Im September 2016 übernahm Triton Partners Voith Industrial Services – mit einem klaren Ziel: Gemeinsam mit dem Private-Equity-Investor sollte die ehemalige Servicesparte des Anlagenbauers Voith ein „weltweit führendes, industriefokussiertes Dienstleistungsunternehmen“ werden. Die nächsten Schritte nach der Übernahme waren klar: IT-Carve-out, Rebranding, Anpassungen in der zweiten Führungsebene – und dann die große M&A-Offensive.
Bereit für Letzteres war die Sparte, die heute unter dem Namen Leadec geführt wird, gegen Ende 2019. 2020 wollte Triton daher mit den Add-on-Akquisitionen starten – doch dann kam Corona. Keine einfache Zeit für einen Industriedienstleister, der noch mehrheitlich in der Automobilindustrie tätig ist. „Das Jahr hatte ganz gut angefangen. Aufgrund unserer globalen Aufstellung haben wir die ersten Auswirkungen der Coronakrise dann aber schon recht früh gespürt“, erinnert sich Leadec-Finanzchef Christian Geißler zurück.
Auf dem vorläufigen Höhepunkt der Krise, im April 2020, waren rund zwei Drittel der Kundenwerke komplett geschlossen, berichtet der CFO – ein Horrorszenario für den Dienstleister, dessen Geschäftsmodell unter anderem die Installation, Wartung und Reinigung von Fabriken umfasst. Sind die Anlagen nicht in Betrieb, sind dort in der Regel auch keine größeren Wartungen oder Reinigungen notwendig.
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Im Mai 2016 gab Triton die Übernahme von Voith Industrial Services (heute Leadec) bekannt. Damals erzielte die Sparte rund 1 Milliarde Euro Umsatz. der Kaufpreis ist nicht bekannt, in Marktkreisen kursierte ein kolportierter Unternehmenswert von 350 Millionen Euro. Heute beschäftigt die Stuttgarter Firma rund 18.000 Mitarbeiter weltweit, 2020 lag der von Corona getroffene Umsatz bei 830 Millionen Euro. Im vergangenen Jahr kaufte Leadec einige kleine regionale Spezialisten, darunter den technischen Dienstleister Precis. Diversified Automation ist die bisher größte Übernahme der Stuttgarter.
Umsatz von Leadec halbierte sich im April 2020
Dennoch hat der Konzern in dieser Zeit noch nennenswerte Umsätze erwirtschaftet: „Es gibt Anlagen, die grundsätzlich nicht abgeschaltet werden, diese müssen regelmäßig überprüft werden. Zudem haben viele Unternehmen aufgeschobene Wartungsarbeiten erledigen lassen, als die Werke geschlossen waren, oder zusätzliche Reinigungsleistungen zum Infektionsschutz in Auftrag gegeben“, so CFO Geißler. Hier habe Leadec weiterhin Einnahmen generieren können. Trotzdem brach der Umsatz im April 2020 um die Hälfte ein.
Um die finanziellen Schäden der Krise so gering wie möglich zu halten, setzte Leadec eine Corona-Taskforce ein – und arbeitete währenddessen eng mit dem Eigentümer Triton zusammen. „Zu Beginn der Krise hatten wir wöchentliche Calls, in denen wir Maßnahmen zur Bewältigung der Krise definiert haben“, sagt Stephan Förschle, bei Triton Co-Head des Dienstleistungssektors. Dazu gehörten Kosteneinsparungen – vor allem im Bereich Reise und Personal. Insgesamt hat Leadec rund 65 Millionen Kosten eingespart. Außerdem überwachte die Finanzabteilung die Cash-Entwicklung akribisch, und das Controlling erstellte einen Forecast für das komplette Jahr.
Als sich die Lage stabilisierte, reduzierten Triton und Leadec die Abstimmungszyklen – kein Einzelfall: Viele Private-Equity-Investoren haben ihre Beteiligungen zunächst an die kürzere Leine genommen und regelmäßige Updates eingefordert, sich dann aber wieder zurückgenommen, als die Auswirkungen der Krise sicht- und planbarer wurden. Finanzchef Geißler betont jedoch, dass die operative Führung während der Krise komplett beim Leadec-Management lag.
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„Insgesamt sind wir gut durch die Krise gekommen, vor allem im Vergleich mit anderen Unternehmen, die in der Autobranche aktiv sind – und ohne externe finanzielle Hilfe“, resümiert der CFO. Investmentmanager Förschle sieht zwei Gründe dafür: „Wir haben die Krise zwar früh wahrgenommen, doch ihre Auswirkungen haben wir aufgrund unserer globalen Aufstellung in verschiedenen Rhythmen – und nicht auf einmal – gespürt.“
Leadec wagte während Corona großen Zukauf
Der zweite Grund: Neben der Krisenabwehr beschäftigte sich Leadec auch mit der Anbahnung des bislang größten Zukaufs. Im Januar dieses Jahres gaben die Stuttgarter die Übernahme von Diversified Automation bekannt, einem US-Unternehmen, das Dienstleistungen in der Paketautomatisierung anbietet. Zu dessen Kunden zählen Namen wie UPS, Fedex oder Amazon, der Umsatz liegt bei rund 100 Millionen US-Dollar.
Der M&A-Deal fand fast ausschließlich virtuell statt: „Meine letzte Dienstreise im März 2020 trat ich nach Kentucky zu Diversified Automation an“, berichtet CFO Geißler. Danach habe der komplette M&A-Prozess inklusive der Due Diligence digital stattgefunden. Ähnlich wie bei vielen Transaktionen, die während des Lockdowns in die Wege geleitet oder gar abgeschlossen wurden, kannte das Leadec-Management die US-Firma bereits vor Corona. Das habe den Abschluss der Transaktion über Weihnachten massiv erleichtert.
Triton und Leadec sehen spannende M&A-Targets
Triton Partners
2021 will Finanzchef Geißler mindestens ein weiteres Add-on in einer ähnlichen Größenordnung wie Diversified Automation für Leadec übernehmen. „Wir wollen mehrere Hundert Millionen Euro Umsatz zukaufen“, kündigt er an. „Im vierten Fonds, aus dem Triton auch die Leadec-Übernahme finanziert hat, liege noch ein ‚signifikanter Betrag‘ für Zukäufe bereit“, ergänzt Förschle. Neben den größeren Transaktionen sucht Leadec aber auch nach kleineren, regionalen Spezialisten. Dort hat das Unternehmen nach eigenen Angaben schon konkrete Targets im Visier.
Insgesamt sollen die Zukäufe das Automotive-Exposure von Leadec, das im vergangenen Jahr noch zwischen 75 und 80 Prozent lag, deutlich reduzieren. „Die Branchen Consumer, Food und Beverage sind für uns spannend – also grundsätzlich Dienstleistungsfirmen in Fabriken, in denen größere Stückzahlen produziert werden“, berichtet Finanzchef Geißler.
Diese Firmen suchen Triton und Leadec vor allem in Deutschland, Osteuropa und in den USA. Für diese Zukaufstrategie hat Leadec auch eine eigene M&A-Abteilung aufgebaut. An einen baldigen Exit denkt Triton daher nicht: „Es gibt derzeit keinerlei Exit-Bestrebungen, wir haben ja gerade erst mit unserem Buy-and-Build-Projekt losgelegt. Ich sehe die nächsten Jahre noch viel Potential bei Leadec“, bekräftigt Förschle. Als „Allwetterinvestor“ begleite Triton die Unternehmen durch den gesamten Zyklus, die durchschnittliche Investmentdauer liege bei sechs bis sieben Jahren.
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Noch mehr Hintergrundinformationen zu Finanzinvestoren finden Sie auf der FINANCE-Themenseite Private Equity. Mehr über den Finanzchef der Triton-Beteiligung lesen Sie auf dem FINANCE-Köpfe-Profil von Christian Geißler.
Olivia Harder ist Redakteurin bei FINANCE und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Private-Equity- und M&A-Geschäft. Sie hat Philosophie, Politikwissenschaften, Soziologie und Geographie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen studiert, wo sie auch einen Lehrauftrag innehatte. Vor FINANCE arbeitete Olivia Harder in den Redaktionen mehrerer Wochen- und Tageszeitungen, unter anderem beim Gießener Anzeiger.