Schur Flexibles ist gerettet: Wie der österreichische Verpackungshersteller bekanntgab, erhält er eine kurzfristige Finanzspritze über 60 Millionen Euro. Das ist mehr als der unmittelbare Cash-Bedarf, den die Ratingagentur Moody’s Anfang März auf „mindestens 30 bis 40 Millionen Euro“ beziffert hatte, um einen Zusammenbruch des Mittelständlers mit 2.200 Mitarbeitern und 23 Produktionsstätten weltweit abzuwenden.
Die 60 Millionen kommen von den Gläubigern. Diese wollen im Herbst, wenn die Refinanzierung abgeschlossen ist, noch einmal weitere 90 Millionen Euro einschießen. Es ist anzunehmen, dass es sich dabei in erster Linie um neues Fremdkapital handelt, denn im gleichen Zug verzichten die Gläubiger auf „bis zu 75 Prozent ihrer Forderungen“. Damit dürfte nicht nur der Liquiditätsengpass beseitigt, sondern auch die Bilanz wieder in die Balance gebracht worden sein. Die Eigenkapital sei dank dieser Transaktion „gestärkt“ und „solide“, schreibt das Unternehmen in einer Mitteilung, ohne aber einen genauen Wert anzugeben.
RBI und Unicredit waren Kreditgeber
Aus der Unternehmensmitteilung lässt sich ableiten, dass die bisherigen Eigentümer, die österreichische Privatstiftung B&C (Anteil rund 80 Prozent) und der PE-Investor Lindsay Goldberg (20 Prozent) kein frisches Eigenkapital mehr beigesteuert, sondern lediglich den Weg für den Debt-Equity-Swap freigemacht haben. „Die derzeitigen Aktionäre haben sich aktiv an der Refinanzierungslösung beteiligt und somit die notwendige Rekapitalisierung ermöglicht. Bis zum Closing werden sie alle Anteile an Schur Flexibles an eine neue Eigentümergruppe bestehend aus aktuellen Schur-Gläubigern übertragen“, heißt es in der offiziellen Mitteilung.
Das bestätigt die Recherchen, die FINANCE dazu vor fast genau einem Monat veröffentlicht hat. Damals standen nach diesen Informationen die klassischen Gläubigerbanken wie RBI und Unicredit einer derartigen Lösung noch skeptisch gegenüber. Die Blockadehaltung scheinen sie inzwischen angesichts der schweren Krise bei Schur Flexibles aufgegeben zu haben.
Apollo löst B&C bei Schur Flexibles ab
Zu den neuen Eigentümern werden keine Angaben gemacht. Nach FINANCE-Informationen hat im Gläubigerkonsortium, das aus Banken und Hedgefonds besteht, aber schon vor einigen Monaten der US-Finanzinvestor Apollo die Fäden in die Hand genommen. Die Gruppe um Apollo dürfte der neue Haupteigentümer sein.
Für B&C bedeutet dies wohl einen Totalverlust: Medienberichten zufolge sollen die Österreicher beim Einstieg vor einem gut einem Jahr für 80 Prozent an Schur Flexibles rund 300 Millionen Euro bezahlt haben. Lindsay Goldberg war zuvor der Hauptgesellschafter, nach dem Verkauf behielt das PE-Haus nur noch eine Minderheitsbeteiligung.
Ein Beobachter kommentiert dazu gegenüber FINANCE: „Aus dem Markt war damals zu hören, dass alle Strategen abgewunken haben, für die die offiziellen Angaben nicht mit dem eigenen Blick in die Bücher zusammengepasst haben. Außerdem fanden sie die Preisvorstellungen völlig überzogen.“ Darüber hinaus merkt er an, dass B&C nach dem eigenen Stiftungszweck nur in Unternehmen in Österreich investieren solle, der Hauptteil der Aktivitäten von Schur Flexibles aber in Deutschland liege. Fest steht: Für B&C war das gewagte Investment in Schur Flexibles ein Desaster.
Schur Flexibles bekommt Compliance-Chef
Den neuen Eigentümern und dem neu hinzugestoßenen CEO Juan Luis Martinez stehen trotz der gelungenen Refinanzierung aber noch einige Aufräumarbeiten bevor, leidet Schur Flexibles doch unter gravierenden Compliance-Mängeln. In den vergangenen Wochen waren KPMG und Alvarez & Marsal im Haus, um Vorgänge aus der Vergangenheit aufzuklären und Strukturdefizite aufzudecken.
Das Resultat ist, dass neben dem kürzlich berufenen Chef-Restrukturierer Josef Schultheis (in der Vergangenheit unter anderem bei Swiss Steel und Karstadt engagiert) nun auch ein neuer Compliance-Chef ins Top-Management eingezogen ist. Die Compliance-Richtlinien seien „umfassend überarbeitet“ worden, schreibt das Unternehmen.
Schadensersatz: B&C will sein Geld zurück
Das Ganze könnte auch noch ein juristisches Nachspiel haben, denn die B&C-Stiftung will ihr Geld zurück. „Wie sich nach dem Einstieg von B&C bei Schur Flexibles herausgestellt hat, sind aus heutiger Sicht die von renommierten Wirtschaftsprüfern seinerzeit testierten Schur-Bilanzen aus den Vorjahren unrichtig und manipuliert. Die Geschäftsergebnisse und die Finanzsituation von Schur Flexibles wurden massiv überhöht dargestellt“, behauptet B&C. Vor diesem Hintergrund sei der damals bezahlte Kaufpreis „aus heutiger Sicht weit überhöht“ gewesen. B&C sieht sich „als Käuferin getäuscht und als Opfer eines Betrugsfalls“.
Die Österreicher wollen durch Schadenersatzansprüche und das Einbringen bestehender Garantie-Versicherungen einen Teil ihrer Verluste ersetzt bekommen. „Weitere rechtliche Schritte auf Basis der laufenden Aufarbeitungen sind aus B&C-Sicht wahrscheinlich“, erklärt die Stiftung. Die Ansprüche werden sich unter anderem wohl auch gegen das frühere Management von Schur Flexibles richten.