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Sechs Monate StaRUG: eine Zwischenbilanz

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Was müsste passieren, damit die präventive Sanierung nach dem StaRUG stärker genutzt wird? FINANCE hat sich bei Marktteilnehmern umgehört.
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Mit großen Hoffnungen hatten Experten im vergangenen Herbst noch der Einführung der präventiven Sanierung entgegengefiebert, doch im Dezember folgte der große Dämpfer: Einige grundlegende Veränderungen im Unternehmensstabilisierungs- und -Restrukturierungsgesetz (StaRUG) schränkten die Anwendbarkeit im Vergleich mit dem Referentenentwurf drastisch ein. So sei die präventive Sanierung nur für ganz wenige Fälle geeignet, fürchteten damals schon manche – und bislang haben sie Recht behalten.

Präventive Sanierungsverfahren sind grundsätzlich nicht öffentlich, daher gibt es keine offizielle Statistik darüber, wie viele Verfahren im ersten Halbjahr nach der Einführung abgeschlossen wurden. Doch wer sich im Markt umhört, erhält ein recht einheitliches Bild: Die Zahlen schwanken zwischen sieben und zehn Fällen.

Die Gesellschaft für Restrukturierung TMA Deutschland geht von bisher etwa zehn bekanntgewordenen Fällen aus, wobei dies laut dem TMA-Vorsitzenden Michael Baur „bislang noch nicht die großen grenzüberschreitenden, sondern eher kleinere Fälle“ waren.

Präventive Sanierung: Leuchtturmfälle fehlen

So kam das StaRUG beispielsweise bei der finanziellen Sanierung eines Logistikunternehmens mit rund 40 Millionen Euro Gruppenumsatz zum Tragen. Namentlich bekanntgemacht wurde das präventive Sanierungsverfahren des schwäbischen Autozulieferers MGG. Einen großen Leuchtturmfall unter dem StaRUG gibt es bislang allerdings noch nicht, sagt Johann Stohner, Leiter des Bereichs Restrukturierung bei Alvarez & Marsal in Deutschland.

Doch es mangelt nicht nur an großen, prominenten Fällen. Auf der anderen Seite des Spektrums dürften auch kleinere Mittelständler als Nutzer ausscheiden, weil das StaRUG für sie zu beratungsintensiv ist: „Für KMU ist das Verfahren sicherlich zu komplex und zu teuer“, meint Maximilian Pluta von der auf Sanierungen spezialisierten gleichnamigen Kanzlei. 

„Für KMU ist das präventive Sanierungsverfahren zu komplex und zu teuer.“

Maximilian Pluta, Pluta

Alvarez-Restrukturierer Stohner führt die geringe Zahl der präventiven Sanierungen auch darauf zurück, dass Restrukturierungsfälle angesichts umfassender staatlicher Hilfen zurzeit ohnehin Mangelware sind. „Zudem ist sehr viel billiges Geld im Markt. In dieser Gemengelage hat das StaRUG gar nicht richtig zünden können.“ Daneben sieht er aber auch Konstruktionsfehler des Verfahrens selbst: „Es bietet nach den Änderungen auf den letzten Metern keine Möglichkeit zur vereinfachten Vertragsbeendigung mehr, auch Eingriffe in Personalthemen sind nicht möglich. Das limitiert die Anwendungsfälle.“ 

Diese Änderungen kurz vor der Verabschiedung schreiben Marktbeobachter der starken Lobbyarbeit bestimmter Interessensgruppen zu. So sollen dem Vernehmen nach insbesondere die OEMs aus der Automobilbranche gegen die Möglichkeit einer vereinfachten Vertragsbeendigung auf die Barrikaden gegangen sein. 

Banken sensibilisiert, Private Equity weniger

Zwar hatten sowohl Berater als auch Juristen im Vorfeld diverse Anwendungsfälle für das StaRUG durchgespielt, doch nach den ersten sechs Monaten hat sich in der Praxis gezeigt: „Das Interesse aus dem Markt ist nach wie vor recht verhalten“, sagt Katharina Gerdes, Partnerin der Wirtschaftskanzlei BRL. Durch den starken Fokus des StaRUG auf Finanzrestrukturierungen rechnet auch sie nicht mit einer großen Welle an Verfahren: „Das StaRUG ist ein gutes Tool für Spezialfälle, nicht für die breite Masse.“

„Bei Debt Fonds und Private-Equity-Häusern ist das Thema bislang kaum angekommen.“

Isabell Hitzer, Renzenbrink & Partner

Auch Isabell Hitzer, Partnerin der Wirtschaftskanzlei Renzenbrink & Partner, hatte sich mehr Durchschlagskraft vom Starug erhofft. „In der Finanzierungsdokumentation spielt es bislang nicht wirklich eine Rolle“, sagt die Juristin. „Bei Debt Fonds und Private-Equity-Häusern ist das Thema bislang kaum angekommen.“ Eine Ausnahme sieht sie bei inländischen Banken – nicht zuletzt, weil dort Kanzleien und Berater mit Vorträgen zum StaRUG für Aufmerksamkeit gesorgt haben. „Banken mit eigener Rechtsabteilung in Deutschland sind deutlich sensibler, teils auch übersensibilisiert“, beobachtet die Juristin.

StaRUG als Drohkulisse

Einen Mehrwert liefert das StaRUG nach Ansicht vieler Marktteilnehmer derzeit oft eher als Drohkulisse: „Das StaRUG wird einen Druckmechanismus gegenüber opponierenden Gläubigern darstellen, wobei sich echte Anwendungsfälle, die bis zum Gericht gehen, in Grenzen halten dürften“, sagt Frank Grell, Partner bei Latham & Watkins und Vorstandsmitglied der TMA Deutschland.

Auch Johann Stohner von Alvarez & Marsal sieht im StaRUG ein hilfreiches Verhandlungstool – unabhängig davon, ob am Ende überhaupt ein Verfahren eingeleitet wird. „Man wird manchen Querulanten mit dem Verweis auf die Option einer präventiven Sanierung und einem professionell ausgearbeiteten Restrukturierungsplan einfangen können.“

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Was lässt sich am StaRUG ändern?

Wenn man Marktteilnehmer danach fragt, welche Regelung sie im Zuge einer Evaluation des StaRUG gern überarbeitet sehen würden, steht ein Thema bei vielen weit oben: die Wiederaufnahme des „shift of fiduciary duties“. Diese Regelung war – wie auch die Möglichkeit zur vereinfachten einseitigen Vertragsbeendigung – noch Teil des Referentenentwurfs. Sie hat es dann aber nicht in das Gesetz geschafft.

Der „Shift“ hätte dazu geführt, dass die Geschäftsleitung ab Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit primär die Interessen der Gläubiger in den Fokus hätten rücken müssen – und erst nachrangig die der Gesellschafter. Dies wäre ein Paradigmenwechsel gewesen, der aber am Ende nicht umgesetzt wurde. „Entsprechend kann die Anmeldung eines solchen Verfahrens ohne die Zustimmung des Gesellschafters für den Geschäftsführer haftungsrelevant sein“, gibt Jurist Maximilian Pluta zu bedenken.  

Für TMA-Vorstandsmitglied Kolja von Bismarck, Leiter der Restrukturierungseinheit von Sidley Austin in München, ist die Streichung des „shift of fiduciary duties“ ein Grund dafür, dass es bisher deutlich weniger StaRUG-Fälle gab als erwartet. Seine Vorstandskollegen aus dem Restrukturiererverband stimmen ihm zu: „Es ist zwingend notwendig, dass Geschäftsleiter gerade in der finanziellen Krise ihre Handlungen am Wohl der Gläubiger ausrichten“, meint Oliver Kehren, TMA-Vorstandsmitglied und Head of Lending und Loan Trading bei Morgan Stanley. 

Leo Plank, TMA-Vorstandsmitglied und Partner im Bereich Restrukturierung im Münchner Büro von Kirkland & Ellis, ergänzt: „In England und den USA ist ein solcher ‚shift of fiduciary duties‘ selbstverständlich.“

Die TMA sähe es gern, wenn der „Shift“ bei einer Evaluierung des StaRUG wieder eingeführt würde – andernfalls würden Gesellschafter, die wirtschaftlich aus dem Geld sind, die Geschicke der Unternehmen bestimmen, so ihre Kritik. „Gerade in der Krise müssen Geschäftsleitungen frei entscheiden können, ob sie das Instrumentarium des StaRUG zur Rettung des Unternehmens nutzen“, fordert TMA-Vorstandsmitglied Lars Westpfahl, Partner bei Freshfields.

Präventive Sanierung: Die Nische wird größer

Wie sich die Zahl der präventiven Sanierungen in den kommenden Monaten entwickeln wird, wenn staatliche Stützungsmaßnahmen für Unternehmen auslaufen, ist noch offen. Die Erwartungen sind allerdings gemäßigt: „Es wird ein Nischenthema bleiben, aber in der Nische deutlich breiter werden“, sagt Johann Stohner von Alvarez & Marsal. 

„Es wird ein Nischenthema bleiben, aber in der Nische deutlich breiter werden.“

Johann Stohner, Alvarez & Marsal

TMA-Vorstandsmitglied Georg Bernsau, Partner im Frankfurter Büro von K&L Gates, geht ebenfalls nicht von einer großen Welle an präventiven Sanierungen aus: „Die insolvenznahen Restrukturierungen, die wir bis zur Bundestagswahl oder noch kurz danach sehen werden, werden tendenziell keine reinen Bilanzrestrukturierungen sein“, erwartet er. „StaRUG-Fälle in großer Zahl sind zunächst nicht zu erwarten.“

Mit einer Evaluation des StaRUG rechnet Johann Stohner nicht in näherer Zukunft. „Dabei sollte dann Genauigkeit vor Schnelligkeit gehen“, findet er. Wichtig für eine Beurteilung seien Erfahrungen auch aus größeren präventiven Sanierungsverfahren. Bei einer Evaluation müsse man das StaRUG keinesfalls komplett auf den Kopf stellen, meint Stohner.

Einige Anregungen werden bereits ausführlich diskutiert: „Möglichkeiten wie der ‚shift of fiduciary duties‘ oder die Vertragsbeendigung waren im Entwurf des Gesetzes ja schon angelegt. Wenn man dahin zurückkehrte, wäre das aus meiner Sicht bereits ein großer Schritt nach vorn.“

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