Der unmittelbare Crash ist abgewendet, doch dauerhafte Entspannung gibt es nicht: Tom Tailor muss weiterhin um eine langfristige Finanzierung bangen. Die im Juni abgeschlossene Brückenfinanzierung, die in dieser Woche ausgelaufen wäre, wurde bis Mitte September verlängert. Die acht Konsortialbanken und der chinesische Großaktionär Fosun hatten sich im Juni bereiterklärt, eine Brückenfinanzierung über 48,5 Millionen Euro zu stellen. 18,5 Millionen Euro kamen über ein Darlehen von Fosun, die Banken stellten eine Akkreditivlinie über 30 Millionen Euro, damit das Modehaus weiterhin Waren ordern kann. Zudem wurde eine Ende Juni fällige Tilgungsrate über 7,5 Millionen Euro bis Mitte August ausgesetzt.
Alle Bestandteile dieser Vereinbarung wurden nun um wenige Wochen bis Mitte September verlängert. Bis dahin soll eine unabhängige Experteneinschätzung über Wirtschaftslage und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Modehauses (Independent Business Review) vorliegen. Auf deren Basis soll dann eine Einigung über „die finale Finanzierungsstruktur und die Beiträge der jeweiligen Parteien“ erzielt werden.
Für das Management um CFO Thomas Dressendörfer bleibt die Lage damit herausfordernd. Durch die langen Vorlaufzeiten bei Bestellungen in der Modebranche sind langfristige Finanzierungsstrukturen für Lieferanten und auch Einkäufer eine wichtige Basis für die Zusammenarbeit.
Tom Tailor legt Zahlen für zweites Quartal vor
Immerhin enthält die jüngste Mitteilung auch versöhnliche Töne: „Die Konsortialbanken und Fosun befinden sich hinsichtlich der finalen Finanzierungsstruktur weiterhin in konstruktiven Gesprächen“, heißt es. Ein solcher Hinweis fehlte in der vorangegangenen Meldung aus dem Juni. Dort war nur von einer ersten Einigung bezüglich der Finanzierung die Rede.
Wenn die Verhandlungen über die langfristige Finanzierung abgeschlossen sind, will Tom Tailor auch den lange erwarteten vollständigen Jahresabschluss für das Jahr 2018, die Quartalsmitteilung für das erste Quartal 2019 und den Halbjahresbericht 2019 veröffentlichen. Einen ersten Eindruck über die Entwicklung der zurückliegenden Monate geben bereits jetzt die am Mittwochabend veröffentlichten vorläufigen Zahlen für das zweite Quartal. Sie zeigen: Eine Restrukturierung ist nötig, denn auch operativ spürt Tom Tailor Gegenwind.
Sorgenkind Bonita mit negativem Ebitda
Es zeigt sich, dass insbesondere der gescheiterte Verkauf des Sorgenkinds Bonita für die Tom-Tailor-Gruppe, die die Marken Tom Tailor und Bonita umfasst, eine Belastung ist. Der geplante Verkauf der Marke war geplatzt, weil die Konsortialbanken dem M&A-Deal nicht mehrheitlich zustimmen wollten. Bonita erzielte im zweiten Quartal 2019 nach vorläufigen Zahlen einen Umsatz von 49,9 Millionen Euro und damit deutlich weniger als noch im Vorjahreszeitraum (69,6 Millionen Euro). Das operative Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) fiel sogar negativ aus: Nach einem Plus von 10,3 Millionen Euro im Vorjahresquartal fällt im zweiten Quartal 2019 ein Minus von 1,9 Millionen Euro an.
Operativ besser lief es für die Kernmarke Tom Tailor: Der Umsatz legte im zweiten Quartal 2019 um 3,7 Prozent auf 145,1 Millionen Euro zu ( im zweiten Quartal 2018 lag der Umsatz bei 139,9 Millionen Euro). Damit wuchs die Marke Unternehmensangaben zufolge auch stärker als der deutsche Modemarkt insgesamt, der zwischen April und Juni dieses Jahres im Durchschnitt um über 2 Prozent geschrumpft sei.
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Allerdings schlugen die langwierigen Finanzierungsverhandlungen und Filialschließungen sowie höhere Ausgaben für Personal und IT auf das Ebitda der Marke durch: Dieses sank – vor Anwendung von IFRS 16 und damit auf vergleichbarer Basis zum Vorjahr – im zweiten Quartal auf 6,3 Millionen Euro und halbierte sich damit gegenüber dem zweiten Quartal 2018 (12,4 Millionen Euro).
Finanzierungsverhandlungen drücken auf Ergebnis
Auch auf Gruppenebene sind die Auswirkungen der laufenden Finanzierungsverhandlungen und die Schließung unprofitabler Stores auf das Ergebnis sichtbar. Ebenfalls belastend für die Organisation war die Mehrheitsübernahme durch Großaktionär Fosun. Die Chinesen hatten im Zuge einer Kapitalerhöhung die 30-Prozent-Schwelle bei Tom Tailor überschritten und daraufhin ein Übernahmeangebot von 2,31 Prozent je Aktie unterbreitet. Der chinesische Konzern hält nun rund 77 Prozent der Anteile.
Das zweite Quartal 2019 endete für die Tom Tailor Group insgesamt mit einem Umsatz von 195,1 Millionen Euro (Vorjahresquartal: 209,5 Millionen Euro). Deutlich dramatischer ist der Rückgang beim Ebitda, das auf Gruppenebene nur noch bei 4,5 Millionen Euro liegt und damit nur noch etwa ein Fünftel des Vorjahresergebnisses beträgt (Q2-2018: 22,7 Millionen Euro).
Tom Tailor ist nicht das einzige Modeunternehmen, das derzeit zu kämpfen hat. Die Traditionsmarke Gerry Weber stellt sich über einen Insolvenzplan neu auf, die frühere Tochter Hallhuber wurde verkauft. Anfang Juli musste das Label Strenesse zum zweiten Mal Insolvenz anmelden, wenige Tage später ging diesen Weg auch René Lezard.
Info
Näheres über den Tom-Tailor-CFO, der die aktuelle Gemengelage überblicken muss, finden Sie im FINANCE-Köpfe-Profil von Thomas Dressendörfer. Mehr über die wechselvolle Unternehmensgeschichte seines Arbeitgebers finden Sie auf unserer Themenseite zu Tom Tailor. Welche Unternehmen sonst noch daran arbeiten, aus dem Krisenmodus zu kommen, und wie sie dies bewerkstelligen, lesen Sie auf unserer Themenseite Restrukturierung.