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Grenke-CFO wehrt sich gegen Bilanzkritiker

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Komplexes Geschäftsmodell, noch komplexere Bilanzen: Im FINANCE-Interview versucht Grenke-CFO Sebastian Hirsch, den Konzern und seine Bilanzierung zu erklären.
Grenke

Herr Hirsch, Ihr Geschäftsmodell und dessen Bilanzierung sind komplex. Das hat Kritiker wie den Shortseller Fraser Perring angezogen. Die Auseinandersetzung kostet Ihr Unternehmen gerade viel Ansehen am Kapitalmarkt. Wir wollen mit Ihnen heute einmal in der Tiefe über Ihr Geschäft, Ihre GuV und Ihre Bilanz sprechen. Fangen wir ganz vorne an – wie läuft ein typisches Leasinggeschäft bei Grenke?

Klassischerweise läuft es so: Ihr Verlag kauft bei einem Händler IT-Ausrüstung, zum Beispiel Notebooks und Drucker, im Wert von 10.000 Euro. Dann bezahlt Grenke den Händler, und Sie leasen das Equipment über uns. Die Laufzeit unserer Leasingverträge beträgt im Schnitt rund vier Jahre.

In wessen Besitz sind die Assets während der Vertragslaufzeit, und in wessen Besitz gehen sie nach Ende des Lease über?

Der Eigentümer ist Grenke, in unserem Beispiel wären Sie als Verlag der Leasingnehmer und damit unser Kunde. Was nach Ablauf des Vertrags passiert, ist unterschiedlich. Manchmal kaufen die Leasingnehmer das Equipment oder verlängern ihre Verträge, getreu der Devise: „Never change a running system“. Hin und wieder kaufen auch die Händler die Güter zurück. Wenn wir Eigentümer werden, reichen wir das Equipment an unseren Asset-Broker weiter, der es dann verwertet.

Warum tauchen die Leasinggüter nicht in ihrer Bilanz auf, wenn Sie doch der Eigentümer sind?

Das ist eine Vorgabe von IFRS. Dort steht aber auch der Anschaffungsvorgang zum Beginn im Vordergrund. Wir bilanzieren also zu einer Art Anschaffungskosten. Aus den Zahlungsforderungen gegenüber unserem Leasingnehmer bilden wir eine Cashflow-Reihe auf Monats- oder Quartalsbasis. Dazu zählen wir auch den erwarteten Restwerterlös der Güter am Ende der Vertragslaufzeit. Diese Zahlungsreihe wird dann so diskontiert, dass dieser Barwert der Leasingforderung den Anschaffungskosten entspricht. Das nennt sich Netto-Invest-Prinzip. Über die regelmäßigen Zahlungen des Leasingkunden sinkt die Leasingforderung in unserer Bilanz dann von Quartal zu Quartal immer weiter ab. Dabei werden die Zahlungen wie bei jeder Annuität in Zins und Tilgung aufgeteilt.

So bilanziert Grenke seine Erträge

Viele fragen sich, woher Ihr starkes Gewinnwachstum der Vergangenheit kommt. Ihr Factoringbereich ist defizitär, im Bankgeschäft verdient kaum jemand vernünftiges Geld, und Leasing ist marktweit eigentlich nur bei Ihnen eine Goldgrube.

Wir fokussieren uns stark auf kleinteiliges Geschäft, der Netto-Invest eines Grenke-Leasingvertrags liegt im Schnitt bei 8.000 Euro. Warum das so profitabel ist? Wir betreiben echtes Massengeschäft mit über 40.000 Händlern weltweit, hochgradig standardisiert. Das ist sehr effizient. Aktuell verfügen wir über 1 Million laufende Verträge. Dank dieser Vielzahl an Verträgen haben wir uns ein starkes System der Bonitätsbewertung unserer Kunden erarbeitet. Die Folge: Ausfallraten und Risikokosten sind vor allem kalkulierbar und bereits bei Vertragsabschluss eingepreist. 

Schauen wir in die GuV. Die oberste Top-Line, die wir dort finden, sind die Zinserträge. Was für Erträge sind das im Detail?

Das sind im Wesentlichen die Zinserträge aus dem Leasinggeschäft, abgeleitet aus einem Zahlungsstrom, den Sie als Annuität aus Darlehensverträgen kennen, beispielsweise bei der Hausfinanzierung. Der Zinsanteil in der Annuitätenzahlung, die der Leasingnehmer an Grenke leistet, ergibt sich aus der anfänglichen Berechnung des internen Zinses und hängt auch von der Erwartung des Restwerterlöses ab. Er liegt rechnerisch bei etwa 9 Prozent. Die Summe aller Zinsanteile erfassen wir in der GuV als Zinsertrag. Der übrige Teil der Rate, also den Tilgungsanteil, bilanzieren wir, indem wir die Höhe der Leasingforderungen gegenüber diesem Kunden auf der Aktivseite der Bilanz entsprechend reduzieren. 

FINANCE-Köpfe

Sebastian Hirsch, Grenke AG

Sebastian Hirsch steigt 2004 direkt nach seinem Studium bei dem Finanzdienstleister Grenke ein und ist zunächst im Bereich Konzernrefinanzierung tätig. 2006 übernimmt er das gesamte Controlling und verantwortet den Konzernabschluss 2008. Im Jahr 2009 geht Hirsch zur Grenke Bank, wo er als Generalbevollmächtigter und ab 2011 als Vorstand für den Bereich Markt agiert.

2013 wechselt er als Generalbevollmächtigter zurück zum Mutterkonzern und rückt Anfang 2017 in den Vorstand auf. Als CFO verantwortet Hirsch die Bereiche Controlling, M&A, Treasury, Investor Relations, Recht und Steuern.

zum Profil

Sie halten die Berechnung einer Umsatzrentabilität als Relation aus Zinserträgen und Vorsteuergewinn, wie es zum Beispiel unsere Kolumnistin kürzlich getan hat, für wenig sinnvoll. Warum?

Weil diese Kennzahl suggeriert, es gebe einen Umsatz. Wir haben aber eine klassische Bank-GuV und bilanzieren folglich nur die Zinserträge. Das entspricht nicht dem Umsatz, wie man ihn gemeinhin kennt. Wir halten es für aufschlussreicher, unsere Deckungsbeitragsmargen und unsere Cost-Income-Ratio zu betrachten. 

Warum Grenke Deckungsbeiträge kommuniziert

Sie sind das einzige größere Unternehmen, das dem Kapitalmarkt Deckungsbeiträge kommuniziert. Es überrascht uns nicht, dass viele Investoren und Analysten sich schwer damit tun. Das war schon vor der Shortseller-Attacke so. Helfen Sie uns, Ihre Darstellung besser zu verstehen!

Gerne! Zuerst die Deckungsbeitragsrechnung: Der Deckungsbeitrag 1 ist die Zinsmarge, also Zinserträge minus Zinskosten. Beim Deckungsbeitrag 2 rechnen wir noch die Verwertungserlöse nach Ende der Verträge sowie die Erlöse aus dem Servicegeschäft hinzu und ziehen die Risikokosten ab. Das ist gewissermaßen unsere Rohmarge vor Kosten, aber nach Risiko. Davon ziehen wir dann unsere Kosten ab, also Personalkosten, Marketing, Vertrieb und so weiter. 

Und wie berechnen Sie Ihre Cost Income Ratio?

Im Nenner, also beim „Income“, berücksichtigen wir unser „Operating Income“, aber vor Risikokosten. Dazu setzen wir die Kosten in Bezug, und das ergibt unsere Cost-Income-Ratio. Diese Darstellung halte ich für sinnvoll, denn so beruht die Cost-Income-Ratio vor allen auf den Erträgen und den operativen Kosten. Das zeigt dem Markt, wie effizient wir wirtschaften.

Der Shortseller Fraser Perring ist der Meinung, dass die Einlagen der Kunden Ihrer Grenke Bank nicht im Cashflow gezeigt werden sollten. Tatsächlich verwalten Sie diese Gelder ja nur, Sie gehören Ihnen nicht. Warum liegt Perring trotzdem falsch?

Weil wir die Kundeneinlagen zwar im Cashflow zeigen, aber wir vermischen da doch nichts! In unserem Cashflow-Statement ist die Zeile „Veränderung der Einlagen“ einzeln ausgewiesen, da ist volle Transparenz gegeben! Interessanter finde ich seine Frage, ob wir die Kundeneinlagen nicht von den Zahlungsmitteln abziehen sollten. 

„Ja, wir zeigen die Kundeneinlagen im Cashflow. Aber wir vermischen da doch nichts!“

Und? Machen Sie das künftig?

Nein, denn die Kundeneinlagen bei der Grenke Bank sind ein ganz normaler Teil unserer Refinanzierung, genauso wie Anleihen und Commercial Papers. Die Finanzmittel, die wir am Bondmarkt aufgenommen haben, zeigen wir ja auch in unserem Kassenbestand. Jedes Unternehmen macht das so. Und bevor Sie fragen, ob kurzfristige Bankeinlagen nicht anders zu bewerten sind als mehrjährige Anleihen – die Refinanzierung hat bei uns nur einen einzigen Zweck: Das Geld fließt direkt in den Ankauf von Leasinggütern. Wir betreiben keine Fristentransformation und versuchen stets, Marktpreisrisiken zu vermeiden. Unser Treasury ist kein Profit-Center.

Die Shortseller-Attacke wirkt nach (Ein-Jahres-Chart der Grenke-Aktie)

Hirsch kontert Fraser Perrings Kritikpunkte

Was uns in Ihrer Bilanz noch auffällt, ist, dass Ihre Leasingforderungen und die Zahlungsmittel in den vergangenen Jahren deutlich stärker gestiegen sind als Ihr Gewinn. Sie drehen ein immer größeres Rad, der Gewinn wächst aber nicht mit.

Es ist richtig, dass unsere Bilanzsumme in den letzten Jahren stark gewachsen ist, an die 20 Prozent pro Jahr. Das bringt Ertragspotenzial für die Zukunft, welches wir in der heutigen GuV aber leider noch nicht zeigen können.

Das müssen Sie uns erklären.

Nicht nur bei HGB, auch bei IFRS bildet man stille Reserven. Wir bilanzieren Neuverträge eher zu fortgeführten Anschaffungskosten, die Gewinne daraus zeigen sich aber erst über die gesamte Laufzeit. Darüber hinaus gibt es aber auch noch einen Sonderfaktor, der die von Ihnen beschriebene Entwicklung zum Teil erklärt: In Italien wurde vor einigen Jahren ein Sonderabschreibungsprogramm aufgelegt, das uns Steuervorteile gebracht hat. Diese haben wir an unsere Kunden weitergegeben, sonst hätten wir Marktanteile verloren – genau so war es vom italienischen Staat sicher auch gedacht. Deshalb haben wir in Italien jetzt weniger Marge in den Verträgen, aber eine bessere Steuerquote. Wenn Sie als Bezugsgröße den Vorsteuergewinn heranziehen, rutscht Ihnen das durch.

Wie hoch ist der Anteil des Italiengeschäfts in Ihrer Leasingsparte?

Ungefähr 20 Prozent.

Was ebenfalls auffällt: Obwohl Sie immer größer werden, weisen Sie immer weniger Rückstellungen auf. Haben Sie keine Forderungsausfälle?

IFRS arbeitet in unserem Geschäft ganz selten mit typischen Rückstellungen, im Wesentlichen reflektiert dieser Bilanzposten bei uns die Pensionsrückstellungen der Schweizer Tochtergesellschaft sowie den Altbestand unserer Bank, die wir 2009 übernommen haben, und diese Rückstellungen sinken. Die Forderungsausfälle bilden wir in unserer Risikovorsorge ab, und die laufen voll durch die GuV. 

„Wir überlegen, was wir tun können, um unseren Investoren mehr Klarheit und Transparenz zu verschaffen.“

Im Anhang der Bilanz zeigen wir eine Tabelle, mit deren Hilfe Interessierte erkennen können, wie sich die Ausfallraten bei uns in etwa entwickeln. Dort ergänzen wir die Netto-Leasingforderungen nach Risikoaufwendungen, die Sie in unserer Bilanz finden, um Angaben zu den Brutto-Leasingforderungen. Die Differenz entspricht in etwa den Ausfällen.

„Haben keine andere Wahl, als IFRS zu beachten“

Sie klingen sehr engagiert dabei, uns das alles zu erklären. Unterstellt, Ihre Bilanzierung ist tatsächlich nur komplex, aber nicht unsauber, dann muss es Sie als CFO doch fuchsen, dass Sie so bilanzieren müssen, dass der Markt es kaum verstehen kann.

Ja. Deshalb überlegen wir auch, was wir tun können, um unseren Investoren mehr Klarheit und Transparenz zu verschaffen. Ein Kernproblem scheint zu sein, dass wir so unterschiedliche Geschäfte wie Leasing, Factoring und die Bank in einer GuV, in einer Bilanz konsolidieren müssen, und das ist nicht einfach nachzuvollziehen. Wir überlegen gerade, wie wir diese drei Teile in der GuV stärker voneinander abgrenzen können. Aber am Ende des Tages haben wir auch keine andere Wahl, als die IFRS-Standards zu beachten.

Können Sie uns genauer sagen, in welche Richtung Ihre Transparenzüberlegungen gehen?

Neben der Aufschlüsselung der drei Sparten in unserer Darstellung planen wir auch, die großen Bilanz- und Cashflow-Positionen stärker hervorzuheben und diese ausführlicher und vor allem klarer zu kommentieren. Meine Herausforderung ist, dass wir ja jetzt schon sehr viele Tabellen und Berechnungen in unseren Berichten haben. Wir könnten ohne weiteres noch ein eigenes „Non-IFRS“-Cashflow-Statement erstellen. Aber dann müssten wir konsequenterweise auch wieder Überleitungsrechnungen erstellen, sonst hat das Ganze den gegenteiligen Effekt: noch mehr Zahlen, noch weniger Klarheit. Hieße: Noch mehr Tabellen. Aber wir arbeiten an dem Thema, und wir werden alle Chancen wahrnehmen, die sich uns bieten in Sachen Transparenz.

Info

39 Jahre alt und schon im Zentrum der Shortseller-Attacke auf Grenke: Mehr über unseren Interviewpartner erfahren Sie im FINANCE-Köpfe-Profil von Sebastian Hirsch.

Alle Updates zu den Entwicklungen in der Causa Grenke gibt es auf unserer FINANCE-Themenseite zu Grenke