Die Zahl der Großinsolvenzen im ersten Halbjahr zeigt ein düsteres Bild: Mit insgesamt 87 Großinsolvenzen in den ersten sechs Monaten wurde der Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre um 32 Prozent übertroffen. Nur im ersten Corona-Jahr 2020 gab es mit 110 Anträgen mehr Insolvenzen pro Halbjahr.
Konkret wurden im zweiten Quartal 43 Insolvenzanträge gestellt. Das ist zwar ein Fall weniger gegenüber dem Vorquartal, der Fünfjahresdurchschnitt liegt jedoch bei lediglich 35 Insolvenzen. Ebenso sind die Antragszahlen zum Vorjahreszeitraum um 10 Prozent (39 Fälle) gestiegen.
Das geht aus dem aktuellen Insolvenz-Report hervor, für den die Restrukturierungsberatung Falkensteg exklusiv für FINANCE die Großinsolvenzen von Unternehmen mit einer Umsatzgröße ab 20 Millionen Euro ausgewertet hat.
FTI Touristik größte Insolvenz bisher
Auch auf die zweite Jahreshälfte blickt Studienautor und Restrukturierungsexperte Jonas Eckhardt kritisch: „Das zweite Halbjahr verspricht einen Sturm von Firmenpleiten. Zumal die zweite Jahreshälfte immer deutlicher höhere Fallzahlen aufweist.“
Zu der am Umsatz gemessen größten Insolvenz im ersten Halbjahr zählt FTI Touristik, gefolgt von der Weltbild-Gruppe und Esprit Europe. In der Branchenauswertung der Großverfahren liegen die Automobilzulieferer vorne, gefolgt vom Einzelhandel, den Modeunternehmen, der Gebäudebranche und dem Gesundheitssektor. Die Fälle in der Immobilienbranche reduzierten sich im zweiten Quartal von zehn auf null.
Auffällig ist, dass die Verfahren Insolvenz in Eigenverwaltung und Schutzschirm immer seltener genutzt werden. Nur jedes dritte Verfahren wird mit den Sanierungsinstrumenten beantragt. Vor einem Jahr lag die Quote im zweiten Quartal noch bei 45 Prozent. Auch in den Vorjahren wurden die Verfahren häufiger genutzt – damals gab es im Markt auch die Befürchtung, dass das Verfahren missbraucht wird. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass solche Verfahren strengere Anmeldungskriterien haben.
Insolvenzlösung: wieder mehr Asset Deals
Als Lösung aus der Insolvenz dominierte im zweiten Quartal der Asset Deal: Von 19 erfolgreichen Verfahrensausgängen entfielen 16 auf Asset Deals. Damit stiegen die Verkäufe aus der Insolvenz um 45 Prozent im Vergleich zum Vorquartal. Die Insolvenzplanlösungen haben sich dagegen von sechs auf drei halbiert. Leicht rückläufig ist die Zahl der Verfahren, in denen das endgültige Aus droht. Sieben Unternehmen mussten ihren Geschäftsbetrieb vorzeitig einstellen – ein Minus von zwei Fällen im Vergleich zum Vorquartal.
Mehr Details zum Insolvenzgeschehen sowie ein Interview mit Jürgen Matthes, Leiter Internationale Wirtschaftspolitik, Finanz- und Immobilienmärkte am Institut der deutschen Wirtschaft Köln, lesen Sie im aktuellen Insolvenz-Report.
Sarah Backhaus ist Redakteurin bei FINANCE und DerTreasurer. Backhaus ist spezialisiert auf die Themen Restrukturierung, Transformation, Zahlungsverkehr und Cash Management. Sie hat Journalismus an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln studiert. Sarah Backhaus arbeitete während ihres Studiums unter anderem für Onlinemagazine von Gruner + Jahr und schrieb als freie Journalistin für die Handelszeitung, faz.net und Impulse.