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„Distressed Deals funktionieren ähnlich wie Dating“

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CFO Wolfram Simon-Schröter platzierte kürzlich seine erste Anleihe für Zeitfracht, obwohl die Emission nicht so gut lief, sind weitere Distressed-M&A-Deals in Planung.
Zeitfracht

Herr Simon-Schröter, am 29. April endete die Zeichnungsfrist der ersten Zeitfracht-Logistik-Anleihe. Eigentlich hatten Sie ein Volumen von 60 Millionen Euro und einen Kupon zwischen 4 bis 5 Prozent anvisiert. Jetzt konnte nur weniger als die Hälfte, nämlich 25 Millionen Euro, platziert werden. Sind Sie dennoch zufrieden mit ihrem Debüt?

Wir sind mit dem Ergebnis unserer Debütemission sehr zufrieden, sowohl mit dem erzielten Emissionserlös als auch mit der Verzinsung von 5 Prozent. Wir haben jetzt den Schritt an den Kapitalmarkt gewagt und uns die Option gesichert, die Anleihe aufzustocken. Diese werden wir nutzen, wenn wir ein geeignetes M&A-Target bekanntgeben können. Ich denke, das war auch der Grund für die Zurückhaltung mancher Investoren. Wir haben von den potentiellen Investoren viele Fragen zum Thema M&A und zu möglichen Targets bekommen. Das können und dürfen wir aber noch nicht konkret beantworten. Das wird ein mittelfristiger Prozess werden, den wir jetzt nach der Platzierung aber wieder stärker angehen.

„Wir haben keine Scheu vor dem Risiko und werden weiter auf dem Distressed-Markt unterwegs sein.“

Wolfram Simon-Schröter, CFO Zeitfracht

Denken Sie, dass die Zurückhaltung der Investoren auch etwas mit dem Fauxpas zu tun haben könnte, der Ihnen unterlief? In einer ersten Mitteilung war von einer Nachranganleihe die Rede, bis die Formulierung in „nicht nachrangig“ korrigiert wurde.

Nein, das denke ich nicht. Es ist unsere erste Kapitalmarkttransaktion und vieles ist für uns neu. Für mich war es zum Beispiel herausfordernd, eine virtuelle Roadshow umzusetzen. Ich habe quasi in einen schwarzen Bildschirm gesprochen und es konnte sich kein lebendiges Frage-und-Antwort-Spiel ergeben. Ich habe mich natürlich vorher zum Beispiel auf potentielle Fragen vorbereitet und bin dies auch mit Vertrauten durchgegangen. Zudem haben wir den Prospekt mit mehr Informationen als üblich ausgestattet. 

 

 

Immerhin hat es gereicht, um die 15 Millionen Euro einzusammeln, die Sie für die Rückzahlung von Verbindlichkeiten wollten. Worum geht es da konkret?

Es geht um zwei Private-Debt-Anleihen eines Investors, die wir 2019 und 2020 für die Übernahme des damals insolventen Buchgroßhändlers Koch, Neff und Volckmar (KNV) aufgenommen haben. Diese wollen wir nun vorzeitig tilgen, um unsere Finanzstruktur zu verbessern. 

Zeitfracht: LGW musste Insolvenz anmelden

Neben der Rückzahlung von Verbindlichkeiten wollten Sie den Erlös für den Ausbau der Digitalisierung im Unternehmen sowie M&A nutzen. Dafür bleiben – Stand jetzt – nur noch 10 Millionen Euro übrig. Ziemlich wenig, um beides zu erreichen. 

Das stimmt nur bedingt. Wir werden aber die Anleihe aufstocken, sobald wir ein geeignetes Target im M&A-Bereich finalisiert haben. Gerade, weil wir uns diesmal auch größere Targets anschauen wollen, also mit einem Umsatz von mehr als 75 Millionen Euro. Interessant sind Unternehmen aus der Buch- und Logistikbranche, um Synergien mit unserem bestehenden Portfolio zu heben und die Wertschöpfungskette zu erweitern. Dabei wollen wir keine Asset-Light-Strategie, sondern eher viel Anlagevermögen. Vor allem Unternehmen, die auf dem Distressed-M&A-Markt landen, haben es uns angetan. Man muss hier schnell sein, deshalb wollten unser Liquiditätspolster erhöhen. Das heißt im Umkehrschluss, dass wir die Anleihe zum gegebenen Zeitpunkt zügig aufstocken werden. 

Sie haben es schon gesagt, der Distressed-Markt ist riskant. Sie selbst haben das im Frühling 2020 erlebt, als die von der Zeitfracht Gruppe kurz zuvor erworbene kriselnde Fluggesellschaft LGW mit 350 Mitarbeitern in die Insolvenz rutschte.

LGW hat mit der Emittentin der Anleihe nichts zu tun. Aber nur so viel: wir haben sofort und richtig agiert: Als klar wurde, dass LGW auf Grund der Corona-Pandemie nicht mehr fliegen darf, haben wir innerhalb von wenigen Tagen die Notbremse gezogen. Das war eine der schwierigsten Entscheidungen meiner Karriere – aber die richtige. 

Dennoch bleiben doch die Kosten für einen Insolvenzverwalter und die geplanten Umsätze mussten aus der Finanzplanung gestrichen werden. 

Wie gesagt, die Insolvenz von LGW hat Zeitfracht Logistik wirtschaftlich nicht berührt. 

FINANCE-Köpfe

Wolfram Simon-Schröter, Zeitfracht GmbH

Wolfram Simon-Schröter startet seine Karriere in verschiedenen Positionen für die Deutsche Bank und die Deutsche Apotheker- und Ärztebank. 2015 wechselt er als Geschäftsführer zur Zeitfracht Gruppe und wird im April 2020 zum CFO benannt.

Vor seiner Zeit bei Zeitfracht übernimmt er die HVT Haus- und Versorgungstechnik und gründet die heutige Zeitfracht Investment and Consulting, die er später beide in die Zeitfracht Gruppe einbringt.

zum Profil

Zeitfracht Logistik will Distressed M&A Deals

Hat die bittere Erfahrung mit LGW denn etwas an ihrer M&A-Strategie verändert?

Nein. Aber bei einer so unvorhersehbaren Situation wie der Coronakrise muss man schnell und furchtlos umdenken. Wir haben keine Scheu vor dem Risiko und werden weiter auf dem Distressed-Markt unterwegs sein. Dazu machen wir nach wie vor zuerst eine Fundamentalanalyse des potentiellen Unternehmens und schauen uns die Zahlen der Vergangenheit an, um zu verstehen, wieso das Unternehmen in diese Situation geraten ist. Falls das passt, prüfen wir, ob wir mit dem Unternehmen kostenseitige Vorteile generieren können, indem wir zum Beispiel bereits vorhandene Leistungen der Zeitfracht-Gruppe bereitstellen. Das berechnen wir anhand verschiedener Szenarien. Das Turnaround-Potential hängt dabei zu 80 Prozent von den Mitarbeitern ab. Deshalb mache ich mir immer ein Bild vor Ort und spreche mit den Mitarbeitern, ob die hinter der eigenen Firma stehen.  

Im Prinzip funktioniert die Suche nach einem Distressed Deal ähnlich wie Dating: Man hat eine gewisse Vorstellung, wie der Idealpartner sein sollte. Man trifft mehrere, merkt nach der ersten Verabredung, dass es doch nicht passt, und am Ende ist nur eine die Richtige. Auch die ehemalige KNV war ein Spezialfall – das Unternehmen hatte ich zweimal auf dem Tisch. Zuerst wurde mir das Unternehmen als Buchhändler angeboten und das war für uns auf den ersten Blick nicht interessant. Beim nächsten Mal wurde mir das Unternehmen als Logistikbuchhandel vorgeschlagen und hat schließlich doch noch mein Interesse geweckt. Und immerhin machte nun die Buch- und Medienbranche 2020 bei uns mehr als 80 Prozent des Umsatzes aus. 

Und wie läuft das „Dating“ derzeit?

Die viel zitierte Insolvenzwelle ist bisher ausgeblieben, der Distressed-Markt kommt gerade erst ins Rollen. Noch sind die richtig interessanten Targets nicht dabei, sondern eher die, die schon vor Corona schlecht da standen. Ich erwarte aber, dass spätestens im Herbst die Auswahl interessanter wird.

sarah.backhaus[at]finance-magazin.de

Info

Zeitfracht Logistik

Die Zeitfracht Logistik ist ein Teilkonzern der Zeitfracht-Unternehmensgruppe und spezialisiert auf Systemlogistik, Medienlogistik und Logistik für Elektronikprodukte. Das Portfolio umfasst 5 Unternehmen: KNV, Firstwise, Vemag, Buchpartner und Jöllenbeck. Im Geschäftsjahr 2020 erzielte das Unternehmen einen Umsatz von 556,5 Millionen Euro und ein Konzernergebnis von 2,7 Millionen Euro. 

Info

Alles zu dem Werdegang von Wolfram Simon-Schröter finden Sie auf seinem FINANCE-Köpfe-Profil. Über Distressed-M&A-Deals können Sie sich auf unserer Themenseite Distressed-M&A informieren.

Sarah Backhaus ist Redakteurin bei FINANCE und DerTreasurer. Backhaus ist spezialisiert auf die Themen Restrukturierung, Transformation, Zahlungsverkehr und Cash Management. Sie hat Journalismus an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln studiert. Sarah Backhaus arbeitete während ihres Studiums unter anderem für Onlinemagazine von Gruner + Jahr und schrieb als freie Journalistin für die Handelszeitung, faz.net und Impulse.