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KPMG versagt Windeln.de Bilanztestat

Der Versandhändler von Baby-Zubehör Windeln.de ist in der Krise. Foto: Юлия Клюева - adobe.stock.com
Der Versandhändler von Baby-Zubehör Windeln.de ist in der Krise. Foto: Юлия Клюева - adobe.stock.com

Die Lage bei Windeln.de spitzt sich zu: Die Abschlussprüfer verweigern dem Online-Händler das Bilanztestat. KPMG werde „voraussichtlich im Laufe dieser Woche“ Versagungsvermerke für den Jahres- und Konzernabschluss 2022 erteilen, heißt es in einer Mitteilung von Windeln.de. Es bestünden Zweifel an der Annahme der Fortführung der Unternehmenstätigkeit (going concern), nachdem die geplante Kapitalerhöhung Anfang Juli abgebrochen werden musste.

Die Kapitalerhöhung sollte dem Unternehmen eigentlich die dringend benötigte Luft verschaffen. Zwei Investoren aus China hatten sich verpflichtet, neue Aktien im Wert von 5,5 Millionen Euro zu erwerben. Mehrfach wurde die Bezugsfrist verlängert, da die beiden Investoren wegen neuer Corona-Einschränkungen in China mehr Zeit brauchten – doch letztlich konnten sie ihren Zusagen nicht nachkommen, sodass Windeln.de die Kapitalerhöhung abbrechen musste.

Windeln.de: „Sind weder zahlungsunfähig noch überschuldet“

Andere Investoren konnten auch nicht gewonnen werden. Der Vorstand versprach daraufhin, seine Bemühungen, neue Investoren zu finden, „noch einmal zu verstärken“ – doch das ist im vergangenen Monat offenbar nicht gelungen. Die Veröffentlichung des testierten Jahresabschlusses musste Windeln.de schon einmal verschieben, nachdem die Bezugsfrist für die Kapitalerhöhung verlängert worden war. Die Finanzspritze war Voraussetzung für das Testat des Abschlussprüfers.

Trotz der abgesagten Kapitalerhöhung sei Windeln.de „weiterhin weder zahlungsunfähig noch überschuldet im insolvenzrechtlichen Sinne“, betont das Unternehmen. „Der Vorstand wird weiterhin kritisch prüfen, ob dieser Zustand fortbesteht. Zudem prüft der Vorstand intensiv, welche weiteren Möglichkeiten der Aufnahme weiterer Finanzmittel bestehen.“ Ende Juni 2022 lag die Liquidität bei 2,6 Millionen Euro.

Windeln.de kämpft mit Umsatzeinbruch

Die geprüften Jahres- und Konzernabschlüsse werden vorgelegt, sobald sie vom Aufsichtsrat gebilligt sind, präzisiert Windeln.de. Im Mai hatte das Unternehmen untestierte Zahlen für 2021 vorgelegt. Der Gesamtumsatz ging von 76,1 Millionen Euro auf 52,1 Millionen Euro zurück. Alleine im China-Geschäft sind die Umsätze um 32 Prozent auf 37,9 Millionen Euro gesunken. Auch im ersten Halbjahr 2022 ging der Umsatz um 18 Prozent auf 23,2 Millionen Euro zurück.

In China macht dem Unternehmen unter anderem eine mangelnde Verfügbarkeit bestimmter Produkte zu schaffen, zudem drücke die Ukraine-Krise auf die Kauflaune vieler Kunden. Mit Blick auf das zweite Quartal konnte immerhin ein leicht positives bereinigtes Ergebnis ausgewiesen werden, nachdem im Vorjahresquartal noch ein Minus zu Buche stand. Der Vorstand halte weiterhin an der Prognose fest, im Gesamtjahr 2022 „ein sehr stark verbessertes bereinigtes Ergebnis zu erzielen“. Das Unternehmen hatte sich zuletzt darum bemüht, seine Betriebs- und Verwaltungskosten zu senken.

Wirtschaftsprüfer verweigern öfter Testate

In den vergangenen Monaten machten Wirtschaftsprüfer öfter denn je von sich reden, weil sie Testate verweigerten oder Prüfungen ausweiteten. So kämpft beispielsweise Singulus immer noch um das Testat für den Jahresabschluss 2020. Hintergrund war auch hier die Sorge von KPMG um eine nicht ausreichend gesicherte Fortführungsprognose. Zunächst knüpfte der Prüfer das Testat an eine Finanzspritze, doch auch nachdem diese erfolgt war, forderten die Prüfer zusätzliche Prüfungsunterlagen an – bis heute gibt es noch kein Testat.

Andere jüngere Beispiele betreffen etwa den Wäschehersteller Wolford, der die Veröffentlichung des Jahresabschlusses verschieben musste, nachdem der Wirtschaftsprüfer mitgeteilt hatte, „dass der geplante Termin wegen des nicht rechtzeitigen Erhalts von Prüfungsunterlagen nicht eingehalten werden kann“. Auch Gerry Weber oder Ekosem-Agrar mussten ihre Investoren zuletzt vertrösten. Für besonders viel Aufruhr sorgte im Mai der Versagungsvermerk für Adler von KPMG.

Marktteilnehmer glauben, dass Bilanzskandale wie Wirecard und die damit einhergehende stärkere Haftung von Wirtschaftsprüfern bei Fehlern zu einer strengeren Prüfung geführt haben könnten. Gleichzeitig haben wirtschaftliche Krisen, wie sie durch Corona oder den Ukraine-Krieg ausgelöst wurden, viele Unternehmen in finanzielle Bedrängnis gebracht – hier sind Wirtschaftsprüfer derzeit besonders sensibilisiert.

julia.schmitt[at]finance-magazin.de

Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.