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Unter den Schutzschirm kann nicht jeder Schuldner. Foto: Mike Watson Images/moodboard/Thinkstock/Getty Images
Unter den Schutzschirm kann nicht jeder Schuldner. Foto: Mike Watson Images/moodboard/Thinkstock/Getty Images

Was ist das Schutzschirmverfahren?

Das Schutzschirmverfahren ist eine spezielle Ausprägung der Insolvenz in Eigenverwaltung. So haben beispielsweise die Modehändler Wormland, Peter Hahn und Peek & Cloppenburg ein solches beantragt. „Ein Schutzschirmverfahren umfasst alle Vorteile einer Eigenverwaltung. Die Geschäftsführung bleibt voll handlungsfähig und behält die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis. Es geht aber noch darüber hinaus“, sagt Jürgen Erbe, Fachanwalt für Insolvenz– und Sanierungsrecht bei der Kanzlei Schultze & Braun.

Der Schutzschirm ist laut dem Juristen „das Eigenverwaltungsverfahren mit den höchsten Hürden, bietet zugleich aber auch den größten Gestaltungsspielraum für das Schuldnerunternehmen.“ Die wohl höchste Hürde ist die Eintrittsvoraussetzung: „Wer ein Schutzschirmverfahren beantragt, darf noch nicht zahlungsunfähig sein“, betont Erbe. Eine Bescheinigung, dass die Zahlungsunfähigkeit noch nicht eingetreten ist, kann etwa ein in Insolvenzsachen erfahrener Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt ausstellen.

Wie läuft das Schutzschirmverfahren ab?

Wie bei einem klassischen vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren wird auch im Schutzschirmverfahren zunächst ein vorläufiger Sachwalter bestimmt, der das Handeln der Geschäftsführung und ihrer Berater beaufsichtigt und darauf achtet, dass die Regelungen der Insolvenzordnung eingehalten werden. Zudem sollte sich die Geschäftsführung insolvenzrechtlich beraten lassen. Die Interessen der Gläubiger werden darüber hinaus in einem Gläubigerausschuss abgebildet und vertreten.

„Das Schutzschirmverfahren bietet den größten Gestaltungsspielraum.“

Jürgen Erbe, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Schultze & Braun

Wurde der Antrag auf ein Schutzschirmverfahren vom Gericht genehmigt, hat das Unternehmen im vorläufigen Verfahren maximal drei Monate Zeit, um einen Insolvenzplan vorzulegen. „In der Praxis gibt es allerdings keine unmittelbaren Sanktionen, wenn der Plan nicht fristgerecht eingereicht wird“, sagt Erbe. Mit Zustimmung des Gläubigerausschusses könne das Verfahren dennoch in Eigenverwaltung eröffnet und der Plan nachgereicht werden. Auch der Wechsel in eine andere Verfahrensart ist möglich: „Man kann aus einem Schutzschirmverfahren auch in die klassische Regelinsolvenz wechseln“, erklärt Erbe.

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Wie wirkt sich der Schutzschirm auf die Sanierung aus?

Das Schutzschirmverfahren wurde mit der Insolvenzrechtsreform durch das „Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen“ (Esug) im Jahr 2012 eingeführt. „Die Intention des Gesetzgebers war, dass sich durch die Änderungen des Esugs Schuldnerunternehmen, aber auch die Gläubiger bereitwilliger und auch früher auf eine Sanierung einlassen, was auch gelungen ist. Diese Entwicklung erhöht die Chance für eine erfolgreiche Sanierung, auch angesichts des so früher anlaufenden Austauschs mit Beratern und wesentlichen Stakeholdern“, sagt Erbe.

Hinzu kommt, dass Eigenverwaltungen vor allem im Schutzschirmverfahren oftmals mit einem Insolvenzplan abgeschlossen werden, bei dem die Gesellschaft erhalten und Gesellschaftsanteile potentiell auch werthaltig bleiben. „Dass sie von einer solchen Sanierung ebenfalls profitieren, ist wiederum grundsätzlich ein Anreiz für die Gesellschafter, dieses Verfahren anzugehen und zu unterstützen.“

Wer bestimmt den Sachwalter im Schutzschirmverfahren?

In einem Schutzschirmverfahren haben die Schuldner auch bei Personalentscheidungen mehr Spielraum: Während bei der klassischen Insolvenz in Eigenverwaltung beispielsweise das Gericht unter Mitwirkung des Gläubigerausschusses einen Sachwalter bestellt, der das Unternehmen durch das Verfahren begleitet, darf der Schuldner den Sachwalter im Schutzschirmverfahren selbst vorschlagen. Wenn die Gläubigerausschussmitglieder dem Vorschlag zustimmen, ist das Gericht daran gebunden und kann den Sachwalter-Kandidaten grundsätzlich nicht ablehnen.

„In einer solchen Situation ist jeder Tag wertvoll.“

Jürgen Erbe, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Schultze & Braun

Einzige Ausnahme: „Es darf nicht dieselbe Person sein, die bescheinigt hat, dass noch keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt“, erklärt Erbe. Zudem könnte das Gericht Personen ablehnen, die zur Ausübung des Amtes „offensichtlich ungeeignet“ erscheinen. Grundsätzlich sei es hilfreich, wenn das Gericht die vorgeschlagene Person kennt: „Dann bekommt man die Zustimmung schneller, und in einer solchen Situation ist jeder Tag wertvoll“, sagt der Jurist. In der Regel nutzen Unternehmen die Wahlmöglichkeit, um einen Sachwalter mit Branchenerfahrung einzusetzen.

Für wen eignet sich ein Schutzschirmverfahren?

Wer ein Schutzschirmverfahren in Eigenverwaltung beantragen möchte, sollte insbesondere die Kosten im Blick haben: „Ein solches Verfahren darf nicht teurer sein als die Regelinsolvenz“, mahnt Erbe, der bereits zahlreiche Unternehmen in ihren Insolvenz-, Eigenverwaltungs- oder Schutzschirmverfahren begleitet hat – als Insolvenzverwalter, Sachwalter und als CRO.

Kosten entstehen zum einen dafür, dass sich die Geschäftsführung bei Eigenverwaltungs- und Schutzschirmverfahren grundsätzlich insolvenzrechtlich beraten lassen muss. Zum anderen benötigen Unternehmen für den Eintritt in das Schutzschirmverfahren eine Bescheinigung darüber, dass noch keine Zahlungsunfähigkeit besteht. „Die kann je nach Unternehmen und Ausführendem mehr als 10.000 Euro kosten, für manches Unternehmen ist das in einer Krise schon schwer zu bewältigen“, sagt Erbe.

Info

Grundsätzlich sieht der Insolvenzexperte die Vorzüge eines Schutzschirmverfahrens eher bei großen und verzweigten Unternehmen: „Bei Konzerninsolvenzen müssen häufig mehrere Gesellschaften gleichzeitig ein Verfahren durchlaufen“, erklärt er. In diesem Fall könne die Wahlmöglichkeit des Sachwalters, die das Schutzschirmverfahren bietet, eine Hilfe sein. „Die Sanierung mehrerer Gesellschaften ist für einen Konzern deutlich einfacher zu steuern und wird für alle Beteiligten planbarer, wenn alle Gesellschaften denselben Sachwalter oder zumindest Sachwalter aus einer Sozietät haben.“

Ein Schutzschirmverfahren ist zudem durch den Insolvenzplan als Sanierungsinstrument der ersten Wahl eine schnelle Möglichkeit der Sanierung. Meist dauert es nur wenige Monate, bis das Verfahren aufgehoben werden und das Unternehmen die Krise hinter sich lassen kann.“ Ein weiterer Vorteil betrifft das Image: „Ein Schutzschirmverfahren wird in der Öffentlichkeit deutlich positiver wahrgenommen als ein Insolvenzverfahren“, beobachtet Erbe.

Info

Erika von Bassewitz ist Redakteurin bei FINANCE. Sie hat Philosophie und Französisch an der Humboldt-Universität in Berlin sowie an der Université de Genève studiert und mit einem Magister Artium abgeschlossen. Vor FINANCE war sie mehr als acht Jahre Redakteurin in der Multimediaredaktion des Medienhauses der EKHN. Davor war sie unter anderem Redakteurin beim HR-Magazin von monster, freie Autorin bei Deutsche Welle TV und freie Mitarbeiterin bei der Westdeutschen Zeitung.