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So hat die Aareal Bank auf SAP S/4 Hana umgestellt

Die Aareal Bank hat die Umstellung auf SAP S/4 Hana hinter sich gebracht. Ein anstrengender Prozess – der sich aber laut eigener Aussage gelohnt habe.
Aareal Bank

Seit gut fünf Jahren schon hat SAP sein neues ERP-System SAP S/4 Hana im Angebot. Doch noch immer haben die meisten Unternehmen nicht auf die neue Software umgestellt. Viele sind noch mit Vorstudien beschäftigt oder gehen das Großprojekt erst jetzt an, so wie der Anlagenbauer Gea. Kein Wunder, denn die Umstellung ist keineswegs nur ein IT-Update – der Umstieg auf S/4 Hana verändert ganze Prozesse in der Finanzabteilung.

Auch Finanzinstitute wagen sich nur zögerlich an das neue ERP-System. Als erste Bank in Deutschland hat nun die Aareal Bank für ihre Kernbankensysteme den Wechsel auf SAP S/4 Hana vollständig vollzogen. „Der Wechsel auf S/4 Hana war ein ganz wesentlicher Baustein einer IT-Transformation, die wir bereits 2017 im Konzern begonnen haben“, erinnert sich Holger Spielberg, Group Technology Officer bei der Aareal Bank. Er kam 2016 zum Unternehmen und ist einer der Treiber der IT-Transformation. 

Aareal Bank hatte sehr großen Datenbestand

Auf dem Weg dahin gab es aber durchaus Herausforderungen – was nicht zuletzt daran lag, dass die Aareal Bank ein Haus mit langer SAP-Historie ist. „Die Bank nutzt SAP seit über 20 Jahren. In dieser Zeit ist das System mit sehr vielen Informationen gefüttert worden, was zu einem sehr großen historischen Datenbestand und nicht mehr benötigter Einstellungen geführt hat“, sagt Philipp Freigang vom Beratungshaus FAS, der das Projekt beratungsseitig begleitet hat. „Und diese Daten wurden auch von sehr vielen Bereichen im Unternehmen genutzt.“

Bei der Einführung von S/4 Hana ging es als Erstes darum, dieses System zu entschlacken, betont Holger Spielberg. Ein weiteres Ziel sei eine stärkere Standardisierung gewesen – und der Abschied von selbst entwickelten Lösungen. Doch das Geschäftsmodell eines Immobilienfinanzierers wie Aareal mit wenigen, dafür aber hochkomplexen, großvolumigen Einzeldarlehen erschwert eine komplette Standardisierung. „All das war bei der Frage nach der passenden Migration zu berücksichtigen“, so Spielberg.

SAP S/4 Hana: Greenfield oder Brownfield?

Unternehmen, die auf S/4 Hana umstellen wollen, müssen sich in der Regel zwischen dem Greenfield- und dem Brownfield-Ansatz entscheiden. Greenfield ist der radikalere Weg: Dabei geben die Unternehmen ihr altes ERP-System komplett auf, führen ein neues System ein und befüllen dieses dann neu mit Daten. Dieser Weg bringt eine starke Standardisierung mit sich. Beim Brownfield-Ansatz hingegen werden bestehende Systeme schrittweise umgestellt, wodurch Individuallösungen länger beibehalten werden können.

„Weder der Brownfield- noch der Greenfield-Ansatz haben hier in ihrer Reinform gepasst, daher haben wir uns für eine Mischung aus beidem entschieden“, berichtet FAS-Berater Freigang. Dabei hat die Aareal Bank im ersten Schritt eine Kopie des alten Systems erstellt, aber ohne Daten. „Auf Basis dieses leeren Systems haben wir dann überlegt, was wir nicht mehr brauchen und was wir optimieren können.“ Ohne Daten war das Herauslöschen nicht mehr benötigter Parameter kein Problem mehr.

In einem zweiten Schritt hat die Bank dann alle noch benötigten Tabellen ins System migriert. Zwar waren es schlussendlich immer noch zehntausende Tabellen, die Datenmenge wurde dennoch deutlich kleiner. „Die Daten, die nicht migriert wurden, sind nach wie vor im Altsystem vorhanden“, betont Freigang. Das sei auch wichtig, um weiterhin alle bankenregulatorischen Anforderungen zu erfüllen.  

Aareon war der Vorreiter bei Aareal Bank

Profitiert hat die Bank auch davon, dass zuvor schon die Tochter Aareon die Umstellung auf S/4 Hana gemeistert hat. „Es war hilfreich, dass wir im Konzern Leute hatten, die den Prozess schon einmal durchlaufen haben“, sagt Aareal-Manager Spielberg, schränkt aber auch ein: „Die Themen und die Komplexität waren allerdings kaum miteinander vergleichbar.“

Insgesamt hat die Umstellung etwa 15 Monate gedauert. „Das war kurz, aber auch schmerzvoll, denn die Belastung für die gesamte Organisation war enorm hoch“, erinnert sich Spielberg. Den Aufwand beziffert er mit knapp unter zehntausend Personen-Tagen. Es sei aber auch wichtig, das Einsparpotential zu sehen: „Das System ist jetzt eine Basis für die weitere Modernisierung und Harmonisierung unserer IT-Architektur.“ Weitere IT-Projekte könne man mit einem geringeren Aufwand umsetzen. „Die Anstrengung hat sich gelohnt“, lautet daher sein Fazit.

SAP S/4 Hana beschleunigt Bilanzierung

Nicht nur bei der Digitalisierung des Konzerns sieht die Bank jetzt Erleichterungen, sondern auch in der täglichen Arbeit der Finanzabteilung, etwa in der Bilanzierung. „Wir haben seit zwölf Jahren eine eigenentwickelte SAP-Lösung für die Bilanzierung nach IFRS und Standardlösungen nach HGB. Grundsätzlich sind wir zwar zufrieden, aber trotzdem gibt es etliche parallele Lieferstrecken für die Zahlen nach HGB und IFRS. Der Aufwand bei der internen Abstimmung ist daher durchaus ein Pain-Point“, so  Uwe Ovenhausen, der bei der Aareal Bank für die IFRS-Umsetzung fachlich verantwortlich ist.

Mit S/4 Hana können durch die im Rahmen des Projektes eingeführte parallele Ledgerlogik parallel mehrere Rechnungslegungsnormen gebucht und die separaten Prozesse harmonisiert werden. „Ein Beispiel sind die unterschiedlichen Bewertungsansätze von Pensionsrückstellungen. HGB- und IFRS-Bilanzierung kann so in einem Hauptbuch parallel abgebildet werden“, ergänzt er.

Viele Vorgänge haben sich laut Ovenhausen stark beschleunigt. „Tagesendprozesse, die früher aufgrund der langen Dauer nachts liefen, sind um mehrere Stunden schneller geworden.“ Umfangreiche Abfragen von Daten seien erheblich schneller möglich, so habe sich auch die Erstellung des Jahresabschlusses für 2019 dadurch vereinfacht und beschleunigt.

Für die Zukunft hat die Bank allerdings noch einige Projekte vor sich, denn perfekt ist die Umstellung auf S/4 Hana noch nicht. Hinzu kommt, dass der Wunsch nach stärkerer Standardisierung sich noch nicht überall erfüllt hat: „Wegen der knappen Projektlaufzeit haben wir an manchen Stellen noch die bestehende Logik beibehalten. Das soll sich aber ändern – auch, um in Zukunft Release-Wechsel oder Updates mit einem vertretbaren Aufwand umsetzen zu können“, meint Ovenhausen.

„Prozesse sind teilweise um mehrere Stunden schneller geworden.“

Uwe Ovenhausen, Aareal Bank

Verzögert Corona den Wechsel auf SAP S/4 Hana?

Damit ist die Aareal Bank aber trotzdem schon deutlich weiter als andere Finanzinstitute. Bei diesen droht der Ausbruch des Coronavirus die Umstellung nun noch weiter zu verzögern – wegen der Verlegung der Mitarbeiter ins Home Office und weil überall nun Kosten für derartige Sonderprojekte streng auf dem Prüfstand stehen.

Philipp Freigang von der FAS warnt aber davor, zu lange mit der Umstellung zu warten: „Gerade angesichts des hohen Kostendrucks, den viele Banken haben, wäre ein baldiger Wechsel sinnvoll, denn das neue ERP-System bietet die Chance, schneller und effizienter zu werden.“

Für Berater ist der komplexe Wechsel auch ein gutes Geschäft, sodass solche Warnungen naturgemäß nicht ganz uneigennützig sind. Aber Fakt ist: Auch wenn die Wartungszusage von SAP für das alte System inzwischen bis 2027 verlängert wurde, ist der Wechsel auf S/4 Hana ohnehin obligatorisch. Und bei größeren, international verzweigteren Häusern als der Aareal Bank kann die die Umstellung teilweise mehrere Jahre in Anspruch nehmen.

julia.schmitt[at]finance-magazin.de

Info

SAP hat sein neues ERP-System SAP S/4 Hana auf den Markt gebracht – und bewirbt die neuen Möglichkeiten. Für viele Unternehmen ist die erzwungene Umstellung aber erst einmal stressig und teuer. Erfahrungsberichte und Ratgeber finden Sie auf unserer Themenseite zu SAP S/4 Hana.

Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.