Adler Modemärkte steht kurz vor der Rettung: Der Logistiker Zeitfracht Logistik will sich die insolvente Modekette schnappen. Nachdem am Montag das „Manager Magazin“ über erste Kaufgerüchte berichtete, bestätigte Adler am Abend, dass man sich in „fortgeschrittenen Verhandlungen“ mit der Zeitfracht Logistik Holding befinde.
Adler ist zuversichtlich, „zeitnah ein unwiderrufliches Angebot zum Abschluss einer Investorenvereinbarung von Zeitfracht zu erhalten“. Der Schritt werde ein wichtiger Meilenstein für die Sanierung des Unternehmens sein, betont die Modekette. Adler befindet sich wegen der Folgen der Corona-Pandemie seit Anfang des Jahres in einer Insolvenz in Eigenverwaltung.
Erst vor rund einem Monat bekam die Modekette einen Kredit aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF). Das Darlehen von 10 Millionen Euro bekamen die Aschaffenburger als erstes insolventes Unternehmen aber erst, nachdem sie sich lautstark über die bis dahin fehlende Unterstützung des WSF beschwert hatten. Dass Adler einen Investor sucht, machte das Unternehmen schon mit Bekanntgabe der Insolvenz öffentlich.
Adlers Aktionäre gehen wohl komplett leer aus
Das Zeitfracht-Management um CEO Dominik Wiehage und CFO Wolfram Simon-Schröter stellt aber einige Anforderungen an Adler. Zum einen soll das im Januar angemeldete Insolvenzverfahren eröffnet werden. Geplant sei der 1. Juli, danach soll die Investorenvereinbarung unterzeichnet werden und der Insolvenzplan bei Gericht eingereicht werden. Der Insolvenzplan soll dann laut Adler Ende Juli den Gläubigern zur Abstimmung vorgelegt werden.
Der Insolvenzplan hat es in sich: Er beinhaltet unter anderem, dass voraussichtlich ein Kapitalschnitt in Form einer Herabsetzung des Grundkapitals auf Null durchgeführt werden soll. Danach soll Zeitfracht durch eine Kapitalerhöhung neues Eigenkapital zuführen, womit die Berliner dann zum alleinigen Aktionär werden.
Die restlichen Aktionäre würden dann dabei leer ausgehen: „Die bestehenden Aktien werden somit aller Voraussicht nach vollständig wertlos“, hieß es in der Mitteilung. Ihren Unmut darüber zeigten die Aktionäre prompt: Das Papier crashte nach der Verkündung um 80 Prozent auf nur noch rund 30 Cent ein.
Zeitfracht holte sich Geld am Kapitalmarkt
Wie Zeitfracht den Deal finanzieren will, macht das Unternehmen nicht bekannt. Der Logistiker hatte im Mai erstmals den Schritt an den Kapitalmarkt gewagt und begab eine Anleihe von 25 Millionen Euro. Ursprünglich peilte CFO Schröter ein Volumen von 60 Millionen Euro an. Der Erlös sollte unter anderem für M&A-Deals ausgegeben werden.
Da die erste Anleihebegebung nicht ganz so wie geplant verlief, sicherte sich Zeitfracht die Option, die Anleihe aufzustocken. „Diese werden wir nutzen, wenn wir ein geeignetes M&A-Target bekanntgeben können“, sagte Schröter im Mai in einem Interview mit FINANCE.
„Über eine Aufstockung ist noch nicht entschieden“, sagt nun ein Zeitfracht-Unternehmenssprecher auf Anfrage. Laut dem „Manager Magazin“ soll der Kaufpreis für Adler im achtstelligen Bereich liegen. Damit soll sich Zeitfracht gegen mehrere Bieter durchgesetzt haben. Adler sowie Zeitfracht wollten dies nicht kommentieren.
Zeitfracht Logistik ist noch neu in der Modebranche
Im Idealfall soll Adler das Insolvenzverfahren Ende August beenden und unter das Zeitfracht-Dach rutschen. Damit würde Zeitfracht-CFO Schröter eine ganz neue Branche in seinem Portfolio haben.
Bisher haben sich die Berliner vor allem auf die Logistik- und Buchhandelbranche fokussiert. Dass Zeitfracht Logistik es auf Unternehmen in Distressed-Situationen abgesehen hat, machte der CFO im FINANCE-Interview bereits deutlich, doch ein Target hatte man damals noch nicht auserkoren. Dass Zeitfracht mit Adler eine neue Branche ins Portfolio aufnimmt, kommentiert ein Unternehmenssprecher so: „Zeitfracht hat sich für ein Unternehmen entschieden, dass sehr stark in der Logistik als auch in der Bekleidungsbrache tätig ist. Es passt und erweitert unser Handelsportfolio.“
Info
Am Dienstagnachmittag bestätigt Adler nochmal das Investorenangebot. Die Vorlage des unwiderruflichen Angebots erfolgte nach Prüfung und Zustimmung des Gläubigerausschusses. Neben sämtlichen deutschen Tochtergesellschaften sind auch die in Österreich, der Schweiz und Luxemburg Teil des Angebots.
„Das heute vorgelegte Angebot ist die Chance für einen erfolgreichen Neuanfang für Adler. Wir freuen uns für unsere großartigen Mitarbeiter*innen und unsere Kunden, die uns auch in sehr schwierigen Zeiten die Treue gehalten haben. Positiv stimmt uns auch die gute Nachfrage, die wir seit Wiedereröffnung unserer Standorte nach dem Lockdown-Ende verzeichnen können“, kommentiert CEO Thomas Freude das Angebot.
Info
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Die Details zur Vita des Adler-CFO Karsten Odemann können Sie in seinem FINANCE-Köpfe-Profil nachlesen.
Sarah Backhaus ist Redakteurin bei FINANCE und DerTreasurer. Backhaus ist spezialisiert auf die Themen Restrukturierung, Transformation, Zahlungsverkehr und Cash Management. Sie hat Journalismus an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln studiert. Sarah Backhaus arbeitete während ihres Studiums unter anderem für Onlinemagazine von Gruner + Jahr und schrieb als freie Journalistin für die Handelszeitung, faz.net und Impulse.