Einer der weltweit etabliertesten Standards für freiwillige Nachhaltigkeitsberichte bekommt ein Facelift. Die Global Reporting Initiative (GRI) hat die aus ihrer Sicht umfassendsten Änderungen am GRI-Standard seit dem Jahr 2016 herausgegeben. In Kraft treten sie ab 2023, eine frühere Umsetzung ist explizit erwünscht. Weltweit stützen sich rund 10.000 Unternehmen bei ihren Nachhaltigkeitsberichten auf die Vorgaben der GRI.
Doch was ändert sich konkret? Da wäre zunächst einmal der Umfang. „Früher konnten Unternehmen zwischen einer umfassenden und einer auf Kernthemen fokussierten Berichterstattung wählen“, erklärt Thomas Wagner, Partner bei der Nachhaltigkeitsberatung Akzente. Diese Option fällt nun weg, es wird künftig nur noch eine Variante geben – und die fällt deutlich umfassender aus als die frühere Kernvariante.
„Konkret wurden verpflichtende Standardangaben, etwa bezogen auf die Einhaltung von Menschenrechten oder auch das Thema Unternehmensführung, verschärft“, erklärt der Experte, der am Konsultationsprozess im Vorfeld der Aktualisierung beteiligt war. Ein Beispiel für eine nun erforderliche Angabe aus dem Governance-Bereich: „Unternehmen müssen nach GRI-Standard künftig das Verhältnis zwischen dem Höchstbezahlten und der Vergütung der Mitarbeiter im Median offenlegen“, so Wagner. Das dürfte bei dem Management des ein oder anderen Unternehmens durchaus für Stirnrunzeln sorgen, erwartet er.
ESG-Reporting: GRI fordert kontinuierliches Risikomanagement
Bei ESG-Themen, die nicht standardmäßig berichtet werden müssen, führen Unternehmen bislang eine Wesentlichkeitsanalyse durch. Berichtet wird, was eine hohe Relevanz für die Stakeholder oder große Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft hat. Die Regeln dafür, wie diese Analyse ablaufen soll, seien bislang allerdings zu vage, deshalb habe sich ein „Wildwuchs“ an unterschiedlichen Vorgehensweisen gebildet, moniert Wagner. Das soll im überarbeiteten Standard nun klarer geregelt werden. Zudem fällt die Stakeholder-Perspektive als einzelnes Entscheidungskriterium für die Relevanz eines Themas weg.
„Die Betrachtung erfolgt bislang stichtagsbezogen. Hier sieht der neue GRI-Standard nun eine massive Änderung vor.“
Thomas Wagner, Akzente
Hinzu kommt: „Diese Betrachtung erfolgt außerdem bislang stichtagsbezogen. Hier sieht der neue GRI-Standard nun eine massive Änderung vor“, erklärt der Experte. Erwartet wird künftig ein kontinuierliches Chancen- und Risikomanagement. „Es muss in den Berichten dann nicht nur über die Themen berichtet werden, die für das jeweilige Unternehmen im Jahresverlauf relevant sind. Es muss bald auch der Prozess, mit dem diese Risiken laufend kontrolliert werden, beschrieben werden.“
ISSB, EFRAG: Wirrwarr an ESG-Reporting-Standards
Der Zeitpunkt für das Update des GRI-Standards ist kein Zufall. Derzeit formieren sich an verschiedenen Stellen Gremien, die an neuen Reporting-Standards arbeiten wollen – und zwar an solchen, die eben nicht freiwillig sind. In Frankfurt wird etwa das neue International Sustainability Standard Board (ISSB) an internationalen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung arbeiten.
Doch es wird noch komplizierter: Auf EU-Ebene wiederum arbeitet die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) an der Entwicklung von Standards, die im Zuge der neuen Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) Anwendung finden sollen. Diese neue Richtlinie wird in Deutschland ab 2023 dafür sorgen, dass rund 15.000 Unternehmen über Nachhaltigkeitsthemen berichten müssen.
Hier gibt es den ersten Anknüpfungspunkt zur GRI: Die arbeitet nämlich mit der EFRAG zusammen an der Entwicklung dieser Standards. „Es ist deshalb davon auszugehen, dass viele Vorgehensweisen aus dem GRI-Standard in diesem verpflichtenden EU-Standard übernommen werden“, erklärt Thomas Wagner. Deshalb mache die Aktualisierung seitens der GRI gerade jetzt Sinn.
Wunsch nach einheitlichem Standard
Wie die verschiedenen Standards letztlich ineinandergreifen, ist bislang aber noch völlig offen. „Im Markt ist der Wunsch groß, dass sich die verschiedenen Akteure gut abstimmen und wir global vergleichbare Vorgaben bekommen“, sagt Wagner. Bis es soweit ist, müssen CFOs sich noch mit dem Standard-Wirrwarr abfinden.
antonia.koegler[at]finance-magazin.de
Antonia Kögler ist Redakteurin bei FINANCE und Chefin vom Dienst bei DerTreasurer. Sie hat einen Magisterabschluss in Amerikanistik, Publizistik und Politik und absolvierte während ihres Studiums Auslandssemester in Madrid und Washington DC. Sie befasst sich schwerpunktmäßig mit Finanzierungsthemen und verfolgt alle Entwicklungen rund um Green Finance und Nachhaltigkeit in der Finanzabteilung.