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Welche Zahlen von Grenke alarmieren

Auffällig undurchsichtig: Der Leasingspezialist Grenke ist nach wie vor unter Beschuss.
Grenke

Der Kampf um die Deutungshoheit bei Grenke ist in vollem Gange. Nach dem Angriff des Shortsellers Viceroy, der den Finanzdienstleister aus Baden-Baden mit Vorwürfen unter anderem zu Bilanzungereimtheiten konfrontierte, hat sich der Aktienkurs immer noch nicht vollends erholt, obwohl sich Grenke bereits mehrfach verteidigt hat.

Ja, einige Punkte konnte Grenke aufklären. Zuletzt haben die Wirtschaftsprüfer von KPMG beispielsweise die Existenz von Geldern auf verschiedenen Bankkonten des Konzerns nachweisen können. Schwer zu durchdringen bleiben aber das Zahlenwerk und die Ausgestaltung des Franchise-Systems, und solche Dinge lassen seit dem Wirecard-Skandal bei Aktionären nun mal die Alarmglocken schrillen.

Grenkes verdächtig hohe Umsatzrentabilität

Nehmen wir einmal die Umsatzrentabilität, deren Höhe Viceroy in seinem Bericht stark anzweifelt. Eine erste Analyse der veröffentlichten Zahlen macht deutlich, dass sie tatsächlich auffallend hoch ist: In den vergangenen sechs Jahren lag die Vor-Steuer-Umsatzrentabilität des Konzerns, gemessen an den Zinserträgen, zwischen 40 und 55 Prozent.

Allerdings kann man die berechtige Frage stellen, ob Zinserträge wirklich einen geeignete Bezugsgröße sind, um die Rentabiliät zu berechnen – möglicherweise wären die Leasingraten oder das Neugeschäft die bessere Wahl. Grenkes ungewöhnliches Geschäftsmodell macht eine sinnvolle Interpretation schwierig: Alle drei Geschäftsfelder – Leasing, Factoring und Bank – fließen in die GuV mit ein, wie soll man da eine geeignete Rentabilitätskennzahl berechnen?

Zugegebenermaßen machen die internationalen Bilanzierungsregeln (IFRS) die Rechnungslegung gerade bei so einem Geschäftsmodell sehr komplex – dennoch ist es Aufgabe des Unternehmens, sie dem Bilanzleser verständlich näher zu bringen. Das kann zum Beispiel dadurch erfolgen, dass Grenke eine Rentabilitätskennzahl einführt, erklärt und jedes Jahr abbildet, damit Aktionäre eine Entwicklung ablesen und sich so ihre Meinung zum Unternehmen bilden können.

Wie gut laufen Grenkes Geschäftsfelder?

Unabhängig von der richtigen Bezugsgröße machen aber auch andere Aspekte im Kerngeschäft Leasing stutzig: Während der Absatz von Druckern am breiten Markt deutlich gesunken ist – Stichwort Digitalisierung – hat sich laut Viceroy bei Grenke der Umsatz mit Druckern in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt. So viel Umsatzwachstum mit alter Technologie ist ungewöhnlich, wird IT-Leasing doch zunehmend von Cloud-Lösungen und Software as a Service (SaaS) verdrängt. Die Preise für Drucker und andere Peripheriegeräte wie Fotokopierer befinden sich teilweise auf Ramschniveau.

Unterdessen ist das zweite große Geschäftsfeld von Grenke, das Factoring, nachhaltig defizitär. Laut den veröffentlichten Geschäftsberichten werden im Segment Factoring seit 2016 keine Gewinne mehr erwirtschaftet. Vielmehr sind die Verluste von 200.000 Euro im Jahr 2016 bis auf knapp 2 Millionen Euro im Jahr 2019 gestiegen.

Das dritte Geschäftsfeld, die Grenke Bank, verdient zwar Geld. Aber es ist relativ klein und dient in erster Linie der Refinanzierung. Tragende Säule des Konzerns ist und bleibt das Leasinggeschäft, wo die Margen – gemessen am Zinsertrag – so bemerkenswert hoch sind.

Wenig transparente Cashflow-Rechnung

Auch an der Berechnung des Cashflows stört sich der Shortseller in seinem Bericht. Bei der Kapitalflussrechnung wirft er Grenke nicht nur vermeintlich fehlende Transparenz, sondern auch einen grenzwertigen Ausweis unverständlicher Einzelposten vor. Was der hinter Viceroy stehende Firmenjäger Fraser Perring mit dem Ausweis unverständlicher Einzelposten genau meint, bleibt offen. Doch ein Blick in die Kapitalflussrechnung verrät: Bei der Ermittlung des Cashflows aus laufender Geschäftstätigkeit gibt es eine Vielzahl von Einzelposten, viel mehr als bei den meisten anderen Unternehmen.

In Grenkes Cashflow-Ausweis gibt es unheimlich viele Einzelposten, viel mehr als anderswo.

Dies liegt auch wieder daran, dass bei Grenke mit Leasing, Factoring und der Bank gleich drei recht unterschiedliche Geschäftsfelder in die Kapitalflussrechnung mit einfließen. Dies macht dieses Stück Papier ungeheuer komplex. Hinzu kommen Überschneidungen, denn diese drei Segmente ergänzen sich teilweise, gehen ineinander über oder bedingen sich. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass Perring mit seinen Vorwürfen recht hat – doch all das es erschwert eine klare Interpretation noch weiter. Hier wäre Grenke gefragt, die Cashflow-Rechnung beispielsweise zu vereinfachen und so den Investoren besser näher zu bringen.

Vor allem der Free Cashflow wirft laut Viceroy Fragezeichen auf. Dieser ergibt sich rechnerisch, indem zum operativen Cashflow der Cashflow aus Investitionstätigkeit addiert wird. Er gibt also an, wie viel Geld im Unternehmen nach notwendigen Investitionen noch übrigbleibt, um beispielsweise Dividenden zu bezahlen oder Schulden zu tilgen. Ist der Free Cash Flow negativ, spricht man von Cash Loss, sprich: Geld wird verbrannt. Dann muss das Unternehmen entweder zusätzliche Kredite aufnehmen oder flüssige Mittel zulasten der eigentlich notwendigen Investitionen angreifen.

Verbrennt Grenke Geld?

Und genau so einen Cash Loss vermutet Perring in Wirklichkeit bei Grenke. Daher nimmt er bei der Berechnung einige doch recht umfangreiche Korrekturen vor, die seiner Meinung nach aber notwendig sind, um die eigentliche operative Performance des Konzerns freizulegen: Er zieht die Kundeneinlagen vom ausgewiesenen operativen Cashflow ab, Zinszahlungen für Hybridkapital rechnet er dazu. So kommt Perring auf einen negativen Free Cashflow in Höhe von 42,3 Millionen Euro, Grenke für 2019 hingegen auf plus 120 Millionen – ein riesiger Unterschied. Die Frage ist: Sollten Kundeneinlagen, die das Unternehmen ja eigentlich nur verwaltet, zum Cashflow gezählt werden? Hier stellt das Geschäftsmodell von Grenke und die Vermischung aller Sparten in der Cashflow-Rechnung den Bilanzleser wieder vor Herausforderungen.

Gleichzeitig prangert Perring an, dass Grenke trotz des hohen Zahlungsmittelbestands in den letzten Jahren vermehrt Kredite aufgenommen und Anleihen ausgegeben hat. Diese Vorwürfe erinnern vordergründig an den Bilanzskandal von Wirecard. Allerdings benötigt Grenkes Geschäftsmodell – anders als das von Wirecard – hohe Anschubfinanzierungen, insbesondere für den Ankauf von IT-Ausrüstung.

Die Vorwürfe gegen Grenke erinnern an den Fall Wirecard.

Grenke: Kassenbestand steigt stärker als Umsatz

Auffällig ist auch, dass seit 2017 der Kassenbestand bei Grenke deutlich stärker ansteigt als in den Vorjahren – und übrigens auch stärker als die Umsatzerlöse im gleichen Zeitraum. 2016 betrugen die Zahlungsmittel noch rund 159 Millionen Euro, der Umsatz lag bei rund 261 Millionen. 2019 waren die Zahlungsmittel aber schon auf 434 Millionen Euro angestiegen, der Umsatz auf 424 Millionen Euro.

Eine verdächtig hohe Umsatzrentabilität, schwer verständliche Cashflow-Rechnungen, umfangreiche Geldaufnahmen trotz steigender Cash-Bestände: Ein paar Auffälligkeiten, die Perring in der Grenke-Bilanz erkennt, sind tatsächlich da. Im besten Fall sind sie nur der komplexen IFRS-Bilanzierung und der Vermischung von drei recht unterschiedlichen Geschäftsbereichen in Bilanz, GuV und Cashflow-Rechnung zuzuschreiben. Den Aktionären wäre das zu wünschen. Doch dann muss Grenke dringend an seiner Transparenz arbeiten.

redaktion[at]finance-magazin.de

Info

„Abgeschminkt“ ist der FINANCE-Blog von Bilanzierungsexpertin Carola Rinker über aufgehübschte Unternehmenszahlen und skandalöse Bilanzkosmetik. Wie die Unternehmen ihre Zahlen im Rahmen des rechtlich Möglichen beeinflussen und wann sie Grenzen überschreiten, können Sie in loser Folge hier lesen.

Nicht immer bleiben die Aufhübschungen im legalen Bereich. Mehr über veritable Bilanzskandale können Sie auf unserer Themenseite nachlesen.

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