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Die aktuellen Wackelkandidaten der Mittelstandsanleihen

KTG Agrar, Karlie und Beate Uhse: Diese Mittelstandsanleihen schocken derzeit ihre Investoren.
Purestock / Thinkstock / GettyImages

Vor fast einem Jahr hat FINANCE den Markt für Mittelstandsanleihen nach Wackelkandidaten durchsucht. Seitdem befinden sich einige wenige Mini-Bond-Emittenten wie Singulus und Sympatex auf dem Weg der Genesung, Modebonds wie Renè Lezard oder More&More kriseln dagegen weiter. 

Problematisch für das Marktsegment ist jedoch, dass seit August 2015 schon wieder eine Reihe neuer Emittenten hinzu gekommen ist, deren Bonds in schweres Fahrwasser geraten sind. 

KTG Agrar und Beate Uhse bereiten Anlegern Sorgen

Die größten Sorgen bereitet den Investoren derzeit KTG Agrar mit seinen beiden Bonds im Gesamtvolumen von rund 350 Millionen Euro. Nachdem der Agrarkonzern um CEO/CFO Siegfried Hofreiter Anfang vergangener Woche seine Zinsen nicht fristgerecht bezahlen konnte, stürzten die beiden Bonds auf 24 Prozent (Anleihe 11/17) und 18 Prozent (14/19) ab. Dass eine Anleihe des bereits seit Ende März insolventen Modehändlers Steilmann derzeit bei 11 Prozent steht, verdeutlicht, für wie prekär der Kapitalmarkt die Lage von KTG Agrar hält – zu Recht, wie ein Blick in die KTG-Bilanz zeigt. Vor allem kursieren inzwischen auch in Bezug auf KTG Agrar in Investorenkreisen sehr kritische Fragen, deren Beantwortung das Unternehmen ablehnt: Es gibt handfeste Hinweise, dass sich KTG zu einer Art Finanzdrehscheibe für unbekannte Dritte aus dem Umfeld entwickelt hat.

Der Niedergang von KTG Agrar hat nicht nur die Kurse der beiden eigenen Bonds abstürzen lassen, sondern hat auch noch Folgen für die Mittelstandsanleihe der Tochtergesellschaft KTG Energie, die es gleich mit in den Keller gerissen hat. Deren 50 Millionen Euro schwere Anleihe notiert nur noch bei 70 Prozent.

Auch beim Erotikkonzern Beate Uhse schwindet die Hoffnung der Investoren. Die 30 Millionen Euro schwere Anleihe ist auf 18 Prozent eingebrochen, nachdem Beate Uhse seine Bondholder darum bitten musste, die Laufzeit der 2019 fälligen Anleihe um fünf Jahre zu verlängern und den jährlichen Kupon von 7,75 auf 2 Prozent zu senken. Eine Kompensation wie beim Maschinenbauer Singulus wird den Gläubigern nicht geboten. Der Erotikkonzern ging den Wandel vom stationären auf den Online-Handel zu spät an und machte obendrein noch Fehler beim Währungshedging, was Beate Uhse Millionen gekostet hat . 

Der Mini-Bond von Karlie bleibt unter Druck

Auch der Händler für Heimtierbedarf, Karlie, muss seine 10,8 Millionen Euro schwere Anleihe restrukturieren. Im Gegensatz zu Beate Uhse hat CEO Andreas Spiegel die Mehrheit seiner Bondholder auf der zweiten Gläubigerversammlung bereits davon überzeugen können, die Laufzeit des Papiers um drei Jahre bis ins Jahr 2021 zu verlängern. Der Zinsverzicht fällt mit 175 Basispunkten allerdings deutlich geringer aus als bei Beate Uhse. Spiegel hat außerdem ein ambitioniertes Sanierungskonzept vorgelegt, mit dessen Hilfe er die Anleihe 2021 aus dem Free Cashflow zurückzahlen möchte.

Eine Refinanzierung war zuvor gescheitert, und wegen eines Covenantbruchs mit dem Jahresabschluss 2014 befand sich Karlie in einem sogenannten Gentleman‘s Agreement mit den finanzierenden Banken. Nach zähen Verhandlungen zogen die Banken allerdings mit, auch weil der Private-Equity-Investor und Karlie-Eigentümer Perusa, der einen Großteil der Karlie-Bonds in den Büchern hat, auf sein Fremdkapital verzichtete und wiederholt Geld nachschoss. Karlie hat damit wertvolle Zeit für den Turanround gewonnen. Die Investoren bleiben jedoch skeptisch und bewerten die Anleihe derzeit mit 37 Prozent ihres Nennwerts.

Rickmers ist zurück bei den Wackelkandidaten

Die Liste der Wackelkandidaten zwischenzeitlich verlassen hatte die Reederei Rickmers, nachdem die finanzierenden Banken nach langwierigen Verhandlungen neue Kreditvereinbarungen über 1,28 Milliarden Euro bis 2018 abschlossen. Die Refinanzierungssorgen schienen sich zu lichten, der mit 275 Millionen Euro für den Mittelstandsmarkt sehr große Bond kletterte auf über 90 Prozent. Im Februar dieses Jahr brach die Anleihe allerdings ohne große Vorwarnung wieder auf 56 Prozent ein. CFO Mark-Ken Erdmann versuchte einen Monat später, die Investoren erneut zu beruhigen, indem er Kredite über weitere 520 Millionen Dollar verlängern konnte.

Dennoch setzt der Reederei der sich weiter verschärfende Preisverfall bei den wichtigen Charterverträgen zu. Der geplante Börsengang um den Jahreswechsel gelang nicht. Die Suche nach dringend nötigen Investoren, die frisches Eigenkapital in die Reederei stecken, erweist sich als schwierig. Die Quittung der Anleger: Ein Anleihekurs von derzeit 29 Prozent. 

Alno im Griff des Mini-Bond-Knebels

Eine vergleichbare Achterbahnfahrt haben auch die Investoren der Alno-Anleihe hinter sich. Der Küchenbauer befindet sich seit Jahren in der Krise. 2012 gelang Finanzchefin Ipek Demirtas ein umfassender Schuldenschnitt mit den finanzierenden Banken. Den Bankenknebel tauschte Alno allerdings gegen einen Anleiheknebel, der den Küchenbauer seitdem fest im Griff hält. Der 45 Millionen Euro schwer Bond schwankte seit seiner Emission im Jahr 2013 enorm, notierte 2014 sogar nur noch knapp über 50 Prozent. Im August 2015 schien Alno auf dem Weg der Besserung, die Anleihe stieg wieder über 90 Prozent. Doch im Februar diesen Jahres folgte der erneute Einbruch auf 65 Prozent.

Der Küchenbauer hängt am Tropf seiner Hauptaktionäre Whirlpool und Comco. Beide verschafften Alno zuletzt ein wenig Luft, indem sie fällige Gesellschafterdarlehen bis ins Jahr 2018 verlängerten. Dann allerdings wird auch die Anleihe fällig. Ohne einen erneuten umfassenden Schuldenschnitt oder eine Kapitalerhöhung dürfte es für Alno angesichts eines im Geschäftsbericht 2015 ausgewiesenen Gewinns vor Zinsen, Abschreibungen und Steuern (Ebitda) von minus 428.000 Euro eng werden, bis zum Fälligkeitszeitpunkt ein ausreichend dickes Finanzpolster anzusparen. Der Kapitalmarkt wartet, die Anleihe steht bei 59 Prozent.

Hoffnung für Bondholder von Singulus und Sympatex

Rickmers und Alno sind auf die Liste der Wackelkandidaten zurückgekehrt. Die beiden Modebonds von René Lezard und More&More sowie die Anleihe von Travel24 haben die Watchlist nie verlassen. An ihrer Situation hat sich im Vergleich zum August vergangenen Jahres wenig geändert. Der Lezard-Bond legte leicht zu und steht nun bei rund 33 Prozent. More&More notiert mit 45 Prozent nahezu auf Vorjahresniveau. Der Kurs der Travel24-Anleihe gab sogar von 45 auf 33 Prozent noch weiter nach.

Hoffnung schöpfen können dagegen die Bondholder des Maschinenbauers Singulus und des Spezialtextilherstellers Sympatex. Singulus-CFO Markus Ehret konnte den Bond restrukturieren. Dabei verloren die Bondholder zwar 80 Prozent ihrer Einsätze, dafür gehört ihnen in Kürze 95 Prozent der Firma. Und Singulus zog vor wenigen Wochen den größten Auftrag der Unternehmensgeschichte an Land, mit einem Volumen in Höhe eines ganzen Jahresumsatzes.    

Der Textilspezialist Sympatex ist derweil seinen größten Verlustbringer losgeworden und verkaufte die Sparte Plouquet – dort werden Taschen für Kleidungsstücke hergestellt – an einen Wettbewerber. Über den Berg sind beide Unternehmen freilich noch nicht. Der Singulus-Bond notiert aktuell ungefähr auf Vorjahresniveau bei 40 Prozent, und Sympatex bleibt seinen Gläubigern weiterhin eine klare Strategie schuldig, wie der Ende 2018 fällige Bond letztendlich refinanziert werden soll. Doch die Ausgangslage beider Unternehmen hat sich in den vergangenen neun Monaten verbessert.

philipp.habdanik[at]finance-magazin.de

Info

Verfolgen Sie die Entwicklung der einzelnen Wackelkandidaten auf ihren jeweiligen Themenseiten. Einen Überblick über den Mini-Bond-Markt liefert die FINANCE-Themenseite zu Mittelstandsanleihen

 

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