist. Um die Risiken tatsächlich auszuschließen, müsste die vertragliche Vereinbarung also zusätzlich besichert werden, etwa durch Bankbürgschaften oder Treuhandkonten. Da solche Sicherheiten Kosten verursachen oder wichtige Liquidität binden, wird der Käufer sie allerdings gern vermeiden wollen.
So lassen sich Anfechtungsrisiken vermeiden
Die gute Nachricht: Wenn man sich der Risiken im Umgang mit Gesellschafterdarlehen bewusst ist, gibt es Wege, sie zu minimieren. Eine Möglichkeit besteht darin, das Gesellschafterdarlehen vor dem Verkauf der Gesellschaftsanteile aufzulösen. Dazu muss der scheidende Gesellschafter den Rückzahlungsanspruch an die Gesellschaft abtreten und in die Rücklage der Gesellschaft einlegen. Dadurch sind Schuldner und Gläubiger der Rückzahlungsforderung identisch – und die Forderung erlischt.
Da im Ergebnis eine Verbindlichkeit der Gesellschaft wegfällt, erhöht sich sogar der Wert des Gesellschaftsanteils, was sich positiv auf den Kaufpreis auswirken kann. Rechtlich noch nicht abschließend geklärt ist jedoch, ob ein Anfechtungsrisiko besteht, wenn später Auszahlungen aus dieser Kapitalreserve vorgenommen werden. Außerdem existiert ein steuerliches Risiko, wenn der Rückzahlungsanspruch nicht voll werthaltig sein sollte. Denn die Gesellschaft würde ja mit der Einlage einen Gewinn realisieren.
Kapitalrücklage als Ausweg
Eine andere Lösung macht es sich zunutze, dass Auszahlungen nur anfechtbar sind, wenn sie die Gläubiger der Gesellschaft benachteiligen. Dies ist eine allgemeine Voraussetzung des Insolvenzanfechtungsrechts. Ein möglicher Ausweg: Der Käufer zahlt den Restbetrag der Forderung in eine freie Kapitalrücklage der Gesellschaft ein, die zweckgebunden ist und nur der Rückzahlung des Darlehens dient. Aus dieser Rücklage erhält der Veräußerer dann die Rückzahlungen. Da die Rücklage ohnehin nur für die Darlehensrückzahlung verwendet werden darf, benachteiligen die entsprechenden Auszahlungen die übrigen Gläubiger nicht. Eine Anfechtung ist damit ausgeschlossen.
„Anfechtungs- und Haftungsrisiken im Zusammenhang mit Gesellschafterdarlehen lassen sich erheblich mindern.“
Durch entsprechende Gestaltungen lassen sich die Anfechtungs- und Haftungsrisiken im Zusammenhang mit Gesellschafterdarlehen erheblich mindern. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Problematik erstens einmal erkannt wurde und zweitens die Lösungsmöglichkeiten für die individuelle Konstellation analysiert werden. Auch andere Forderungen eines Gesellschafters, wie etwa stehengelassene Ansprüche aus Austauschgeschäften, werden wie Gesellschafterdarlehen behandelt. Das Thema springt häufig nicht sofort ins Auge. Umso wichtiger ist es, gerade bei den Gesellschafterdarlehen ganz genau hinzusehen – Anfechtungsspezialisten tun das allemal.