Die Sorgen über Inflation, Zinswende, Lieferkettenkrise und ein russisches Gasembargo sind groß. Doch noch ist der Distressed-Assets-Markt relativ ruhig. Es sind einzelne Fälle, wie jetzt die staatliche Rettung des Energiekonzerns Uniper, die finanzielle Restrukturierung bei Leoni oder der Debt-Equity-Swap bei Schur Flexibles, die von sich reden machen.
Deshalb bewegt sich auch im Bereich Non-Performing-Loans – also dem Handel mit ausfallgefährdeten Krediten – aktuell noch wenig. Größere Unternehmenskrisen werden wie im Fall Uniper staatlich aufgefangen – wie auch schon in der ganzen Corona-Zeit. Unter dem Eindruck von Inflation, stark steigenden Gaspreisen und einer Zinswende könnte sich dieser Zustand im Herbst ändern.
Ausgesprochen düster war der Ausblick der Diskutanten auf der diesjährigen 16. Distressed-Assets-Konferenz (DAK) am 05. Juli im Westhafen Pier 1 in Frankfurt. Die Teilnehmer zeichneten ein pessimistisches Bild der kommenden Monate für die deutsche Gesamtwirtschaft. Die Auswirkungen der Gaskrise könnten große ökonomische Verwerfungen mit sich bringen.
Verschärft sich die Automotive-Krise noch?
Die Podiumsdiskussion bot einen Rundumschlag über die wichtigsten Transformations-Themen. Ein wichtiges Thema war die Geldpolitik der EZB. Die Zentralbank sei aktuell in einer schwierigen Situation, der geldpolitische Spielraum sei nicht mehr groß, argumentierten die Diskutanten um Michael Cherubim (DZ Bank), Oskar von Kretschmann (Morgan Stanley), Andreas Jaufer (Robus Capital Management) und Ansgar Kugelstadt (Coface Finanz).
Besonders beindruckt von der Lage zeigt sich der Markt für Hochzinsanleihen, die High-Yield-Bonds. Momentan seien Papiere kaum zu platzieren. Das beeinflusst auch die Finanzierung von Private-Equity-Deals enorm: Banken seien hier kaum mehr präsent. Debt Fonds finanzierten nur noch Deals aus „guten” Branchen wie Software oder Healthcare. Automotive und zunehmend auch der Maschinen- und Anlagenbau habe einen sehr schweren Stand.
WSF-Mittel retten Automobilzulieferer Schlote
Auch die ESG-Richtlinien haben sich inzwischen zu einem echten Dealbreaker bei Restrukturierungen entwickelt. Debattiert wurde auch speziell die schwierige Situation in der Automotive-Branche, in der die großen Automobilkonzerne mit ihren Zulieferern in schwierigen Preisverhandlungen stecken. Einblicke in die Praxis lieferte Michael Bormann, CFO des Autozulieferers Schlote. Der Mittelständler Schlote musste mehrere Hilfen aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) in zweistelliger Millionenhöhe in Anspruch nehmen, um die Coronazeit zu überstehen.
Laut Bormann hätten die Finanzhilfen des Bundes, die zudem auch in Form von Überbrückungsgeld geflossen waren, Schlote gerettet. Die Pandemie sei bei dem Zulieferer mit schweren Umsatzeinbrüchen einhergegangen, die Folgen der Krise habe man besonders 2021 zu spüren bekommen. „2021 begann Corona für die Automobilzulieferer erst richtig“, sagte Bormann in seiner mitreißenden Keynote auf der Veranstaltung.
Herausfordernd waren insbesondere die Verhandlungen mit den Automobilherstellern über Kompensationen für Unterauslastung und jetzt aktuell speziell die Preisverhandlungen. Bei diesen bestand die kritische Frage darin, inwiefern die gestiegenen Energiekosten eingepreist werden würden. Bormann appellierte, dass die Zuliefererbranche zusammenhalten müsse. Auch die Abnehmer, also die Autobauer, müssten ein Einsehen haben und die gestiegenen Kosten über Preis-Gleit-Klauseln tragen.
Zulieferer Mann + Hummel legte schnellen Carve-Out hin
Auch die von Thomas Sittel, Leiter des Corporate Finance Advisory von Deloitte, vorgestellte Case-Study bezog sich auf einen Automobilzulieferer. Sittel erklärte in seinem Vortrag, wie der Mittelständler Mann + Hummel, Weltmarktführer im Bereich Filtersysteme, mit einem Carve-Out sein Non-Filtration-Geschäft verkaufen konnte. Deloitte und Mann + Hummel hätten sich hier – nach dem Ausschluss von Alternativen wie eines Joint Ventures – auf eine pragmatische Lösung geeinigt. Der Mittelständler wollte ein beschleunigtes Care-Out-Verfahren, der Non-Filtration-Bereich wurde schließlich im Fast-Track-Verfahren weiterverkauft.
Was bei Automotive-Unternehmen nötig ist, um in der aktuellen, stürmischen Phase zu bestehen, erläuterte Maximilian Pluta von der Kanzlei Pluta. Der Restrukturierungsexperte sagte, dass die Branche seit 20 Jahren vor der schwierigsten Herausforderung stehe – die Gemengelage aus dem Transformationsdruck hin zur E-Mobilität, Lieferkettenproblemen, Chipkrise und Corona-Pandemie fordere den Konzernen fiel ab. Krisenresistent sind die Unternehmen laut Pluta dann, wenn sie die Transformation vorantreiben, in ihren Prozessen gut aufgestellt sind und Umstellungen wie die Digitalisierung aktiv angehen.
Rechtliche Hürden bei StaRUG und ESG
Unternehmen, die sich restrukturieren wollen, stehen aber auch auf der rechtlichen Seite vor Herausforderungen. Antworten zu rechtlichen Transformationsfragen gab auf der DAK-Bühne Franziska Fuchs, Restrukturierungsspezialistin bei der Kanzlei CMS.
Ein aktuell viel diskutiertes Sanierungsverfahren für Unternehmen bietet das StaRUG. Die im StaRUG vorgesehenen Sanierungsinstrumente werden aktuell aber noch nicht so viel genutzt, sondern dienen oftmals eher als „Drohkulisse“ in Verhandlungen. „Das Problem des StaRUG ist sein enger Anwendungsbereich“, sagte Fuchs. „Die Anwendungsmöglichkeiten sind zwar vielfältig, die Hürden hierfür allerdings hoch.“ Auch auf die Fragen, wie Unternehmen eine verlässliche Krisenfrüherkennung aufstellen können und welche Herausforderungen mit ESG-Auflagen bei Restrukturierungen verbunden sind, lieferte Fuchs Antworten.
Wie sich der Distressed-Assets-Markt im Herbst entwickeln wird, ist noch offen. Mit Argusaugen schaut die Branche auf den 21. Juli, wenn die Wartungsphase für die Gaspipeline Nord Stream 1 ausläuft. Wir dann wieder russisches Gas strömen? Davon und von möglichen staatlichen Rettungsmaßnahmen wird abhängen, wie schlimm die Krise wirklich wird und ob eine Rezession eintritt. Das ist dann sicher ein Thema der nächsten Distressed-Assets-Konferenz im Frühjahr 2023.
paul.siethoff[at]finance-magazin.de
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Paul Siethoff ist Redakteur bei Finance und schreibt vorrangig über Transformations-Themen. Er hat Kommunikationswissenschaften und Journalismus in Erfurt und in Mainz studiert. Vor seiner Zeit bei FINANCE schrieb Paul Siethoff frei für die Frankfurter Rundschau für die Ressorts Wirtschaft und Politik.