Spannender M&A-Deal am Markt für Supply-Chain-Finance-Anbieter: Der Softwareriese SAP kauft die Mehrheit an dem US-Fintech Taulia. Das Fintech ist mit seinen Working-Capital-Management-Lösungen, die vor allem auf Lieferketten-Finanzierungen spezialisiert sind und mit dynamischer Diskontierung sowie Forderungsfinanzierung arbeiten, auch in vielen deutschen Finanzabteilungen im Einsatz.
Davon profitieren zum einen CFOs und Treasurer, denn Je früher ein Unternehmen seine Lieferanten bezahlt, desto höher fällt das ihm eingeräumte Skonto aus, abzüglich einer Vermittlungsgebühr für Taulia. Die Lieferanten profitieren ihrerseits davon, dass Rechnungen schneller geschlossen werden und sie damit ihr Working Capital optimieren können.
SAP sieht vor allem in den durch die Coronakrise erschwerten Lieferkettenbedingungen den Mehrwert von Taulia. Unterbrechungen von Lieferketten hätten die Nachfrage nach Lösungen für die rasche Bezahlung von Lieferanten deutlich getrieben, erklärt der Dax-Konzern. Die beiden Unternehmen verbindet auch eine gemeinsame Personalie: Léo Apotheker. Der ehemalige Chef von SAP ist Direktor und Anteilseigner bei Taulia.
SAP will führend bei Working-Capital-Lösungen werden
Taulia war bisher aber auch ein wichtiger SAP-Partner: Mehr als 80 Prozent des Kundenstamms betreiben ein ERP-System von SAP. Kunden, die sowohl SAP als auch Taulia nutzen sind beispielsweise Airbus, Nissan und Astrazeneca. Nach der Übernahme soll die Intergration der Software-Anwendungen verstärkt werden, kündigt SAP an – sowohl für das SAP Business Network als auch die CFO-Lösungssuite. Taulia soll dann perspektivisch zum Kern des SAP-Working-Capital Management-Portfolios werden. Gleichzeitig sollen die Lösungen von Taulia aber auch eigenständig verfügbar bleiben, sodass sie auch von Nicht-SAP-Kunden genutzt werden können, betont das Unternehmen.
„Durch die Übernahme sind wir gut positioniert, ein führender Anbieter im Bereich Working Capital Management zu werden“, meint SAP-Finanzchef Luka Mucic. „Die ausgeprägte Expertise von Taulia im Bereich Working Capital Management, kombiniert mit dem breiten CFO-Lösungsportfolio von SAP und der Integration in unsere Kern-Geschäftssoftware und unsere Business Network-Lösungen, bietet enormes Potenzial.“
SAP-CFO Mucic wird Chef des Verwaltungsrates von Taulia
Der Softwareriese übernimmt das 2009 gegründete Fintech nicht komplett, sondern sichert sich die Kontrollmehrheit von 95 Prozent, die Fintech-Marke bleibt als eigenständiges Unternehmen unter dem jetzigen CEO Cédric Bru bestehen. SAP-Finanzchef Luka Mucic rückt als Vorsitzender in den Verwaltungsrat des Fintechs. Wie viel sich die Walldorfer die Kontrollmehrheit kosten lassen, ist nicht bekannt. Das Management soll den Preis auf unter 1 Milliarde Euro beziffert haben, wie mehrere Medien berichten. Aktuell ist das Fintech in Privatbesitz, zu den Investoren zählen unter anderem Trinity Ventures, Questmark Partners, Zouk Capital, Propel Venture Partners, JP Morgan und Matrix Partners.
Taulia als eigenständiges Unternehmen in die SAP-Familie zu integrieren, hat den Hintergrund, dass sich das Softwarehaus die nötige Flexibilität beibehalten will, um weitere strategische Bankpartner zu gewinnen, die ebenfalls Anteilseigner von Taulia werden könnten. SAP, so betont das Unternehmen, werde aber Mehrheitseigentümer bleiben.
Zu den bestehenden strategischen Partnern von Taulia gehört JP Morgan. Die Bank bleibt auch nach dem geplanten Closing der Tuck-in-Akquisition im März an Bord. Die Investmentbank werde auch ihre Kapitalbeteiligung an Taulia beibehalten.
Taulia musste seine Refinanzierung neu strukturieren
Mit JP Morgan ist Taulia eng verbunden. Die US-Bank hat als Teil eines Konsortiums mit Unicredit, UBS und der spanischen BBVA vergangenes Jahr kurzer Hand 6 Milliarden US-Dollar Funding zur Verfügung gestellt, nachdem Taulias maßgeblicher Refinanzierungspartner Greenshill in die Insolvenz gerutscht war. Der Supply-Chain-Finance-Anbieter musste dadurch zwangläufig und schnell sein Refinanzierungsmodell neu strukturieren. Mittlerweile hat Taulia ein breites Netzwerk von Finanzpartnern aufgebaut.
Mehr als 2 Millionen Unternehmen würden die Plattform des Fintechs nutzen, die Taulia jährlich Transkationen im Wert von mehr als 500 Milliarden US-Dollar bescheren, erklärt SAP. Operative Kennzahlen gibt das Unternehmen nicht an. Ein Eintrag in der Unternehmensdatenbank Factiva beziffert den Umsatz für 2021 auf rund 40 Millionen Dollar.
SAP punktet mit dem Cloud-Geschäft
SAP-Chef Christian Klein geht mit dem M&A-Deal einen großen Schritt im Geschäft mit Finanzdienstleistungen und will das Angebot für Banken und Versicherungen noch weiter auszubauen. Parallel dazu bleibt das Wachstum der Cloud oberste Priorität. Hier kommt der Rivale von US-Riesen wie Oracle und Salesforce gut voran, wie die Zahlen für das vergangene vierte Quartal und das Geschäftsjahr 2021 belegen. Die Cloud-Umsätze kletterten im vierten Quartal um 28 Prozent auf 2,6 Milliarden Euro, für das Gesamtjahr steht ein Plus von 17 Prozent auf 9,4 Milliarden Euro in den Büchern.
2022 soll das Cloudgeschäft um bis zu 26 Prozent auf bis zu 11,85 Milliarden Euro Umsatz ansteigen, so die Prognose. Dafür will SAP investieren. Dies werde den allerdings Free Cashflow von 5 auf bis zu 4,5 Milliarden Euro drücken.
Den erfolgsverwöhnten Aktionären von SAP schmeckt das gar nicht. Auch Analysten von Jefferies, Citi und JP Morgan monierten die Aussicht der Free Cashflow-Entwicklung. Die Anleger straften trotz soliden Wachstums und strategischer Akquisition die Aktie mit einem Kursverlust von 7,7 Prozent in der Spitze ab. Damit fiel SAP am heutigen Vormittag auf ein Jahrestief bei 108,7 Euro.
melanie.ehmann[at]finance-magazin.de
Melanie Ehmann ist Redakteurin bei FINANCE und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen am M&A- und Private-Equity-Markt. Sie hat Politikwissenschaften an der Technischen Universität Darmstadt studiert. Vor FINANCE arbeitete Melanie Ehmann sechs Jahre in der Redaktion des Platow Verlags, zunächst als Volontärin, später als Wirtschaftsjournalistin im Platow Brief und den Sonderpublikationen.