Erst ging so gut wie gar nichts mehr, dann trauten sich Unternehmen wieder mit großer Vorsicht, und nun scheint alles wieder wie normal zu laufen: So in etwa lässt sich das Corona-Jahr aus Sicht des M&A-Marktes zusammenfassen. Doch wie genau hat das M&A-Geschäft die Coronakrise überwunden? Welche M&A-Deals laufen derzeit, was geht am Finanzierungsmarkt und welche Branchen sind heißbegehrt?
Antworten auf diese Fragen liefert das neue FINANCE M&A Panel, für das FINANCE gemeinsam mit der Wirtschaftskanzlei CMS leitende Mitarbeiter aus den M&A-Abteilungen deutscher Unternehmen sowie Investmentbanker und M&A-Berater anonym zu ihrer Markteinschätzung befragt hat.
Info
Die Panelergebnisse eingeordnet mit Einschätzungen zum aktuellen Stand am M&A-Markt sowie alles Wichtige zur neuen Investitionskontrolle, heute um 14:00 Uhr im FINANCE-Webinar. Hier geht’s zur Anmeldung.
Corporates sind wieder am M&A-Markt aktiv
Dass der M&A-Markt die Coronakrise mittlerweile größtenteils hinter sich gelassen hat, berichten nicht nur M&A-Berater. Auch auf Unternehmensseite finden sich Indizien dafür, dass Corporates wieder aktiv am M&A-Geschehen teilnehmen, zeigt das FINANCE M&A Panel: Der derzeit wichtigste Deal-Treiber ist mit einem Wert von 7,86 von 10 möglichen Punkten die Erweiterung des Produkt- und Technologieportfolios.
Auf Platz zwei landet die Beschleunigung des Wachstums mit 7,66 Punkten. Auch die Expansion in neue Märkte ist für Corporate-M&Aler derzeit mit 7,14 von 10 Punkten ein wichtiges Motiv für Zukäufe und landet auf dem dritten Platz. Dass die M&A-Profis wieder auf Wachstum und Expansion setzen, ist ein eindeutiger Hinweis darauf, dass die Unternehmen den von Liquiditätssicherung und Sparmaßnahmen geprägten Krisenmodus hinter sich gelassen haben.
Textil und Automotive bleiben M&A-Ladenhüter
„Wir sehen käuferseitig rege Aktivitäten sowohl von Finanzinvestoren als auch von Strategen“, bestätigt Oliver Wolfgramm, Corporate Partner bei CMS, die Ergebnisse des M&A Panels. Eine breite Erholung findet am M&A-Markt aber noch nicht statt: „Die Akquisitionsbereitschaft und -kraft strategischer Investoren steht und fällt derzeit mit den Herausforderungen und Schwierigkeiten, die die Unternehmen aufgrund der Corona-Pandemie haben“, so Wolfgramm.
„Wir sehen käuferseitig rege Aktivitäten sowohl von Finanzinvestoren als auch von Strategen.“
Noch immer zählen zu den attraktivsten Unternehmen solche aus den typischen Corona-Gewinner-Branchen. Die Branchen mit der meisten Deal-Aktivität sind den Einschätzungen der Befragten zufolge demnach Software und IT mit einem Wert von 8,59, Pharma und Healthcare mit einem Wert von 8,07 sowie Handel und E-Commerce mit 7,40, wobei der Wert 10 für eine sehr aktive Branche steht.
Zu den Ladenhütern am M&A-Markt zählen noch immer Unternehmen aus den Branchen Textil und Bekleidung, die mit einem Aktivitätswert von 3,71 auf dem letzten Platz landen. Firmen aus dem Bereich Energie und Bergbau erzielen einen Wert von 4,03, dicht gefolgt von Automotive mit 4,71 Punkten.
Private Equity bereitet Corporates Probleme
Der Wettkampf um attraktive Assets bleibt hoch, und das spiegelt sich auch in den Kaufpreisen wider. Dass in vielen Branchen überhöhte Kaufpreise gezahlt werden, bejahen die befragten Corporates mit dem hohen Wert von 8,40 Punkten (10 = volle Zustimmung). Das ist der höchste Wert seit April 2019, als die Zustimmung der damals Befragten bei 8,38 lag. Auch die Unternehmensbewertungen scheinen die Coronakrise hinter sich gelassen und wieder ihr enormes Vorkrisenniveau erreicht zu haben.
In Finanzierungsschwierigkeiten dürften kaufwillige Strategen aber nicht kommen: Die Verfügbarkeit von Akquisitionsfinanzierungen bewerten die Unternehmensvertreter mit 6,07 von 10 möglichen Punkten. Das ist der höchste Wert seit der Auswertung im Oktober 2017, als der Wert bei 6,20 lag. Zudem bestätigten die M&A-Profis mit einem Wert von 7,34 (10 = vollkommene Zustimmung), dass sie mit ihrer derzeitigen Finanzierungssituation auch größere Transaktionen stemmen können.
Probleme bereiten könnte den Strategen hingegen eine andere Investorengruppe: Private-Equity-Fonds. Zwar waren die Finanzinvestoren in den ersten Monaten der Coronakrise noch mit ihren eigenen Portfolios beschäftigt, wodurch sich ein kleines Zeitfenster für Strategen eröffnete, in dem am M&A-Markt weniger Wettbewerb herrschte. Doch dieses Fenster hat sich längst wieder geschlossen, denn die Finanzinvestoren legen aktuell schneller an Schlagkraft zu als die Strategen. Unternehmen müssen also kreativ werden, wenn sie künftig gegen Private Equity eine Chance haben wollen.
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Bitte einloggenOlivia Harder ist Redakteurin bei FINANCE sowie Chefin vom Dienst bei FINANCE-Online und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Private-Equity- und M&A-Geschäft. Sie hat Philosophie, Politikwissenschaften, Soziologie und Geographie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen studiert, wo sie auch einen Lehrauftrag innehatte. Vor FINANCE arbeitete Olivia Harder in den Redaktionen mehrerer Wochen- und Tageszeitungen, unter anderem beim Gießener Anzeiger.