Die Tom-Tailor-Gruppe leidet erheblich unter der Coronakrise. Wegen der „deutlichen Verschlechterung der Marktbedingungen in fast allen relevanten Märkten“ fürchtete die Modekette Risiken für die Finanzierungs- und Liquiditätssituation des Konzerns. „Aufgrund der Unsicherheit über die weitere Entwicklung in den Absatzmärkten sieht der Vorstand in der kurz- und mittelfristigen Liquiditätsplanung derzeit deutliche Planungsrisiken“, heißt es konkret in einer Mitteilung des Unternehmens. Diese beinhalteten sowohl das Risiko der Nichteinhaltung von Kreditkennzahlen als auch das Risiko von Liquiditätsengpässen, präzisieren die Hamburger.
Wegen des Coronavirus musste die Modekette die meisten Filialen in ganz Europa (Retail) bis auf Weiteres schließen. Auch das Geschäft mit den Großkunden (Wholesale) in Europa sei betroffen. Der Onlinehandel dagegen laufe noch normal weiter – doch aufgrund des zu geringen Anteils am Gesamtumsatz können die Online-Aktivitäten die Umsatzverluste im Retail- und Wholesalegeschäft nicht kompensieren, heißt es.
Tom Tailor will Staatshilfe beantragen
Tom Tailor versucht sich mit „umfangreichen betrieblichen Kostenmaßnahmen“ gegen die Coronakrise zu wappnen. Die Modekette will finanzielle Unterstützungsprogramme beantragen: Dazu gehören staatliche Hilfen, Kurzarbeit – die bereits für eigene Filialen beantragt worden sei – sowie die Stundung von Steuerzahlungen. „Unsere volle Konzentration liegt auf der Umsetzung von Gegenmaßnahmen, um den wirtschaftlichen Schaden für die Gruppe zu minimieren und diese außergewöhnliche Herausforderung zusammen mit unseren Kunden, Lieferanten, Mitarbeitern und Finanzierungspartnern erfolgreich zu meistern“, sagt Christian Werner, Finanzvorstand der Modekette.
Damit reiht sich Tom Tailor in die zahlreichen Unternehmen ein, die aktuell aufgrund der Coronakrise massiv in Bedrängnis geraten sind und staatliche Hilfen fordern, darunter etwa Leoni oder Vapiano. Besonders stark ist aktuell allerdings die Modeindustrie betroffen, die sich bereits seit Jahren in der Krise befindet und durch die nun einbrechenden Einnahmen erst recht mit dem Rücken zur Wand steht. So mussten vor wenigen Tagen etwa mehrere Esprit-Töchter in ein Schutzschirmverfahren flüchten, da sie zahlungsunfähig waren.
Tom Tailor konnte sich erst 2019 retten
Auch Tom Tailor ist schon seit geraumer Zeit im Krisenmodus. Mehrfach schon mussten die Hamburger ihre Ziele kassieren, vor gut einem Jahr kam es nach einer Vollabschreibung der schwachen Tochter Bonita schließlich zu Covenant-Brüchen. Nach einer Kapitalspritze des Mehrheitseigners Fosun sowie einer Refinanzierung bestehender Kreditlinien entspannte sich die Lage zwar kurzzeitig etwas. Doch nachdem der geplante Verkauf der Krisentochter Bonita platzte, erlebte Tom Tailor wieder einen Rückschlag.
Nach monatelangen Verhandlungen schaffte es der damalige CFO Thomas Dressendörfer schließlich im Herbst, sich mit den Konsortialbanken und Fosun auf eine neue Finanzierungsstruktur zu einigen, wodurch Tom Tailor über einen Konsortialkredit 375 Millionen Euro zuflossen. Dieser Durchbruch galt als veritabler Befreiungsschlag – die Corona-Krise scheint das allerdings wieder zunichte gemacht zu haben. Zudem verließ Dressendörfer den Konzern nach Abschluss der Kreditverhandlungen. Sein Nachfolger wurde seine rechte Hand, Christian Werner, der davor zwei Jahre als Vice President Finance arbeitete. Für ihn wird die Bewältigung dieser Krise die erste große Aufgabe.
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Tom Tailor leidet weiter unter Bonita
Aber auch vor der Corona-Krise war Tom Tailor noch nicht sehr weit damit gekommen, die Geschäftssituation deutlich zu verbessern, wie die heute vorgelegten, vorläufigen Geschäftszahlen 2019 zeigen. Die Vorlage des Jahresabschlusses samt geprüften Zahlen hat Tom Tailor wegen der Corona-Belastungen auf unbestimmte Zeit verschoben.
Laut vorläufigen Zahlen verringerte sich der Konzernumsatz um knapp 5 Prozent auf 803,1 Millionen Euro. Als Grund für den Umsatzrückgang nannte Tom Tailor vor allem die kriselnde Tochter Bonita, wo der Umsatz um 19 Prozent auf 183 Millionen Euro sank. Allerdings hätten sich bei der Tochter ab dem zweiten Halbjahr erste Erfolge gezeigt, unter anderem durch Filialschließungen und einer Verjüngung der Kollektionen.
Bei der Kernmarke Tom Tailor legte der Umsatz hingegen um 3 Prozent auf 291 Millionen Euro zu, im E-Commerce-Bereich sogar um 6,5 Prozent auf über 50 Millionen Euro. Rückläufig entwickelten sich 2019 hingegen die Wholesale-Umsätze, die um knapp 2 Prozent auf 329 Millionen Euro zurückfielen. Das begründete Tom Tailor mit Insolvenzen einiger Großkunden sowie niedrigeren Lizenzerlösen.
Tom Tailor hat hohe Verschuldung
Der um IFRS 16 sowie Einmalaufwendungen bereinigte Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) für den Gesamtkonzern hat sich um 31 Prozent auf rund 34 Millionen Euro verbessert, unter Berücksichtigung von IFRS 16 lag es sogar bei knapp 99 Millionen Euro. Die Nettofinanzverschuldung blieb bereinigt um IFRS 16 mit 138 Millionen Euro etwa auf Vorjahresniveau – unter Berücksichtigung von IFRS 16 lag sie allerdings bei 467 Millionen Euro.
Für das Geschäftsjahr 2020 sind die Aussichten düster: Bereits jetzt spürt die Gruppe „einen erheblichen Umsatz- und Ertragsrückgang“ im ersten Quartal. Die wirtschaftlichen Auswirkungen seien derzeit nicht quantifizierbar.
Info
Welche Herausforderungen das Hamburger Modehaus in der Vergangenheit meistern musste, können Sie auf unserer Themenseite zu Tom Tailor nachverfolgen.
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