Nach spektakulären Pleiten wie German Pellets und Steilmann und dem Zinsverzug bei dem Großemittenten KTG Agrar steckt der Markt für Mittelstandsanleihen in einer Existenzkrise. Eine Mitschuld an den hohen Ausfallraten tragen auch die Banken und Finanzberater, die die Unternehmen an den Mini-Bond-Markt gebracht haben, die später in die Insolvenz rutschten.
FINANCE hat 164 Mini-Bond-Platzierungen untersucht, um herauszuarbeiten, welche Emissionsbegleiter besonders viele Ausfälle mit zu verantworten haben und welchen offenbar eine bessere Emittentenselektion gelungen ist. Berücksichtigt wurden nur diejenigen Banken und Finanzierungsberater, die an mindestens vier Emissionen beteiligt waren. Sei es als Berater, Bookrunner, Joint-Bookrunner oder auch in technischer Funktion als Selling Agent oder Zahlstelle.
Oddo Seydler ist Marktführer bei Mittelstandsanleihen
Gemessen an der bloßen Anzahl an Emissionen ist die deutsch-französische Bank Oddo Seydler (ehemals Close Brothers Seydler), die große Ambitionen im deutschen Mittelstandsgeschäft hegt, der unumstrittene Marktführer bei Mini-Bonds. Seydler war auch die Emissionsbank, die gemeinsam mit dem Autozulieferer Dürr dem Mini-Bondsegment 2010 mit einer sehr erfolgreichen Emission den Weg ebnete. Insgesamt 42 Mittelstandsanleihen hat die Mannschaft von René Parmantier bei privaten und institutionellen Anlegern platziert.
Auf dem zweiten Platz folgt mit großem Abstand und 18 Transaktionen die Finanzierungsberatung Conpair, knapp dahinter liegt – inklusive der Tochter Scala Corporate Finance – der Finanzdienstleister FMS mit 18 Deals. Auf den weiteren Plätzen folgen Equinet (15), die Quirin Bank (13) und Steubing (12).
Die Wertpapierhandelsbank Steubing hat sich vergangenes Jahr aus dem Segment zurückgezogen. Das gesamte damalige Engagement betreut laut eines Steubing-Sprechers inzwischen die Quirin Bank, zu der die führenden Köpfe des einstigen Steubing-Mini-Bond-Teams gewechselt sind. Die übrigen Emissionen verteilen sich auf die Dero Bank (ehemals VEM Aktienbank) mit 11 Emissionen, die Wertpapierhandelsbank Schnigge (10), die Finanzierungsberatung Dicama (9), ICF Bank (8), Wegerich & Cie (früher Youmex, 7 Emissionen) und Fion (6). Bei Dicama sind es neun vom Unternehmen offiziell bestätigte Transaktionen.
Blättchen & Partner brachte insgesamt fünf Mini-Bonds an den Markt. Blättchen FA um den Finanzierungsberater Wolfgang Blättchen, der 2010 bei Blättchen & Partner ausschied, begleitete ebenfalls fünf Transaktionen. Den Abschluss bilden mit jeweils vier Transaktionen die Acon Actienbank, das Bankhaus Lampe und das Investmenthaus GBC. Abgesehen von der IKB (zehn Emissionen) ist unter den Emissionsbanken keine einzige der relevanten Großbanken zu finden.
Bei FMS, Oddo Seydler und Quirin gibt es die meisten Pleiten
Die Großbanken haben das Feld der Mittelstandsanleihen den kleinen Wertpapierhandelsbanken und Beratungsboutiquen überlassen. Im Nachhinein war dies aus Image-Gesichtspunkten wohl eine kluge Entscheidung, denn von den 164 emittierten Anleihen haben FINANCE-Recherchen zufolge die dahinter stehenden Unternehmen in 34 Fällen Insolvenz angemeldet. Manch ein insolventes Unternehmen hatte mehrere Anleihen begeben. Dies entspricht einer Insolvenzquote von nahezu 20 Prozent.
Die meisten in einem echten Default geendeten Anleiheemissionen begleitete mit acht Transaktionen FMS. Von Oddo Seydler begleitete Anleihen endeten in sechs Fällen mit der Insolvenz des Emittenten, bei der Quirin Bank waren es vier Emissionen. FMS war einer der insgesamt sechs sogenannten BondM-Coaches an der Stuttgarter Börse. Wie Steubing haben sich auch die Schwaben inzwischen aus dem Mini-Bond-Markt zurückgezogen und betreuen im BondM-Segment nur noch Restbestände ihres einstigen Kundenportfolios.
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Die Mini-Bond-Pleiten und ihre Emissionsbegleiter
Quelle: FINANCE-Recherchen und Unternehmensangaben (Stand Juni 2016)
FMS war nach eigenen Angaben der Coach von Centrosolar, Solen (ehemals Payom), Solarwatt sowie die beiden Windreich-Anleihen, die allesamt ausgefallen sind. Beim unter dubiosen Umständen abgestürzten Ökostrominvestor MBB Clean Energy hatte FMS als Listingpartner lediglich eine technische Funktion.
Bei Oddo Seydler ist anzumerken, dass drei der sechs ausgefallenen Anleihen von dem Modehändler Steilmann begeben wurden. Hinzu kommen mit Strenesse ein weiterer Mode-Bond und die beiden Ausfälle von Friedola Holzapfel und Zamek. Auch bei der Quirin Bank entfallen drei von vier Ausfällen auf ein und denselben Emittenten – German Pellets. Bei Schnigge verteilen sich die ausgefallenen Anleihen dagegen auf drei unterschiedliche Unternehmen: Steilmann, SAG Solarstrom und Schneekoppe.
GBC hat die höchste Insolvenzquote bei Mini-Bonds
Stellt man die Insolvenzfälle in Relation zur Anzahl der begleiteten Emissionen, so weist GBC mit 50 Prozent die höchste Insolvenzquote aus. Eine FINANCE-Anfrage zur Stellungnahme und Kommentierung ließ GBC unbeantwortet. Die zweithöchste Insolvenzquote weist mit 47 Prozent FMS auf, Blättchen & Partner kommt auf 40 Prozent. Es folgen die Quirin Bank und Schnigge mit 31 beziehungsweise 30 Prozent. Schnigge betonte jedoch, dass man bei Steilmann und SAG Solarstrom lediglich eine technische und keine beratende Funktion inne hatte. Gleiches gilt nach eigener Aussage für die IKB bei einem der ebenfalls ausgefallenen Rena-Bonds.
Die niedrigste Insolvenzquote erreicht mit 9 Prozent die Dero Bank (ehemals VEM Aktienbank), die jedoch hauptsächlich Immobilien-Anleihen begleitet hat und damit eine Branche bedient, die bisher größtenteils von Pleiten verschont blieb, weil die hinter den Bonds stehenden Geschäftsmodelle deutlich risikoärmer sind. Der Marktführer Oddo Seydler profitiert von seiner hohen Transaktionszahl und kommt auf eine Insolvenzquote von unterdurchschnittlichen 14 Prozent. Mit der ICF Bank, Fion und dem Bankhaus Lampe gibt es lediglich drei Emissionshäuser mit einer Insolvenzquote von 0 Prozent.
Blättchen und Oddo Seydler: Je zwei Bonds in Restrukturierung
Dass keiner „ihrer“ Emittenten Insolvenz anmelden musste, bedeutet allerdings noch lange nicht, dass die Bank eine weiße Emissionsweste besitzt. Denn dank des hierzulande gültigen, emittentenfreundlichen Schuldverschreibungsgesetzes können angeschlagene Mini-Bond-Emittenten ihre Anleihen außergerichtlich restrukturieren. Mit Scholz, Singulus, Karlie, Ekotechnika und Ekosem Agrar (mit zwei betroffenen Anleihen) befinden sich derzeit fünf Unternehmen in solch einem Verfahren. Blättchen & Partner (Scholz, Karlie) sowie Oddo Seydler (Scholz, Singulus) haben jeweils zwei dieser Emissionen an den Markt gebracht, wobei Oddo Seydler bei Scholz nach eigener Aussage lediglich bei der Aufstockung der Anleihe beteiligt war. Die beiden Ekosem-Bonds wurden von Fion begleitet, das Ekotechnika-Papier von der Frankfurter Investmentbank Equinet, die auch bei einer der Ekosem-Anleihen mitwirkte.
Eine weitere Kategorie zwischen den lupenreinen Defaults und den wie geplant performenden Anleihen bildet die Vielzahl von Anleihen, die derzeit unter 70 Prozent ihres Ausgabekurses notieren und bei denen die Investoren zum Teil erhebliche Zweifel an der Rückzahlung haben. Hier wackeln mit vier Titeln in erster Linie "Oddo-Seydler-Bonds" (Alno, Laurèl, Rickmers, Sympatex). Wegerich & Cie bereiten die beiden Bonds von KTG Agrar sowie die Anleihe von Beate Uhse Sorgen. Auch FMS (Peine und René Lezard) und Dicama (BDT Media und Herbawi) drohen womöglich noch weitere Ausfälle. Insgesamt notieren derzeit 13 der 164 Mittelstandsanleihen unter 70 Prozent. Mit weiteren Ausfällen oder Anleiherestrukturierungen ist also zu rechnen.
Bankhaus Lampe und ICF Bank haben weiße Weste
Bei 34 in der Insolvenz geendeten Bondemissionen, acht Anleihen in einer außergerichtlichen Restrukturierung und derzeit 13 Papieren mit einem Kurs von weniger als 70 Prozent des Ausgabepreises bleiben 109 nach aktueller Markteinschätzung weitgehend gesunde Mini-Bonds übrig – auch wenn dort bei weitem nicht alle Papiere auf oder über ihrem Nennwert notieren, was „gesunde“ Papiere angesichts der rückläufigen Zinsentwicklung eigentlich tun sollten. Besonders bitter liest sich der Track-Record von Blättchen & Partner: Die Münchener können derzeit keinen einzigen „gesunden“ Bond vorweisen. Eine weiße Weste – also ohne Ausfälle, Restrukturierungen und Wackelkandidaten – haben lediglich zwei Banken: Die ICF Bank (8 Emissionen) und das Bankhaus Lampe (4 Emissionen).
Während die ICF Bank drei Immobilienbonds begleitet hat, verdankt das Bankhaus Lampe seine weiße Weste keinem Immobilienfokus. Die Bielefelder Privatbank stieg nach eigenen Angaben jedoch erst 2013 in das Geschäft ein, als viele der heute insolventen Mini-Bond-Emittenten bereits am Markt waren. Das Bankhaus Lampe begleitete seitdem zwar verhältnismäßig wenige Anleihen. Diese entwickeln sich jedoch alle positiv: Sowohl der Süßigkeitenhersteller Katjes International als auch die Brauerei Karlsberg konnten ihre Bonds zuletzt trotz schwieriger Marktlage durch die Ausgabe neuer Anleihen refinanzieren. Mit DIC Asset gehört aber auch bei Lampe einer der gesunden Bonds zur Immobilienbranche.
Bei aller Mini-Bond-Schelte darf jedoch nicht vergessen werden, dass es zuletzt auch einige positive Meldungen aus dem Markt für Mittelstandsanleihen gab. Neben Katjes und Karlsberg konnte auch der Spirituosenhersteller Underberg (Oddo Seydler und Conpair) einen neuen Bond begeben. Der Bundesligist Schalke 04 will seine 2012 begebene Anleihe vorzeitig zurückzahlen und emittiert dafür ein neues Papier in zwei Tranchen. Emissionsbegleiter ist wie schon beim ersten Schalke-Bond die Equinet Bank. Bei den Mittelstandsanleihen trennt sich langsam, aber sicher die Spreu vom Weizen.
Info
Alle Höhen und Tiefen der Mini-Bonds finden Sie zum Nachlesen auf unserer FINANCE-Themenseite zu Mittelstandsanleihen.